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Rose Meller Justiz in Amerika Novelle Ein Gerichtsverfahren wurde am 11. März 1938 wegen der Tagesereignisse in Wien jäh unterbrochen. Der Angeklagte, der sich mit Nazis angelegt hatte, muss vor diesen flüchten, wie auch sein sozialdemokratischer Anwalt, aus dessen Perspektive die ganze Geschichte erzählt wird. In Amerika will der Zufall, dass der Anwalt, inzwischen Fensterputzer, und sein Klient, nach wie vor Angeklagter, einander wieder begegnen und auf der Suche nach Gerechtigkeit und zur Verblüffung der amerikanischen Richter ihren Wiener Fall nachstellen. „Justiz in Amerika“ erschien 1945 auf Ungarisch in Budapest unter dem Titel „Menekülo igazsäg“ (Flüchtige Justiz), 1946 auf Deutsch im Europa-Verlag, Zürich und 2013 in französischer Übersetzung unter dem Titel „La sentence“ (Das Urteil). Die Einleitung stammt von Rose Mellers Sohn, dem franco-ungarischen Autor und Psychotherapeuten Georges Balassa. Im Nachwort geht Alexander Emanuely ausführlich auf Rose Mellers Leben und Werk ein. Rose Meller wurde 1902 in Budapest geboren und übersiedelte mit ihren Eltern um 1918 nach Wien. In Göttingen studierte sie Chemie. Sie fand in Folge eine Anstellung als Chemikerin in einem Labor der Arbeiterkrankenkassa in Wien. Nebenbei wurde Rose Meller eine erfolgreiche Schriftstellerin. 1931 erschien ihr erster Roman „Frau auf der Flucht“. Ebenfalls 1931 wurde ihr erstes Theaterstück „Leutnant Komma“ aufgeführt. Das Stück war ein Publikumserfolg. 1932 eröffnete das Volkstheater seine Saison mit ihrem Stück „Die Weiber von Zoinsdorf“. Am 4. Februar 1933 verübte im Labor, in dem Rose Meller arbeitete, ein Nazi ein Attentat auf sie. Bei dem darauf folgenden Prozess wurde sie wegen Verleumdung und Betrug zu sechs Monaten Kerkerhaft verurteilt. Nach diesem Justizskandal flüchtete sie nach Ungarn, von wo sie bis 1938 gegen das Urteil ankämpfte. Die NS-Zeit überlebte sie versteckt in Budapest. Bis zur Machtübernahme der KP wurden in Ungarn ihre Theaterstücke gespielt, ein Drehbuch verfilmt und ihre Romane verlegt. Nach 1948 arbeitete sie nur noch als Chemikerin. Ihrer Nichte, der Philosophin Ägnes Heller, blieb sie als eine der wenigen literaturinteressierten GesprächspartnerInnen in der Familie in Erinnerung. Rose Meller starb 1960. Rose Meller: Justiz in Amerika. Novelle. Mit einer Einleitung von Georges Balassa und einem Nachwort von Alexander Emanuely. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2021 ca. 120 Seiten, ISBN 978-3-901602-95-5 Euro 15, November 2021 XI