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— eine Frauenzeitschrift“ mitherausgab und gestaltete. Das Gestalten von Büchern und Zeitschriften ist uns beiden bis heute geblieben. Und so ist es eine stete Freude, mit ihr zusammenarbeiten zu dürfen. II. Veronika Berger Eva und mich verbindet unter anderem eine Sprache: Französisch, und mit dieser Sprache hatten wir beide zu tun, als wir uns mit Louise Michel, der Anarchistin aus der Pariser Commune, beschäftigten. Eva übersetzte Louise Michels Gedichte für die deutsche Ausgabe „der Commune‘“, ich den Fließtext und wir haben viel geredet und wieder einmal gemerkt, wie gut wir uns verstehen. Früher mal waren wir auch miteinander laufen, im Prater, heute gehen wir eher. In beiden Fällen, früher wie heute, zieht mir Eva immer noch locker davon und spricht dabei begeistert über das gegenwärtige Projekt, die Frau, über die sie gerade schreibt oder deren Werk sie gerade herausgibt, und es scheint, als würde sie dabei ganz eins werden mit dieser Frau. Und sie läuft und spricht zugleich mit einer Begeisterung und einer Beseeltheit, als hätte sie einen zusätzlichen Motor eingebaut, der sie vorantreibt. III. Michael Baiculescu Nun stehen wir vor der großen Frage: Wie sollen wir dem Universum Eva Geber laudatorisch begegnen? Ihre große Freundin Ruth Klüger hat einmal über sie gesagt: „Da können die Männer noch so sehr versuchen, die Frauen zu verstecken: Die Eva Geber findet sie alle!“ Da haben wir schon das Grundthema, den Tenor ihrer Publikationen, ihr Anliegen. Und auch schon das Problem der Laudatio: So sehr Eva Geber die versteckten Frauen aufspürt, sie zu Wort kommen und wirkmächtig werden lässt, versteckt sie sich selber. Sie scheint weniger Autorin denn Redakteurin, Moderatorin, Regisseurin ihrer Bücher zu sein. Sie stellt die Autorinnen vor, gestaltet, formt und bleibt dabei im Hintergrund. Und selbst, wenn sie aus ihrer Rolle der Herausgeberin hervortritt und einen Roman schreibt, tritt sie wieder zurück, lässt ihre Protagonistin erzählen und fast glaubt man, eine Autobiographie von Louise Michel zu lesen. Eva Geber versteht es, sich unsichtbar zu machen und das Bühnenlicht ganz auf ihre Protagonistinnen zu richten. Heute aber wollen wir die Eva aus ihrem Versteck und auf die Bühne holen, das Licht anmachen und sie loben und feiern. Beginnen wollen wir mit der Aktion Unabhängiger Frauen und der Mitherausgabe der Frauenzeitschrift AUF seit den siebziger Jahren. 35 Jahre war Eva Geber Mitherausgeberin und die längste Zeit davon auch Endredakteurin und Gestalterin. Und die zwei wesentlichen Aspekte ihrer Arbeit, die wir beide heute hervorheben möchten, hat Eva vor zehn Jahren, als die Zeitschrift eingestellt wurde, in einem Interview selbst genannt: „Dass die AUF von Anfang an ‚eine‘ Frauenzeitschrift hieß, und so auch auf die Vielfalt verwies und eine dienende Plattform für die diversen Darstellungen von Feminismus bot, war wesentlich für das Heft. Die Vielfalt des Diskurses war uns immer wichtig.“ Die Vielfalt des Diskurses und die dienende Funktion, das, scheint uns, sind wesentliche Aspekte der Arbeit von Eva Geber. IV. Veronika Berger Nun, bei diesem Preis, der Eva Geber verliehen wurde, geht es um Schreiben im Widerstand und im Exil, und wir wollen uns beiden ein wenig zuwenden: Eva Gebers Widerstand gegen das Herkömmliche, hinlänglich, sattsam Bekannte und gegen die zum Brechreiz führende Akzeptanz der alles überschattenden Konvention regt sich früh, wenn sie schreibt, dass sie mit fünf vor Empörung kochte, weil der bitterböse Friedrich im Struwwelpeter, „ach, sein Gretchen gar peitschte“. Da sind gleich mehrere Dinge, die für Eva nicht gehen, offenbar nie gingen: dass Gretchen „sein“ Gretchen wäre, denn wie kann sie sein Eigentum sein? Und wenn es denn ein Liebes-Possessiv sein sollte, wie kann er sie misshandeln? Und warum wird er nicht angemessen bestraft? Warum macht niemand dieses schreiende Unrecht gut? Und dann muss die kleine Eva beim Größerwerden erkennen, dass „wenn wir von der Gretel absehen, die den Hänsel rettet, Gretchen-Opfer, wohin wir schauen“ stattfinden. Eines dieser Opfer findet auf dem Altar des Vergessenwerdens statt, und hier findet Eva ihre Aufgabe: im Widerstand gegen das Vergessen. Ich darf sie zitieren: Meine Generation, die in der dumpfen 1950er Welt aufwuchs, konnte so gut wie keine Heldin in irgendeinem Buch erspähen. Und wenn, war es kaum möglich, diesen Glücksfund mit anderen zu teilen, sich darüber auszutauschen — über die eine oder andere Freundin hinaus. Und gar es zu verbreiten, zu vermitteln, etwas damit anzufangen. Dem Abhilfe zu schaffen, fühlt sich die große Eva verpflichtet, und für mich bedeutet das ein Geschenk, denn sie zeigt mit ihren Publikationen nicht nur die historische Dimension des weiblichen Kampfes, sondern wirkt damit inspirierend für ihre Leserinnen, sich selbst für ihre eigene Sache einzusetzen. Uns für das, was Frauen geleistet haben zu interessieren, führt uns schließlich auch zu uns selbst. Nicht immer herrscht blanke Empörung, auch Humor kann eine geschliffene Klinge führen, zum Beispiel mit folgender Feststellung: Frauen werden über ihren Körper definiert und sexualisiert ... Selbst bei Charlotte Corday, der mit einer gewissen Scheu begegnet wird, wird der intimste Körperbereich blofsgelegt: ‚Sind Sie Mädchen?‘, wird sie im Verhör gefragt, und nach ihrer Obduktion wird ihre Jungfräulichkeit verkündet. Warum erfahren wir nicht vom Obduktionsergebnis Robespierres, ob der unbeweibte Tugendterrorist nicht vielleicht eine zu enge Vorhaut hatte? Eva Geber veröffentlicht aus Widerstand gegen die Diskriminierung, die das Vergessen erzeugen kann. Und wenn vergessen zu werden eine Art von Exil darstellt, dann sind wir schon beim zweiten Punkt unseres Preises. Und hier gibt es noch etwas hinzuzufügen, denn so, wie Eva Geber schreibt bzw. das Geschriebene wieder zum Vorschein holt, lässt sie uns den Frauen, die sie zu Wort kommen lässt, sehr nahe kommen, und zwar mit aller Hochachtung, mit allem Respekt, aber auch mit aller Irritation und Fremdheit, die sein dürfen und nebeneinander Gültigkeit bewahren. Deshalb begegnen wir in ihrem Werk so unterschiedlichen Frauen wie der Artistin und Straßenmusikerin Lucia Westerguard, der Kämpferin, Lehrerin und Widerständlerin Louise Michel, ebenso wie der bürgerlich gebildeten Rosa Mayreder. V. Michael Baiculescu Ich möchte auf die Bedeutung der vorhin schon erwähnten Vielfalt im feministischen Diskurs in Evas Werk zurückkommen. Gerade in einer Zeit, in der die Neue Frauenbewegung sich in Fraktionen aufsplittert und über die Frage streitet, welcher Feminismus der wahre und richtige sei, entdeckt Eva Geber die große Vordenkerin Rosa Mayreder neu, deren größtes und wichtigstes Anliegen es war, die Frauen von ihren Rollenzuschreibungen zu befreien statt neue Vorstellungen richtiger, echter und wahrer Dezember 2021 19