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widerrief den Vergleich. Thorak starb am 25. Februar 1952 im Alter von 63 Jahren auf Schloss Hartmannsberg am Chiemsee und wurde vier Tage später im Beisein führender Salzburger Landespolitiker am Salzburger St. Petersfriedhof begraben. Der Prozess um die Rückstellung des altehrwürdigen Schlosses endete erst vier Monate nach Thoraks Tod. Gertrude von Hofmannsthal musste sich verpflichten, der Witwe Erna Thorak als Rechtsnachfolgerin zu Handen ihres Anwaltes Dr. Reinhold Möbius den Betrag von 40.000 Schilling für eine gotische Eichentür und eine zweiflügelige Spieltür aus massivem Eichenholz zu bezahlen. Ein besonders eindrucksvoller Fall einer „Entjudung“ war die totale Enteignung des jüdischen Hoteliers Isaak Arditti. Der Hotelier war in Fusch an der Glocknerstraße Eigentümer des Kurhotels Post, der Marienvilla, des Kramerhauses, des Poststöckls, einer 200 Hektar großen Landwirtschaft (Gut Perleben und die Riedlhochalm) und einer Barockkapelle. Zudem war er Eigentümer des Parkhotels in Zell am See”. Isaak Arditti wurde am 20.4. 1872 in Rustschuk (Bulgarien) als Sohn der sephardischen Juden Abraham und Mazal Arditti geboren und war mit der 12 Jahre jüngeren Bucca Anna (geborene Canetti) verheiratet. Da auch der Literaturnobelpreisträger Elias Canetti aus dieser Stadt stammt, ist eine Verwandtschaft der beiden Familien nicht auszuschließen. Der Badearzt Isaak Arditti hatte in diversen Kurorten der k.u.k. Monarchie gastronomische Praxis gesammelt und bewirkte für den Kurort Fusch eine deutliche Qualitätsanhebung. Arditti erwarb seinen Besitz in Fusch während der wirtschaftlichen Depression der Nachkriegszeit im Jahr 1921 von den Vorbesitzern Neurat und Hahn. Da das Gebäude des Hotels Post mit seinen 22 Zimmern bereits abgewohnt war, musste er entsprechende Summen investieren, um den Betrieb überhaupt weiterführen zu können. Erst die 1.000-MarkSperre, die am 29. Mai 1933 durch Hitler verhängt wurde, um Österreichs Wirtschaft zu schwächen, brachte einen Einbruch, der allerdings durch den Bau der Großglockner Hochalpenstraße teilweise wieder aufgefangen werden konnte. Als Hitler 1938 in Österreich einmarschierte, wusste Arditti, dass seine Zeit abgelaufen war. Noch rechtzeitig konnte er sich mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern der Vernichtung durch Flucht in die USA entziehen. Die Tochter Renee (verehelichte Blatt) war Ardittis Parkhotel in Zell am See. Ansichtskarte © Walter Thaler 14 ZWISCHENWELT bereits am 3. April 1938 in den USA eingereist. Nun kam eine neue Art von Kurgästen nach Fusch, denn schon 1938 erschien der Salzburger Gauleiter Dr. Rainer, um den Badebetrieb zu besichtigen. In der Folge bestand die Mehrheit der Gäste aus NS-Prominenz, den Emporkömmlingen des Dritten Reiches und deren Günstlingen. Ab Kriegsbeginn änderte sich wieder das Erscheinungsbild, denn die Nazi-Prominenz wurde abgelöst von armen Umsiedlern aus der Bukowina und deutschstämmigen Protestanten aus Moldawien und der Ukraine. Im Jahr 1943 wurde das Parkhotel Fusch dem von den Nazis favorisierten Herrn Brüll, einem dubiosen Geschäftsmann, der mit Zuckergeschäften reich geworden war, verkauft. Im letzten Kriegsjahr diente das Hotel als Kinderverschickungslager, wo 80 Kinder aus bombengefährdeten Städten untergebracht wurden. Im Jahr 1946 wurde das Parkhotel Fusch ein Raub der Flammen und nicht mehr aufgebaut. Das Parkhotel in Zell am See ersteigerte Arditti im Jahr 1931 aus dem Besitz von Karl und Franziska Kiener. Die Hotelanlage verfügte als eines der wenigen Gastronomiebetriebe in Zell am See über einen großen Park. Da es jedoch sehr heruntergekommen war, wurde es vom neuen Eigentümer total renoviert. Arditti verpachtete es an Theodor Sperl, bis dieser im Marz 1938 von der Nazi-Kreisleitung seiner Tatigkeit enthoben wurde. Sperls Schwester war nämlich mit Dr. Leopold Waber verheiratet, der unter den christlich-sozialen Regierungen Schober und Seipel Innen- und Justizminister war. Nach der Machtübernahme ließen die Nazis das repräsentative Gebäude total verwahrlosen und die Wasserleitung einfrieren. Das Piano und die Einrichtungsgegenstände sowie das Geschirr wanderten in die privaten Haushalte der neuen Machthaber. Arditti erhielt am 8. Juni 1944 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, als Wohnsitz war New York, Cayuga Avenue angegeben. Nutznießer der Arisierung seines Besitzes waren zunächst das Deutsche Reich, später dann die amerikanische Militärregierung, die alles der Verwaltung der Österreichischen Bundesregierung übergab. Wie sich aus Briefen Ardittis an das U.S. War Department (Kriegsministerium) und das US Department of State (Außenministerium) aus dem Jahr 1946 ergibt'’, bemühte sich der seines Eigentums beraubte Hotelier um die Rückgabe seiner Realitäten im Pinzgau. Schließlich erfolgte im Jahr 1948 die Rückstellung an Isaak Arditti, der das Parkhotel Zell am See sodann an die Gastronomiefamilie Eder verkaufte. Heute ist daraus einer der typischen Zweitwohnsitz- Apartmenthäuser im schindelverkleideten Alpindekor geworden. Das Perlebengut und die Riedlhochalm gingen 1952 an Josef Piilzl und Rudolf Meissl. Das Todesjahr Isaak Ardittis lässt sich leider nicht ermitteln. Eine weitere brutale Entjudung eines Produktionsbetriebes, die allerdings mit der Ermordung des Eigentümers endete, ereignete sich ebenso im kleinen Pinzgauer Ort Fusch an der Glocknerstraße. Dort besaß Dr. Lothar Ellbogen?®, geb. am 19.6. 1900 im niederösterreichischen Hinterbrühl, die Schürfrechte für Talkum, eines Minerals, das in fein gemahlener Form für die Erzeugung von Papier und Zellstoff, Farben und Lacken sowie von Gummiwaren und Keramik verwendet wird. Zunächst wurde ihm am 20.12.1938 als erste Schikane und menschliche Entwürdigung der Doktorgrad aus politischen Gründen aberkannt. Zusätzlich wurde er zu drei Monaten verschärften Kerkers verurteilt, weil die Promotionsurkunde „nicht feststellbar“ war. Tatsächlicher