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„toten Sätzen“ spricht, die an die „fun¬
kelnde Kraft“ Burger'scher Satzbildung
natiirlich nicht heranreichen, davon, dass
Oberschlick „mehr Geist zeigen will, als er
hat“, der er, Oberschlick, in seinem Leben
auch schon einmal Buchhalter gewesen
sei... Schopenhauers im Eifern gegen He¬
gel behauptete, im Stil sich zeigende „Phy¬

Karl Pfeifer

siognomik des Geistes“ darf auch nicht
unzitiert bleiben. Krallers Suada gipfelt im
Anathema über „diesen Oberschlick der
Moral“ und dessen „Verlust der Vernunft“.
Schimpflicheres scheint in Krallers Vor¬
stellung nicht vorrätig. — Ich finde Kral¬
lers Verhalten einfach unanständig.
Konstantin Kaiser

Rudolf Burger: Über Gott und die Welt
und die Liebe. Gespräche und Interviews.
Mit Beiträgen von Peter Strasser und Ernst
Strouhal. Hg. von Bernhard Kraller. Wien:
Sonderzahl 2021. 514 S. € 35,¬

In Frankreich lässt man die Brandstifier in
Ruhe und verfolgt die, welche die Sturmglo¬
cke läuten. Nicolas Chamfort (1741-1794)

Der französische Journalist Eric Zemmour
könnte, wenn er sich entschließt zu kandi¬
dieren, bei den nächsten Präsidentschafts¬
wahlen im April 2022, Macron heraus¬
fordern. Zemmour ist Jude und verhehlt
dies nicht. Die jahrzehntelange Politik des
Verschweigens gesellschaftlicher Probleme
begünstigt ihn, der um bei den Rechtsext¬
remisten populär zu werden, Petain und die
Vichy-Kollaborateure entlastet. Er ähnelt
den „Israeliten“, die seinerzeit gegen Alfred
Dreyfus auftraten. Den jüdischen Kindern,
die vom islamistischen Mohammed Merah
ermordet und in Israel begraben wurden,
warf Zemmour mangelnden Patriotismus
vor. Wegen seiner Hassreden gegen Musli¬
me wurde er mehrmals verurteilt.

Ganz anders erging es dem 69jährigen Ge¬
orges Bensoussan (GB), der aus einer altein¬
gesessenen marokkanisch-jüdischen Fami¬
lie stammt, die nicht wie die allermeisten
Juden aus Marokko nach Israel, sondern
nach Frankreich auswanderte. Als Histori¬
ker hat er sich auf die jüdische Geschichte
Europas und die Geschichte der Juden im
Nahen Osten spezialisiert. Darüber hinaus
beschäftigt er sich seit Jahrzehnten mit dem
Antisemitismus in der zweiten und dritten
Generation der aus dem Maghreb Ein¬
gewanderten. Bensoussan ist Autor bzw.
Herausgeber von mehr als einem Dutzend
Bücher und leitete mehr als zwanzig Jahre
das Memorial de la Shoa in Paris.

„Jüdische Hündinnen, youpine, Du bist eine
Hure, außerdem jüdisch“ — dies waren nur
ein paar der Beleidigungen, die 15-jährige
Zwillingsschwestern, Schülerinnen im Pari¬
ser Bergson Gymnasium (XIX) umringt von
einem Dutzend maghrebinisch-französischer
Mitschüler 40 Minuten lang ertragen muss¬

ten. Ihre Gesichter und Kleider wurden mit
Käse beschmiert, weil „Juden stinken“ und
von einer der Schwestern wurde verlangt, sie
solle sich hinknien und um „Entschuldigung
bitten, jüdisch zu sein“.

So beginnt das von GB herausgegebene
Buch „Die verlorenen Territorien der Re¬
publik“', in dem eine Gruppe französischer
Mittelschullehrer im Herbst 2002 über
weit verbreiteten Antisemitismus, Sexismus
und Islamismus in AHS und Gymnasien
berichtete. Das Buch wurde damals totge¬
schwiegen und bei der dritten Auflage, 13
Jahre später, war das Echo auch nicht sehr
laut.

Diese Auflage wurde nach den Pariser At¬
tentaten im Januar 2015 redigiert und von
GB mit einem Nachwort versehen, in dem
dieser anmerkt, dass die Briider Kouachi,
die den Mord an den Mitarbeitern von
Charlie Hebdo veriibten sowie Ahmed
Coulibaly, der im koscheren Supermarkt
mordete, gerade 2002 in französischen
Schulen sozialisiert worden waren. Diese
Atmosphäre des Verschweigens und der
Leugnung der Realität führte zu einer Wel¬
le von Verbrechen. „Als das Buch erschien,
gab es ein langes Schweigen der Medien,
aber auch der Politik, das aus der Linken
kam, von wo wir auch kamen“, schrieb
GB. „Wir stießen auf diese Verweigerung,
der französischen Gesellschaft zuzuhören.
Die Stigmatisierung kam von einem Teil
der Linken, die uns die Öffentlichkeit ver¬
sperrte. Wir wurden als ‚Rassisten’ und als
‚islamophob‘ abqualifiziert. Es war für sie
schwierig, die neue Realität eines Antise¬
mitismus zu sehen, dessen Ursprung ara¬
bisch-muslimisch war.“

All diese Lehrer, die nicht mehr jene Teile
der Geschichte, die mit Juden zu tun hat¬
ten — die Hebräer, Nazismus, Frankreich
während der 1930er Jahre oder die Shoa

— lehren konnten, kamen aus der Linken,

wie Iannis Roder erzählte, der Geschichte
und Geographie in einer Mittelschule in
Seine-Saint-Denis lehrte. Die Stereotypen
erschallten, die alten Wörter des Antise¬
mitismus wurden an staatlichen Schulen
wiederbelebt.

„Während wir das Buch redigierten, ha¬
ben wir vom Unterrichtsministerium (das
von Jack Lang geführt war) um Zahlen
von antisemitischen Vorfällen gebeten, wir
haben keine Antwort erhalten“, erinnert
sich GB. Dieser „neue“ Antisemitismus in
Frankreich ist mit einer schweren histori¬
schen Hypothek belastet, denn ein großer
Teil der französischen Bevölkerung hatte
1940 und 1941 kein Problem, als die ersten
antisemitischen Maßnahmen von der Re¬
gierung in Vichy getroffen wurden. Als die
Universitäten auf Grund der Gesetze von
Vichy 140 Professoren jüdischer Abstam¬
mung entließen, haben die Universitäten
geschwiegen. Als das erste antijüdische Ge¬
setz (3. und 4.10.1940) erlassen wurde, hat
die Versammlung der französischen Kardi¬
näle und Bischöfe die Einschränkung der
Rechte von Juden gutgeheißen.

Ein Teil der französischen Linken, die Is¬
lamogauchisten’, hat keine Probleme mit
der von Proudhon kommenden Tradition,
die den Antikapitalismus mit dem Antise¬
mitismus vermengt. Nach dem Mord an
vier Juden im koscheren Supermarkt 2015
behauptete Dominique Vidal in Le Mon¬
de diplomatique (Februar 2015), es handle
sich lediglich um ein „kurzes Auflackern“.
Der Titel seines Artikels „Ein heftiger, doch
marginaler Antisemitismus“ hat es in sich.
Er nimmt wahr, dass seit 2006 in Frank¬
reich neun Juden ermordet wurden, aber er
verharmlost damit diese Morde.

In der gleichen Woche, am 6. Februar
2015, veröffentlichte der Philosophielehrer
Sofiane Zitouni in der linken Tageszeitung
Liberation einen Artikel „Weshalb habe ich

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