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Grund aber war, weil er seine florierende Firma noch zu einem „angemessenen“ Preis verkaufen wollte, bevor sie „entjudet“ wurde. Als Kaufinteressent trat der Welfenherzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg auf, der in Österreich starke Beziehungen zu NSDAP-Funktionären unterhielt. Ellbogen wurde ein Jahr in Untersuchungshaft festgehalten und massiv bedroht, bis er schließlich den Arisierungsvertrag unterschrieb. In letzter Not hatte Ellbogen an den Welfenprinzen geschrieben: „Ich kann nicht glauben, dass Seine Durchlaucht die Intention hat, so einen Vertrag mit einem Industriellen abzuschließen. Wenn ich den Entwurf, so wie er ist, unterschriebe, so wäre ich buchstäblich ein Bettler“. *' Doch „Seine Durchlaucht“ blieb unbeeindruckt und nutzte die Zwangslage jüdischer Unternehmen in der NS-Zeit schamlos aus. Ellbogen wurde erst aus der Haft entlassen, als ihm auch seine Auslandsguthaben abgepresst worden waren. Ohne Besitz konnte der Unternehmer nun auch die von Juden abverlangte „Vermögensabgabe“ nicht zahlen und erhielt auch keinen Reisepass. Dennoch gelang Ellbogen die Flucht, da er am 25. 11. 1939 mit einem aus 822 jüdischen Personen umfassenden Flüchtlingstransport auf Donaulastkähnen über Bratislava in Richtung Eretz Israel (Britisch-Palästina) Wien verlassen konnte. Den jüdischen Organisationen „Mossad le Alija Bet“?” und „Hechaluz“”? gelang es, in diesem ersten kollektiven Rettungsversuch die Donau abwärts bis Kladovo, einem kleinen serbischen Donauhafen vor dem „Eisernen Tor“ im Dreiländerbereich Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien, zu gelangen. Doch auf Grund des Zufrierens der Donau mussten sie im jugoslawischen Hafen Sabac nahe Belgrad bleiben. Denn Großbritannien verwehrte den jüdischen Flüchtlingen die Einreise in das britische Mandatsgebiet Palästina. Als die deutschen Truppen im April 1941 in Serbien einmarschierten, wurde auch die letzte Hoffnung auf Rettung zunichte gemacht. Denn als Vergeltung für 21 im Gefecht mit Partisanen gefallene deutsche Wehrmachtssoldaten wurden alle jüdischen Männer am 12. und 13. 10. 1941 auf Befehl von General Franz Böhme” erschossen. Die Frauen wurden Anfang Jänner 1942 in das Konzentrationslager Sajmiste überstellt und unter dem Kommando des Osterreichers Herbert Andorfer®® zwischen März und Mai 1942 in Gaswagen ermordet. Rund 200 jugendlichen und nur wenigen erwachsenen Juden gelang die Flucht, weil sie rechtzeitig Zertifikate erhalten hatten, die ihnen die Einreise in Palästina auf dem Landweg ermöglichten”®. Lothar Ellbogen war nicht darunter. In Saalfelden betrieb die jüdische Familie Arthur und Sara Kant bis zum 6. Oktober 1938 ein kleines Modewarengeschäft. Schon vorher war das Geschäft immer wieder Ziel nationalsozialistischer Attacken gewesen. So war im Frühjahr 1938 — kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich — der 17-jährige Otto Wolf von den SA-Männern Peter Altmann und Michael Trixl gedemütigt und misshandelt worden, weil er sich im Modegeschäft Kant einen Anzug gekauft hatte. Er wurde von den beiden SA-Männern zur Gendarmerie gebracht, wo ihm eine Tafel mit der Aufschrift „Dieses Schwein kauft bei Juden ein“ umgehängt wurde. Mit Ohrfeigen und Schlägen wurde er dann durch den Ort getrieben. Am 6. Mai 1938 wurde von der NS-Bezirksleitung der Lodenfabrikant Georg Höttl zum kommissarischen Leiter des Modegeschäfts bestellt, der das gesamte Lager und das vorhandene Bargeld konfiszierte und das Geschäft seinem Neffen Hans Aschböck übergab. Arthur Kant wurde im Zuge des Novemberpogroms ins Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er starb. Sara Kant konnte mit Hilfe des Fluchtgeldes in Höhe von 4.000 Reichsmark ins Ausland gelangen und überlebte?”. Die Firma Gottlieb und Süßmann betrieb im Saalfeldener Ortsteil Bsuch ein Sägewerk. Unmittelbar nach dem Anschluss wurde der Betrieb des jüdischen Besitzers Jacob Süßmann unter die kommissarische Leitung von Josef Schulz, später von Forstmeister Josef Kreuzspiegel gestellt. Die Gemeinde Saalfelden war nämlich daran interessiert, auf dem Areal Wohnungen zu bauen, und übernahm das gesamte Areal samt Sägewerk. Beim Rückstellungsverfahren 1948 gab es aber Probleme, weil die Gemeinde inzwischen das Holz und die Maschinen verkauft hatte. Jacob Süßmann, der rechtzeitig flüchten hatte können, starb am 28.11. 194878. Ein weiteres Sägewerk in Saalfelden gehörte den polnischen Staatbürgern Severin und Sebastian Agdern. Auch dieser Betrieb wurde unter kommissarische Verwaltung gestellt. Während Severin sich rechtzeitig ins Ausland absetzen konnte, kam Sebastian Agdern mit seiner Frau Berta und der Tochter Erika am 6.9.1943 im Konzentrationslager Janowsky bei Lemberg ums Leben”. Der kommissarische Leiter Franz Friza, verkaufte die Liegenschaft um 40.000 Reichsmark. Am 2.9. 1953 stellte Severin Agdern beim Salzburger Landesgericht einen Rückstellungsantrag, wobei der Wert des Holzlagers auf eine Million Schilling eingestuft wurde. Obwohl dem Antrag am 8. 4. 1955 nicht stattgegeben wurde und für den Rechtsstreit bereits 100.000 Schilling an Verfahrenskosten angefallen waren, berief Agdern beim Oberlandesgericht Linz und beim Obersten Gerichtshof und wurde endgültig mit seinen Begehren abgewiesen’. Wie die nationalsozialistische Verschwörungstheorie, dass der Erste Weltkrieg und die darauf folgende Weltwirtschaftskrise durch die „jüdische Weltverschwörung“ verursacht worden sei, zu einer Brutalisierung der Menschen führte, zeigt das Schicksal des jüdischen Dentistenehepaars Paul und Hermine Bierer. Das Ehepaar war im Jahr 1937 aus Wien nach Mittersill im Oberpinzgau übersiedelt und hatte dort eine Zahnbehandlungspraxis eröffnet. Nach Hitlers Einmarsch in Österreich am 12. März 1938 wurde das Paar durch massive Einschüchterungsversuche bedroht. Schließlich trieben fanatische Nazis Paul Bierer an einem Strick in eine Allee und wollten ihn aufhängen. Durch das Einschreiten eines Gendarmeriebeamten konnte dies aber verhindert werden. Im November 1938 jedoch wurde Paul Bierer verhaftet und nach Salzburg überstellt. Es gelang dem Ehepaar allerdings, nach Frankreich zu flüchten. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich im Juni 1940 wurde Paul Bierer erneut gefangen genommen und als Zwangsarbeiter beim Bau von Eisenbahnstrecken in Nordafrika eingesetzt. Erst im Jahr 1947 konnte das Ehepaar mit seiner Tochter nach Mittersill zurückkehren und die Praxis wieder übernehmen. Paul Bierer starb 1951 an einem Herzinfarkt. Das Ansuchen der Witwe um eine Hinterbliebenenrente nach dem Opferfürsorgegesetz wurde von der Salzburger Landesregierung am 20. Oktober 1953 zunächst abgelehnt, erst nach einem zweiten Antrag wurde 1962 für die inzwischen 60-jährige Hermine Bierer ein Opferausweis ausgestellt?'. In der Gemeinde Lofer wurden am 22. Juli 1942 die aus dem böhmischen Wodnian stammenden Villenbesitzer Alfred und Beatrice Hlawatsch in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und dort am 9. 10. 1944 ermordet. Ihre Villa in Lofer wurde arisiert*. August 2022 15