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Die Bouboulina wird geehrt, erhält den Titel „Kapetana“, Kapitänin und „große Dame“ wird sie ehrfurchtsvoll genannt, nimmt teil an den Versammlungen des Kriegsrats, hat gleiches Stimmrecht wie die Männer bis dann die Unabhängigkeit erreicht ist — ganz ohne Englands Hilfe und die Frankreichs auch. Sodann gibt ihr, daall ihr Hab und Gut verbraucht ist, die Regierung ein Haus in Nafplion — Hauptstadt der jungen Nation Da wendet sich das Blatt: eine Partei der jungen, griechischen Regierung bekämpft die andre, ein alter General, Kolokotronis, der verdienteste von allen im Kampf gegen die Türken wird inhaftiert. Die Bouboulina protestiert und — wird verjagt, verbannt auf ihre alte Insel Spetses, von wo sie nicht zurückkehrt. Verarmt, zurecht verbittert, stirbt sie — Hohn der Geschichte! — durch eine Kugel, die ihr aus Blutrache privat gegeben wurde. Aus,,San pethano sto karavi“ Aide san pethano!Ti tha poune? Pethane kapio paedi och aman Pethane kapio paedi Pethane kj enas levendis Pou glendouse i z0i aman ach aman Ach, wenn ich sterbe, was werden sie sagen? Werden sie sagen, es ist ein Kerl gestorben, der das Leben zu genießen verstand? (Wellenmelodie — aus „Epilogos“ von Manos Chatzidakis) Ein Ozean ist die Erinnerung. Kalt, unermesslich, undurchdringlich oft. Dann,wieder aufgewühlt durch Stürme, taucht etwas auf. Vergangenes, Vergessnes, Abgesunknes, Unerwünschtes? DIE MANTO Aus Rosentau und Grabesmuff, aus unzugänglicher Geschichte, aus etwas, das einst wirklich war und nicht mehr ist, aus Denkmälern und Marmorbüsten, sei es in Spetses, in Athen, an Festlandküsten, aus eignem Drang, aus lodernder Empörung, aus Ahnung von allem Unterdrücktem in mir und meinen Schwestern, aus dünnen Quellen steigt mir das Bild auf einer weitren Frau, die alles und ihr Leben einsetzte im Kampf gegen die fremden Herrscher, die Osmanen. Manto Mavrogenous Die Siegerin der Schlacht von Mykonos! Jung, schön, reiche Kaufmannstochter, unkonventionell, doch hoch gestimmt vom Freiheits- und Gleichheitsideal der großen Revolution, gebildet auch, spricht sie französisch, italienisch, türkisch, kannte die altgriechische Geschichte und Philosophie, wuchs in Triest auf, dann auf Paros, Tinos, Mykonos — und wirbt, erst zwanzigjahrig, doch unterstiitzt von ihrem Onkel, einem Popen, mit Briefen bei der feinen Gesellschaft sowohl des Auslands als der exilierten Griechen um finanzielle und ideelle Hilfe im Kampfe um die Freiheit. Den Damen Frankreichs schreibt sie »Wie Sie den Tanz ersehne ich den Tag des Kampfs“. In einem Schul-Kinderlied wird ihrer und der Bouboulina noch gedacht. So einem Lied, das niemand singen will, so lappisch, steif und ohne Leidenschaft. So springt der Funke niemals über, der Funke aus dem Brand der Frauen Widerstand! Die Manto hat nicht nur geschrieben! Bei einem Angriff auf Mykonos stürzte sie selbst sich in den Kampf, erfocht mit ihren Leuten und mit eignem Schwert den Sieg und überzeugte so die krämerischen Mykonioten, sich dem Befreiungskampfe anzuschließen. Als Siegerin der Schlacht von Mykonos wurde sie Kapitänin und führte 20 Schiffe an, 800 Mann, bezahlt und ausgerüstet aus ihrem Brautschatz. Doch gibt es noch etwas Besondres bei der Manto. Sie kämpfte nicht nur gegen die fremden Herrscher. Sie wehrte sich auch gegen Unterdrückung durch griechisch-orhtodoxe Konventionen und prozessiert gegen ihre Mutter, die ihr verwehren wollte, ihr Erbe für Schiffe und Besoldung zu verbrauchen. Sie achtet’s nicht und schlägt sich weiter mit den Türken, mit Schwert, Gewehr und Briefen an das Ausland. „La bella Greca“ nennt man sie, hat einen prominenten andern Kämpfer als Geliebten, den Ypsilanti, der ihr hilft, Dezember 2021 43