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Weiblichkeit zu finden. Mayreder in ihrem 1905 erschienenen Essayband „Zur Kritik der Weiblichkeit“, den Eva 1998 neu herausgegeben hat: Nichts muss den Frauen so angelegen sein, als gegen die Abstraktion zu kämpfen, in die sie beständig durch das männliche Denken verwandelt werden. Gegen das Weib als Idol müssen sie kämpfen, wenn sie als reelle Personen ihr Recht in der Welt erobern wollen. Und: Man wird erst wissen, was die Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen. Ich denke, diese beiden Sätze von Rosa Mayreder charakterisieren auch sehr treffend die Position, die sie - Eva Geber — im feministischen Spektrum einnimmt. Sie dient nicht einer bestimmten Position, sie lotet die Vielfalt der Möglichkeiten aus. Und mit dieser Haltung begegnet sie auch ihren Protagonistinnen, ihren Autorinnen. Ähnlich wie Emma Adler in ihrem von Eva neu herausgegebenen Buch über die berühmten Frauen der französischen Revolution, verschafft Eva Bürgerlichen wie Sozialistinnen und Anarchistinnen ebenbürtig Geltung. Mehr noch, sie zeigt sie nicht nur nebeneinander, sondern auch in ihrer Beziehung zueinander. Was „Evas Autorinnen“ miteinander verbindet, ist der Gedanke, bei aller Unterschiedlichkeit der Herkunft und der Positionen, gemeinsam für die Veränderung der Verhältnisse zu kämpfen. Dabei sind ihre Protagonistinnen nie gänzlich nur Vorbild und Ideal. Sie stecken — wie echte Menschen — voller Widersprüche und Eva stellt sich diesen wie ihren eigenen. Und begibt sich der Mühe und Plage, diese Widersprüche in einem dialektischen Prozess sichtbar zu machen und produktiv zu nutzen. So schafft Eva esin ihren Büchern immer wieder, im roten Faden der Frauengeschichte nicht nur zu erinnern, sondern auch neue Erkenntnis zu schöpfen, neue Thesen zu finden. VI. Veronika Berger Auf Eva Geber treffen folgende Worte, die sie selbst im Nachwort zur „Kritik der Weiblichkeit“ über Rosa Mayreder formuliert hat, absolut zu: „Sie nähert sich mit Genauigkeit, Respekt und Ernst den großen Denkern und Denkerinnen, die sich mit der Geschlechterfrage befasst hatten ... ihre Diagnose ist schonungslos, aber ihr Wunsch ist Iherapie, sie hätte ‚umsonst gelebt‘, wenn sie ‚das Menschenrecht des Weibes nicht beweisen kann‘.“ Es ist eine Form von Liebe, von tiefer Zuneigung, die Eva mit ihren Frauen verbindet und die auf uns übergreifen kann, weil wir sie kennenlernen dürfen. So schrieb Eva Geber, wie schon gesagt, über Louise Michel einen Roman, und wir haben uns gedacht, warum schreibt Eva über Louise Michel einen Roman? Wir haben für uns eine Erklärung gefunden: Louise Michels Memoiren, in denen sie über sich und ihr Leben schreibt, sind nicht immer leicht nachzuvollziehen, ein Dickicht aus Zeit- und Gedankensprüngen. In der „Commune“ erfahren wir viel über die Verhältnisse, über die Zeit und den Widerstand, wenig über Louise Michel. Dieses Leben in einen Guss bringen, aus Kraut und Rüben etwas Lesbares und Nachvollziehbares zu schaffen, war Evas Anliegen, als sie die Person Louise Michel der Nachwelt begreifbar machen wollte. Um Distanz zu vermeiden, wählt sie die Ich-Form und wir befinden uns wieder bei unserem Thema, was Eva Geber anbelangt: Sie lässt ihre Frauen sprechen, es geht um das, was diese vollbracht haben, nicht darum, was Eva vollbringt. Und doch gestaltet sie, stellt immer wieder eine Beziehung zu diesen Frauen her, arbeitet sich an ihnen ab. Liebe als Triebfeder fiir politisches Handeln, weil es ja gerade darum gehen muss, Frauen endlich in ihrem Mensch20 ZWISCHENWELT sein, in ihrer Ganzheit zu feiern, in denen ihre Leistungen eingebettet sind. Und doch gibt es bestimmte Eigenschaften, die für Eva unbedingt wichtig sind: Zum einen der Mut, sich für die Sache einzusetzen, der Mut, unkonventionell zu denken und zu handeln, der Mut zu sich und den eigenen Bedürfnissen zu stehen und der Mut, den Weg bis zum Ende zu gehen. Zum anderen, wie wir bereits gesehen haben, ein tiefer und unverbrüchlicher Sinn für Gerechtigkeit. Dort, wo Menschen, und hier meinen wir Frauen im patriarchalen System, unterdrückt, ausgebeutet, verfolgt, erniedrigt, getötet werden, weil sie Frauen sind, hört sich für Eva alles auf. Für Ruth Klüger, die leidvoll erkennen musste, dass die Erfahrung des Holocaust für immer und unvermeidbar eine unüberbrückbare Kluft zwischen sie und jene, die diese Erfahrung nicht teilten, gerissen hatte, weil die entweder aus heillosem Respekt, Angst oder auch aus Ignoranz und Ressentiment ihre Einsamkeit zementierten, war Eva eine Freundin, und das wundert mich nicht. Die Umsicht mit der sie ihrem Gegenüber begegnet, baut Brücken und ermöglicht Vertrauen. Ich habe Eva bei mehreren Gelegenheiten als Vorbild gesehen: durch ihre Präsenz, nicht nur in feministischen Initiativen, nicht nur als Herausgeberin der AUF, nicht nur als Publizierende, sondern durch ihr alltägliches Auftreten, ihr Dasein, ihr Sosein; wenn sie als Geschäftsführerin der Druckerei Brücke verstanden hat, ein Arbeitsklima zuzulassen und zu fördern, das bei so manchem Gast, bei so mancher Beobachterin Sehnsuchtsgefühle aufkommen ließ; als unabhängige Frau, die ihre Kinder allein großziehen konnte, Beruf, Kinder und politische Arbeit unter einen Hut brachte, der noch dazu stilvoll aufgesetzt war. VII. Veronika Berger Eva versteht ihre Rolle als Geburtshelferin für die immer wieder neu zu entdeckenden Heldinnen der Frauengeschichte. Sie schreibt: Heute — nach drei Jahrzehnten Neuer Frauenbewegung — ist die Nachfolgefrage brennend. Weil wir manches erreicht haben, glauben viele, es wäre alles erreicht, nunmehr liege die Zukunft allein in der Hand der Einzelnen. Dabei ist nur der rechtliche Rahmen halbwegs gegeben, in den Köpfen hat sich wenig verändert, in der Realität ist noch sehr viel zu tun und ein dauerhafter Erfolg muss überdies abgesichert sein. Das bedeutet, dass drei Jahrzehnte Frauenbewegung nicht genug sind — der Kampf muss weitergehen, solange, bis er fertig ist. Ihn vorher zu beenden, hiefe Aufgeben. Und das hieße auch verzichten auf seine schöpferische Kraft. VIII. Michael Baiculescu Wir wünschen uns, dass Eva ihre schöpferische Kraft im Dienst des Kampfes für die Frauenbewegung noch lange und ungebrochen erhalten bleibt, damit uns diese ihre Kraft und ihre Liebe auch weiterhin inspirieren und uns Mut machen können. Es macht einfach so viel Vergnügen und so viel Freude, über diese mutigen, besonderen, lebendigen und kreativen Frauen zu lesen, und es macht so viel Freude zu wissen, dass sie uns von Eva neu geschenkt wurden. Eva zitiert in der „Kritik der Weiblichkeit“ die 75-jährige Mayreder mit Worten, die auch für sie selber gelten: „Das Staunen ist cher gewachsen“.