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zur Sterbehilfe - vom Leibe zu halten sucht und dies letztlich nur durch Ausschluß und Ausgrenzung aufrechterhalten kann. Nun aber möchte ich den LiteraturpflegerInnen zwei Werke in ihre schöne Vitrine stellen, die gegen die Abgeschlossenheit im ästhetischen Gehäuse rebellieren. Ich meine Eva Gebers durch viele Publikationen verfolgtes Projekt, jene Frauen, die VorkämpferInnen der Frauenrechte waren, als vielschichtige, durch eigene komplexe Motivation vorangetriebene Persönlichkeiten darzustellen, auch in den Niederlagen, mit denen sie weiterleben mussten, den Kompromissen, die sie eingingen, den Triumphen, die sie errangen. Eva Geber reißt damit das Tor der Literatur zu einer reichen, immer noch wenig erschlossenen Erfahrungswelt und Tradition auf, an welche anzuknüpfen weiterhin eine Aufgabe bleibt, und es mag der Literatur hoffentlich keine Verlegenheit bereiten, dass Eva Gebers selbstbewußte Frauen keine einfachen Geschöpfe sind, die in Armut, Unterordnung und Selbstaufopferung leben. Das andere Werk stammt von einem Autor, der durch die Vielseitigkeit seiner künstlerischen Fähigkeiten und Tätigkeiten die Fenster der Literatur ohnehin nach allen Seiten auffreißt: Richard Schuberths Roman „Bus nach Bingöl“ führt uns weit in die kurdischen Gebiete der Osttürkei, die aber hier nicht in kolonialistischer Verfügbarkeit als Szenerie für den Tod des Bus-Reisenden dienen, sondern durch ein Kontinuum menschlichen Handelns und Leidens mit uns verbunden sind. Es ist ein eminent politisches und im Politischen sehr genaues Buch über Exil und die Unmöglichkeit der Heimkehr. „Wer der Folter erlag“, schrieb Jean Amery, „kann nicht mehr heimisch werden in dieser Welt.“ Vielleicht dürfen die Exilierten aus Österreich auch einmal mit ihren Werken hinein in die Vitrine: Dann werden sie möglicherweise in der Nähe von Schuberths Roman und Eva Gebers Frauengestalten einen Platz finden. 10 ZWISCHENWELT