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Reeder Wiswisi, der den Aufstand in Makedonien begann, wird ihr Mann, dem sie, als er gefallen ist, nachfolgt in den Krieg auf jenes Schiff, im Lied besungen, die „Kalomira“,was so viel heißt wie „Gutes Geschick“. Ihre fünf Kinder nimmt sie mit und allen ihren Reichtum, den sie hingibt, um der Nation, der jungen griechischen, zu dienen. Auch ihr vergalt diese es nicht. Nach der Befreiung, qualvoll verarmt, hat sie noch nicht einmal genug, um ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen. Sie bittet bei der Stadt Athen um Hilfe, bekam sie nie - stirbt bei Piräus 1850 im Alter von 66 Jahren. Auch ihr wurde ein Denkmal gesetzt. In Alexandroupolis am Kai. Doch welche Griechin ich auch immer fragte, der Name Domna Wiswisi war nicht bekannt. Ich bin am Ende der Geschichte dieser drei großen Frauen angelangt. Sie stimmt mich traurig und verlegen auch. Denn dass es unzählige Freiheitskämpferinnen gab, in Griechenland, weiß ich schon lange. Hier eine Liste derer, die bekannt wurden: Chado Jiannaki-Sechou, die Souliotin Stavriana Sawäna, Sparti-Maniatin Despo Sechou-Botsi, Souliotin, bekannt aus dem Lied der Despo Despo Fotou Tsavela, Souliotin Auch über diese Letztgenannte gibt es ein Lied. Die Melodie vom Epirus — für mich leider nicht singbar — aber den Text fass ich Euch hier zusammen: „Ach wie kämpft die Tsavelena! Das Gewehr schleppt sie mit sich Mit den Kugeln in dem Gürtel Und dem Kind auf dem Arm Mit dem Kind auf dem Arm Rennt sie vorne an der Spitze Rennt sie an der Krieger Spitze Mit dem Kind auf dem Arm!“ Dort in Souli, wo sie herkam, gab’s ein Gesetz, dass die Mütter solcher Söhne, die kriegstauglich waren, im Rat der Ältesten über Krieg und Frieden mitbestimmten. Doch weiter in der Liste: Alefanto von Mesolonghi Chariklia Daskalaki, die Kreterin Marigo Zarafopoula, aus Konstantinopel Kastanaki, genannt die Kastanapoulou ‚, von Kreta, Kissamo Arkadiani, bekannt aus dem Lied Arkadiani All diese Kriegerinnen kämpften Und fielen zwischen 1810 und 1823. DIE DEUTSCHE REZEPTION Und 1823 kamen in Deutschland bereits Hefte mit Liedtexten heraus von einem jungen Dichter namens Wilhelm Müller in mehreren Auflagen mit 1000 bis 1500 Stück, genannt „Neue Griechische Lieder“ — und ich finde dort: Die Suliotin Ich hab die Spindel lang gedreht, hab manche Winternacht Gewebt am Stuhl und dabei froh ans neue Kleid gedacht. Ich hab die Herden auf den Höhn gehütet manchen Tag Und bin geklettert ohne Not den jungen Ziegen nach. Ich habe meinen Kleinen auch manches Kinderspiel gezeigt Und Sprung und Lauf und Schuss und Wurf ward mir mit ihnen leicht. Jetzt schleif ich einen Stahl für mich und drehe Sennen mir Mein Herr, mein Hort, mein Herz, o nimm mich in den Kampf mit dir. Ich kenne jeden Felsenpfad auf Soulis steilen Höhn, Und wo die flinke Gemse zagt, da kann ich sicher stehn. Hast du noch nicht gesehn, was ich vermag in Sprung und Lauf? Wohlan, so gieb ein Probestück mir mit den Männern auf! Und eine Klippe zeige mir auf Souli weit und breit, Die ich dir nicht erklettern kann zu aller Frauen Neid. Den Vogel treff ich in der Luft, wo’s gilt nur einen Scherz — < Meinst du, verfehlen könnt ich je des großen Feindes Herz?...‘ Ja, so kam in Westeuropa vermutlich schon 1823 ein neues Frauenbild zustande. Die kämpfenden Frauen Griechenlands haben gezeigt — der Griechen-Müller hat es aufgenommen — dass Frauenstärke nicht nur in Mutterschaft und Hausfrauenarbeit sich finden lässt. Dass Körperkraft und Lust, sie auch zu nutzen, auch Frauensache ist. Aber, um Wilhelm Müller, es ist der gleiche, der die „Winterreise“ schrieb, die Schubert uns vertonte (Am Brunnen vor dem Tore... Kampfgeist und Melancholie schließen einander offenbar nicht aus) Und, um dem heute so unbekannten „Griechen-Müller“ und der heute so geschmähten Romantik auch Dezember 2021 45