OCR Output

denfroh oder erleichtert aufseufzend, das Absterben der Wirtshäuser,
die in euren Augen richtige Gifthütten sind. Dabei trifft aber dieses
Sterben tückischerweise gerade das nicht, was ihr meint. Viele Wirts¬
häuser sperren zu, aber die Irrenhäuser werden zu klein (...)

Des Weiteren verweist er auf das Verschwinden der schattigen
Gastgärten, die „veröden und zu staubigen Parkplätzen werden“,
auf den Wegfall einer Einrichtung, die dem Gespräch, der Dis¬
kussion dient und der Geselligkeit.

Andererseits zeigt er im Roman „Das Ende der ewigen Ruh“, dass
so ein Gasthaus auch ein Ort krimineller Machenschaften und
rechtsextremer Umtriebe sein kann. Nicht nur ein Sparverein,
„Ischecheranten“, ein „motorisierter Rossknecht“, „Schneebrun¬
zer“, Friedhofsarbeiter, Unternehmer, selbstbewusste Damen,
Gewerkschafter etc., sondern auch die „Markomannen‘, die sich
einbilden, „nicht die letzten von gestern“, sondern „die ersten von
morgen“ zu sein, frequentieren diesen Ort. Wie immer bekommt
beim Erzähler Franz Kain ein Phänomen oder ein Ort keine ein¬
deutige Punzierung.

Jenen, die mit der Begriffswelt „Hausverstand“ oder „Heimat“
politisch Unfug treiben, um sich als volksverbunden zu geben, ist
mit größter Skepsis zu begegnen. Schön für mich die Vorstellung,
ein Politiker würde für mehr Holzverstand werben. Ihm würde
unweigerlich Irritation, ja Ablehnung entgegenschlagen.

Peter Hodina

Tatsache ist, dass Franz Kain als KPÖ-Mandatar im Linzer Ge¬
meinderat vorschlug, die abgestorbenen Kastanienbäume an der
Donaulände durch Mostbirnbäume zu ersetzen. Er war nicht nur
Mosttrinker (und damit direkt am Weiterbestand von Streuobst¬
wiesen und Mostbirnbaumalleen beteiligt) sondern presste auch sel¬
ber, in seinem Elternhaus in Posern oberhalb von Goisern. Zu diesem
Haus gehört auch ein Deputat, d.h. eine bestimmte Menge Brenn¬
holz kann einem bestimmten Waldstück entnommen werden.
Diese Servitute bestanden ähnlich wie Weide- und Streunutzungs¬
rechte in Bezugsrechten für Brenn- und Bauholz, wie sie vor Jahr¬
hunderten bei der Ablösung von Gemeindewäldern entstanden wa¬
ren oder als ‚Privilegien‘ für die Niederlassung in den landwirt¬
schaftlich nur schwach entwickelten Gegenden. (Am Taubenmarki)
Diese Holzarbeit, um das Haus mit Brennholz zum Heizen und
Kochen zu versorgen, war ihm eine beglückende Tätigkeit. In ei¬
nem Interview aus dem Jahr 1994, abgedruckt in der vom Land
Oberösterreich herausgegebenen Porträt-Rampe, antworte er auf
die Frage zu seinen Lieblingsbeschäftigungen: „Schreiben, Lesen,
Holzarbeiten“.

Richard Wall, Dichter, Künstler und Reiseschriftsteller, zuletzt er¬
schienen: Am Äußersten. Irlands Westen, Tim Robinson und Conne¬
mara. Erlangen: Wildleser Verlag 2020. Das Jahr der Ratte. Ein¬
pandämonisches Diarium. Wien: Löcker Verlag 2021

a

Der biographische Ausgangspunkt

Franz Kains Geburtstag jährt sich 2022 zum hundertsten Mal.
Wikipedia nennt zuerst den Journalisten, dann den Schriftsteller
und als Drittes den Politiker Franz Kain.” Diese Tätigkeitsfelder
sind in seinem Fall jedoch als eine Einheit zu begreifen: im Zeichen
des Antifaschismus, des Humanismus, eines widerständigen Le¬
bens’, das stets vom Konkreten des Alltags ausging: niemals die
Menschen an die Kopfgeburten abstrakter Theorien verratend.
Auch Anton "Ihuswaldner betont diese Einheit von Leben und
Werk: „Als Jugendlicher hatte er seine Haltung gefunden, der er
ein Leben lang treu blieb. Es gibt keine Brüche in seiner Entwick¬
lung, was sich einmal in seinem Inneren herausgebildet hat, wird
in Zukunft nur noch verfestigt und erweitert.“

Franz Kain wurde als eines von vier Geschwistern am 10. Januar
1922 in Posern bei Bad Goisern geboren. Sein Vater war von Beruf
Maurer und Hafner, häufig arbeitslos, schloss sich während des
Ersten Weltkriegs, bald in Kriegsgefangenschaft geraten, der Ro¬
ten Armee an, war als Hilfsgeometer tätig, parzellierte einige der
enteigneten Großgrundbesitze neu. Franz Kain wuchs mit Ge¬
schichten auf, nicht nur diesen des Vaters, sondern weiter in die
Monarchie zurückreichenden, besonders der Großmutter mütterli¬
cherseits, die vom Ischler Hofleben anschaulich zu berichten wuss¬
te. „Ja, mein Elternhaus war ein sehr fröhliches Haus“, erinnert sich
Kain, „ein sehr diskutierfreudiges und in mancher Beziehung auch
sehr herbes Haus, denn ich stamme aus einer typisch österreichi¬

30 ZWISCHENWELT

schen Familie, wo die Strömungen sich innerhalb der Familie ge¬
kreuzt haben und manchmal auch in dramatischer Weise.“

Vater parteiloser Kommunist, Mutter fromme Katholikin, ein
Bruder Linkssozialist, ein Halbbruder (der älteste) illegaler Nazi,
der es später bis zum SA-Obersturmführer bringen sollte.° Seine
Pflichtschulzeit absolvierte Franz Kain in der katholischen Privat¬
schule „Stephaneum“ in Bad Goisern, wurde als Ministrant bei
Gottesdiensten herangezogen, betätigte sich allerdings, als Haupt¬
schüler noch, der Lenin las, im Kommunistischen Jugendverband.

Früher Widerstand

Mit vierzehn, im Herbst 1936, wurde er zum ersten Mal wegen
Verteilung von „illegalen Flugschriften“ festgenommen, wegen
„Verstößen gegen das Staatsschutzgesetz“ angeklagt und verurteilt,
und saß als der damals jüngste politische Häftling Österreichs ins¬
gesamt zwei Monate Arrest ab. Damit war ihm als „Zuchthäusler“
der weitere Bildungsweg versperrt; er schlug sich als Holzknecht
durch, war zeitlebens stolz auf seinen „Holzverstand“’. Den Beruf
Holzknecht, dem er von seinem 15. bis zu seinem 18. Lebensjahr
um einen Hungerlohn nachgegangen war, hielt er hoch in Ehren:
„[...] ich habe ihn auf viele Fragebögen und Lebensläufe geschrie¬
ben. Ich war immer gekränkt, wenn der Holzknecht als Synonym
für ungehobelt und beschränkt genommen wurde, auch in den
eigenen Reihen.“? Seine schriftstellerischen Anfänge reichen bis in