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Katherina Braschel Mit Verwunderung habe ich Konstantin Kaisers Kommentar in der zuletzt erschienenen Zwischenwelt zu meinem Text gelesen. Wenn ich Herrn Kaisers Kommentar richtig verstehe,ist seine Kritik, dass ein solcher Text nicht wirklich etwas zu einem aktuellen antifaschistischen Kampf für eine gute Gesellschaft beiträgt, da er es sich bzw. ich es mir „im Schatten der eigenen Bitterkeit bequem“ machen würde. Er wirft mir also vor, angesichts aktueller faschistoider Bedrohungen lediglich zurückzuweichen und nichts Konstruktives, Positives („Raum für freieres Atmen“) dagegen vorzuschlagen. Vielleicht haben Herr Kaiser und ich einen fundamental anderen Begriff und ein ebenso fundamental anderes Verständnis von der Konstitution antifaschistischer Kämpfe, aber für mich ist das kritische Aufzeigen faschistischer Kontinuitäten (wie eben die immer noch bestehende und ja gerade erst wieder als „unproblematisch“ eingestufte Straßenbenennung nach NSDAP-Mitgliedern) ein unabdinglicher Teil dieser Kämpfe. Denn gerade diese unwidersprochenen oder sogar bestätigten Kontinuitäten zeigen doch, welche Prioritäten der Staat Österreich (oder sei es in diesem konkreten Fall auch nur das Bundesland Salzburg) hat und diese liegen offensichtlich nicht bei einer kritischen Erinnerungspolitik. Konstantin Kaiser Nicht zuletzt gehört für mich zu einem antifaschistischen Kampf auch unabdingbar die Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Zum Beispiel eben darüber, dass Waggerl nicht einfach nur ein „Heimatdichter“ war, der über Blumen und Weihnachten geschrieben hat, sondern auch ein Nationalsozialist, der seinen Teil zur Bücherverbrennung beigetragen hat und Bürgermeister eines Ortes war, aus dem Personen deportiert und ermordet wurden. Ich weiß nicht, wie Aufklärungs- und Bildungsarbeit gehen soll, wenn nicht erstens diese Geschichten recherchiert und thematisiert und sie zweitens in Verbindung mit einer strukturellen Problematik gebracht werden, nämlich der der Erinnerungspolitik in Österreich. Natürlich ist mein Text kein Essay oder Artikel, der diese Zusammenhänge eins zu eins argumentativ darlegt und einen historischen Abriss der Person Waggerl bietet, dazu ist diese literarische Form auch nicht gedacht. Aber ich denke doch, dass er genügend Information liefert und gleichzeitig Anstoß bietet, sich selbst weiter mit Waggerl auseinander zu setzen. Wie bereits oben formuliert: Es scheint, als hätten Konstantin Kaiser und ich sehr unterschiedliche Auffassungen davon, was alles als aktiver Kampf gegen faschistische Strömungen und Kontinuitäten gilt, denn für mich ist ein „Sprechen mit VerachIch gebe vorweg zu, dass meine Kommentierung Ihres Textes nicht korrekt war: Sie hätte allenfalls im folgenden Heft stehen dürfen. Ich werde mich also in Zukunft bemühen, meine Bedenken in einer Form vorzutragen, die für den betroffenen Autor/die Autorin akzeptabel sein kann. Allerdings: abgesehen davon, dass Sie in Ihrem Text geradezu so tun, als hätten Sie als Allererste entdeckt, was für ein übler Nazi Karl Heinrich Waggerl gewesen ist, ziehen sie aus diesem etwas blauäugigen Erstaunen heraus sprachgewaltig, doch undifferenziert über die „Vernichtungstraumschachtel“ Ös74 ZWISCHENWELT terreich her, als wäre Ihnen jetzt erst das Erweckungserlebnis zuteil geworden zu wissen, in welch einem Land Sie eigentlich leben. Dieses sprachlich zwar aufgefrischte, gedanklich aber abgenutzte Österreich-Bashing hat mich irritiert. Was aber das Formelle betrifft, werde ich in Zukunft dergleichen Anmerkungen unterlassen und bitte Sie um Nachsicht. Herabsetzend war meine Anmerkung jedenfalls nicht gemeint. Wo Kritik immer gleich Herabsetzung wäre, kann sie nur mehr unterbleiben. Man sollte das Land, in dem man lebt, nicht verachten. tung“ über ein Österreich, dass sich immer noch aktiv für die Benennung von Straßen und Plätzen nach Nazis entscheidet, ein wichtiger und auch keineswegs sich passiv zurücklehnender Teil davon, dieses Land nicht aus seiner historischen Verantwortung zu entlassen. Zudem verwundert war ich über Konstantin Kaisers Formulierung „Es mag sein“, steckt doch in dieser ein Infragestellen jener Tatsachen. Auf jeden Fall eher eine Passivität als in meinem Text. Darüberhinaus fände ich es als Autorin begrüßenswert, über einen solchen Kommentar zu meinem Text vor Abdruck informiert zu werden, da dies für mich auch mehr einer Kommunikation auf Augenhöhe entsprechen und mir im besten Fall eine direkte Stellungnahme ermöglichen würde. Ich fürchte, dass nämlich mit einem solchen Vorgehen gerade jüngere Kolleg*innen mit weniger Publikations-Erfahrung davon abgeschreckt werden, nochmals zur Veröffentlichung in der Zwischenwelt einzureichen. Und da ich die Zeitschrift und ihre Arbeit für sehr wichtig halte, fände ich dies enorm schade. Mit besten Griifsen, K. Braschel Außerdem erkläre ich feierlich, daß ich Texte nie als Persönlichkeitsbild der Verfasserin oder des Verfassers lese, das ich zu beurteilen hätte; mein Interesse als Redakteur gilt ausschließlich dem Vorgebrachten und Dargestellten, wobei mir stilistische Unterschiede auffallen können, die gewöhnlich nicht von Belang sind und die ich nicht dramatisiere. Bin halt mehr ein „Inhaltler“. Eine intelligente Kritikerin hat mir darum die Fähigkeit abgesprochen, „ästhetische Qualität“ zu erkennen. Sei's drum!