wurden eigene Steuern eingeführt, um das Spital erhalten zu
können, so etwa das „Büchelgeld“, die erste jüdische Gemeinde¬
steuer in Wien oder der sogenannte „Fleischkreuzer“, d.h. eine
Steuer auf den Kauf von Fleisch. Die finanzielle Lage der Spitä¬
ler war immer prekär. Oft verrichteten jüdische Ärzte ihren
Dienst über viele Jahre unbezahlt. Die PatientInnen rekrutier¬
ten sich bis zum Ersten Weltkrieg hauptsächlich aus armen
Kranken, die häufig nicht der lokalen jüdischen Gemeinde an¬
gehörten. Das Prager jüdische Spital war das einzige, das den
Status eines öffentlichen Krankenhauses erlangte. Alle anderen
„Lsraelitischen Spitäler“ — so die Selbstbezeichnung - hatten den
Status von Privatspitälern. Jüdische Gemeinden und der Orden
der Barmherzigen Schwestern/Brüder waren die wichtigsten Be¬
treiber von Privatspitälern in Österreich-Ungarn. Auch gemes¬
sen an ihrer Verbreitung und Aufnahmekapazität sind vor allem
die kleineren jüdischen Spitäler in Galizien und Ungarn Ende
des 19. Jahrhunderts mit jenen der Barmherzigen Schwestern/
Brüder vergleichbar.
Der Bau großer moderner jüdischer Krankenhäuser mit hundert
und mehr Betten begann in Österreich-Ungarn in den letzten
beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts mit Wien (1893) und
Budapest (1889) und setzte sich über die Jahrhundertwende und
den Beginn des 20. Jahrhunderts (Lemberg, Prag) bis in die
Zwanziger- und Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts fort (Czer¬
nowitz, Krakau, Bratislava). Im Zusammenhang mit diesen
Neubauten wurde auch der Antisemitismus thematisiert, der es
jüdischen ÄrztInnen zunehmend erschwerte, in einem nichtjü¬
dischen Krankenhaus den Beruf auszuüben. Zugleich mit die¬
sen modernen Spitälern bestanden auch noch zahlreiche kleine¬
re jüdische Spitäler bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weiter
und zwar insbesondere in jenen Gegenden in denen die Mehr¬
heit der jüdischen Bevölkerung Österreich-Ungarns lebte, näm¬
lich in Ungarn und in Galizien. Eine strikte Trennung zwischen
Juden und Nichtjuden gab es in den Spitälern nicht. So spende¬
ten jüdische Gemeinden für nichtjüdische Spitäler, aber auch
nichtjüdische Personen für jüdische Spitäler, insbesondere Mit¬
glieder der kaiserlichen Familie. Jüdische PatientInnen ließen
sich in nichtjüdischen Spitälern ebenso behandeln wie umge¬
kehrt. In Bezug auf die Kostendeckung für die Behandlung der
zahlreichen auswärtigen jüdischen Kranken stießen die Versu¬
che der Spitäler, dafür eine Unterstützung von den jeweiligen
jüdischen Heimatgemeinden oder von der öffentlichen Hand zu
bekommen vielfach auf taube Ohren.
Professionalisierung in der Krankenpflege
Mit dem Bau moderner jüdischer Krankenhäuser nahm auch
der Bedarf an geschultem Pflegepersonal zu. Versuche, in Öster¬
reich-Ungarn wie in Deutschland jüdische Krankenpflegeschu¬
len zu gründen, waren nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Bis
zum Ersten Weltkrieg wurden nur drei als Krankenpflegeschu¬
len bezeichnete Ausbildungsstätten geschaffen, die erste 1890 in
Prag, die zweite 1901 in Pressburg und die dritte 1907 in Wien.?
Weitere Schulgründungen an jüdischen Spitälern erfolgten erst
nach dem Ersten Weltkrieg in den Nachfolgestaaten der Habs¬
burgermonarchie in Städten wie Lemberg, Budapest, Krakau
und Bratislava. Zahlen zum Pflegepersonal in den jüdischen Spi¬
tälern Österreich-Ungarns (ohne Angaben zur Konfession) sind
für die Jahrhundertwende vorhanden. Nach einer von Sanitäts¬
rat Dr. Eugen Hofmokl veröffentlichten Studie gab es im Jahr
1911 in den von ihm für die cisleithanische Reichshälfte er¬
wähnten 28 jüdischen Spitälern mit insgesamt 1.078 Betten ne¬
ben 76 ÄrztInnen auch 118 Pflegepersonen. Davon waren 37 im
Wiener Rothschildspital tätig, je 12 in Krakau und Lemberg,
acht in Prag, sechs in Tarnöw, und je fünf in Brody und Tarno¬
pol. Alle anderen Spitäler verfügten über ein bis drei WärterIn¬
nen. Im Gegensatz zu Hofmokl nennt der Inspektor des ungari¬
schen Sanitätswesens Dr. Geza Békésy in seiner Studie über
ungarische Spitäler im Jahr 1898 neben den WärterInnen auch
die Zahl der DienstbotInnen. In Ungarn gab es in den 11 von
ihm genannten jüdischen Spitälern mit insgesamt 482 Betten,
30 Ärzte, 46 WärterInnen und 50 DienstbotInnen. Von den 46
KrankenwärterInnen arbeiteten die meisten in Budapest — 15
im jüdischen Krankenhaus und 16 im Adele Brödy-Kinderkran¬
kenhaus. In allen anderen Spitälern gab es ein/e bis zwei Wärte¬
ıInnen, wobei in letzterem Fall meist ein Mann für die männlichen
Kranken und eine Frau für die weiblichen Kranken zuständig war.
In Bezug auf Geschlechterzuweisungen war die Krankenpflege in
den alten jüdischen Spitälern nicht weiblich konnotiert. Haupt¬
verantwortlicher war bis ins 19. Jahrhundert, so wie auch in
nichtjüdischen Spitälern der „Spitalsvater“ dessen Einstellung
üblicherweise an die Bedingung geknüpft war, dass er verheiratet
war und die Ehefrau im Krankenhaus „mit“arbeitete. Auch ande¬
re Familienangehörige wurden in die Arbeit mit einbezogen.
So wie in der Medizin, bildete sich auch in der Krankenpflege
erst allmählich eine Trennung der verschiedenen Aufgaben, die
zur Betreuung eines Kranken gehörten, heraus. Das Ehepaar
war sowohl für die Verwaltung und Überwachung als auch für
die Pflege und die Organisation der Küche und der Wäsche ver¬
antwortlich. Die Wärterinnen in den jüdischen Spitälern des 19.
und beginnenden 20. Jahrhunderts verfügten über keine reguläre
Ausbildung und waren — wie meine Untersuchungen ergaben —
häufig, wenn nicht sogar mehrheitlich, christlich und nicht jü¬
disch. Dies scheint jedenfalls in den jüdischen Spitäler in Wien,
Prag und Budapest der Fall gewesen zu sein. In Budapest waren
es häufig Witwen, die in der Krankenpflege tätig waren.
Einen wichtigen Aspekt innerhalb der Geschichte der Professio¬
nalisierung von Krankenpflege stellt die Frage der Verge¬
schlechtlichung des Berufes dar, der in jüdischen Spitälern bis in
die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert nach Geschlechtern ge¬
trennt ausgeübt wurde. Just zu dem Zeitpunkt, an dem Aktivis¬
tinnen der Frauenbewegung den Zutritt zu medizinischen Fa¬
kultäten forderten, entdeckten (männliche) Ärzte die besondere
Eignung von Frauen für die Krankenpflege. Doch auch Frauen
und Feministinnen wie Bertha Pappenheim, sahen im Beruf der
Krankenpflegerin einerseits eine Lösung für die sog. „Frauenfrage“
und andererseits eine Maßnahme zur Verbesserung sowohl sozia¬
ler als auch sittlicher und hygienischer Probleme der „Volksge¬
sundheit“. Die Forderung nach einer bezahlten Berufsarbeit für
Frauen ging in der Krankenpflege zugleich mit einer Säkularisie¬
rung des Berufes einher, doch hielten sich ordensähnliche Arbeits¬
und Lebensbedingungen, das sog. Mutterhaussystem, auch in der
weltlichen Krankenpflege noch einige Jahrzehnte lang.
Dieses Berufskonzept übte auch einen starken Einfluss auf das
Berufsbild der jüdischen Krankenpflegerin aus. Das System der
sozialen Überwachung sollte nicht zuletzt eine Garantie dafür
sein, dass der Krankenpflegeberuf als ehrbarer Beruf für bürger¬
liche Frauen akzeptabel wurde und bot gleichzeitig nach dem