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Konstantin Kaiser So viel Laub Manfred Wieninger (1963 — 2021) Vor den Füßen schäumt das Laub Ewig ist der Herbst in dieser Stadt ist tiefes Falllaub, das verbirgt die Pfosten und den Stacheldraht die Kante aus Beton Regulierung Traisenfluß Wer trieb die kleinen Hände her zur Arbeit und zum Hungertod in die Baracken. Ist so viel Laub aufall den Wegen Die Peiniger die Opfer schieden von Tätern Freund vom Feind sie werden weiter gesucht es gibt kein Ende solange nicht alle Spuren gesichert kein Ende Marek Miert — der Name des Detektivs erinnerte an smrt fazismu sloboda narodul eine Verwandtschaft des Klangs Marek der Detektiv ohne Auftrag. Er greift nicht ein ohne Grund. vor seinen Füßen schäumt das Laub auch die Geretteten sucht er Da geht er im schwarzen Mantel massig neben dem Fahrrad des Revierinspektors Winkler (den muß man studieren, seinen Mut zu verstehen) und hinter dem Lastwagen des Feldwebels Anton Schmid der ein Held ist: deshalb hingerichtet von der Wehrmacht. Weder Täter noch Opfer sind beide. Sind Charaktere. Sie bilden Wirbel. Wirbel der Zeit. Gegenwarten. Anton Schmid, in seinen Letzten Briefen schreibt er: „Ihr wißt, wie ich bin, ich konnte das nicht mit ansehen.“ „Ich habe nur als Mensch gehandelt.“ „Wo das noch hinführt, weiß niemand.“ Kennt doch keiner den Anton Schmid, den Gerechten unter den Völkern. Erkennt man sich nicht wieder im Anton Schmid? Gestorben in Wilna? Hatte jüdische Widerstandskämpfer aus dem Ghetto geschmuggelt. Fälschte Papiere. Ein Schlepper? Unter dem Falllaub sind Gruben, sind Fallen. Ist Niedergerissenes, Zerstampftes. Doch die Wahrheit kommt heraus Sie ist die Pointe. Manfred, dein dröhnendes Lachen wie sehr vermisse ich es Manfred Wieninger, geboren 9.7.1963 in St. Pölten. Studium der Germanistik und Pädagogik an der Universität Wien, abgeschlossen mit einer Diplomarbeit über die Kulturgeschichte der St. Pöltner Straßennamen (2002 in stark veränderter und erweiterter Form als Lexikon „St. Pöltner Straßennamen erzählen“ im StudienVerlag erschienen). Er lebte in seiner Geburtsstadt. Verfasser einer bisher sechsteiligen Krimi-Reihe mit dem schrägen „Diskont-Detektiv“ Marek Miert, der in einer fiktiven ostösterreichischen Bezirksstadt namens Harland sein Unwesen treibt. Die Miert-Romane zeichnen sich vor allem durch einen scharfen, oft auch ironischen Blick auf die gesellschaftlichen Zustände in Österreich aus. Zuletzt (2010) ist in dieser Reihe „Prinzessin Rauschkind“ bei Haymon erschienen. Daneben zahlreiche Arbeiten zu Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich und darüber hinaus. 2011 erschien in diesem Bereich „Das Dunkle und das Kalte. Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs“. Sein zeitgeschichtlicher Roman „223 oder Das Faustpfand“, der 2012 von Residenz herausgebracht wurde, zeichnet das Massaker von Hofamt Priel im niederösterreichischen Strudengau nach, bei dem in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 223 ungarischjüdische ZwangsarbeiterInnen von einem Rollkommando der Waffen-SS ermordet worden sind. 2013 erhielt Manfred Wieninger den Theodor Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil. Manfred Wieninger arbeitete zehn Jahre an einem historischen Roman über Anton Schmid, den aus Wien-Brigittenau stammenden „Gerechten unter den Völkern“. 2014 erschien im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft sein dokumentarischer Roman „Die Banalität des Guten. Feldwebel Anton Schmid“. 2017 erschien „Aasplatz. Eine Unschuldsvermutung“, ein Buch über die Ermordung jüdischer Zwangsarbeiterlnnen in Jennersdorf Anfang 1945 und über das Schweigen über die Endphaseverbrechen nach der Befreiung. Manfred Wieninger schrieb regelmäßig für die „Wiener Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung‘, für „Literatur und Kritik“ und „Zwischenwelt“. Am 13. Juli 2021 verstarb Manfred Wieninger in St. Pölten. Manfred Wieninger 2013 in Niederhollabrunn. Foto: Harald Maria Höfinger Dezember 2021 47