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3. Die nachlässige Strafverfolgung nach dem Krieg In der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es durch die Nürnberger Prozesse zunächst nur zur justiziellen Verfolgung der Hauptakteure des Nazi-Regimes. Generell wurden in Österreich der Verfolgung von NS-Verbrechen und der Ahndung von Arisierungstäter:innen weniger Bedeutung zugemessen als in Deutschland. Man verwies auf die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943, in der Österreich durch den Einmarsch der HitlerTruppen am 12. März 1938 die Opferrolle zugebilligt wurde. Im Kriegsverbrechergesetz, das am 26. 6. 1945 von der Provisorischen Staatsregierung Österreichs beschlossen wurde, galt der Straftatbestand für Arisierer nur für Personen, die „durch Ausnützung der nationalsozialistischen Machtergreifung. ..fremde Vermögensbestandteile an sich gebracht oder anderen Personen zugeschoben oder sonst jemanden an seinem Vermögen Schaden zugefügt haben, Ab dem Jahr 1949, als der ,Verband der Unabhängigen“ (VdU), der sich überwiegend aus ehemaligen Nationalsozialisten rekrutierte, das aktive und passive Wahlrecht für den Nationalrat bekam, hat die Strafverfolgung von nationalsozialistischen Verbrechen generell radikal nachgelassen, so dass zahlreiche Ariseure (wie sich am Beispiel des Bildhauers Josef Thorak deutlich zeigt), vor allem aber die Drahtzieher der „Entjudung‘“‘, straffrei ausgingen. Die Einstellung gegenüber den Juden blieb auch nach dem Krieg, als sechs Millionen von ihnen durch den Nazi-Terror ums Leben gekommen waren, in abgeschwächter Form bestehen und wurde als Kavaliersdelikt eingestuft. Der Salzburger Kabarettist und Kolumnist Christian Wallner bringt das System des nationalsozialistischen Staates in satirischer Überspitzung auf den Punkt: „Es herrschte keine Anarchie, sondern ein (menschenverachtender) Ehrenkodex, ja Tugendhaftigkeit, Pflichtbewusstsein (bis in den Tod), (Kadaver-)Gehorsam, (massenmörderische) Ordnungsliebe. Nicht klinisch „Wahnsinnige“, sondern. ideologietreue Fachleute ließen den NS-Staat funktionieren“. ** Da sich zudem die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ in gleicher Weise bemühten, ehemalige Nazis als Mitglieder und damit eine politische Mehrheit zu gewinnen, sicherte man sich den innenpolitischen Frieden zwischen Nazi-Tätern, Mitläufern, Profiteuren und den Opfern sowie der Mehrheit der Bevölkerung. Viele Ariseure blieben unbehelligt, behielten ihr widerrechtlich angeeignetes Eigentum und konnten ihrer Erwerbstätigkeit wie bisher nachgehen. Erst im Jahr 1998, also 53 Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, wurde eine Historikerkommission mit der Erforschung der Vermögensentzüge während der NS-Zeit, der Rückstellung bzw. Entschädigung beauftragt. Zu einer Zeit also, da die meisten der Opfer und der Täter nicht mehr am Leben waren. Walter Thaler, Mag. et Dr. phil, geb. 1941, Studium der Germanistik, Anglistik und Politikwissenschaft, AHS-Direktor und 35 Jahre in kommunal- und landespolitischen Funktionen tätig (Bürgermeister von Zell am See, Landtagsvizepräsident). Er ist Verfasser zahlreicher Bücher zur Salzburger Landespolitik und biographischer Essays. 16 _ZWISCHENWELT Anmerkungen 1 Beim Kraftwerksbau Kaprun arbeiteten ab Juni 1939 mehr als 4.000 Kriegsgefangene. 2 Im Sonderlager Stubachwerke am Weißsee, einem Nebenlager von Dachau, arbeiteten zwischen Frühjahr 1943 und Mai 1945 450 Zwangsarbeiter in 2.300 m Sechöhe. S. Bayer, Heinz (2004). Dachau nebenan. KZ im ewigen Eis. In: Salzburger Nachrichten v. 5.6. 2004, Beilage II. 3 Krisch, Laurenz (2008). Intensitätsmessung von politischen Bewegungen — wie nationalsozialistisch war der Pinzgau vor dem Anschluss? In: Schausberger, Franz (Hg.). Geschichte und Identität. Wien, Köln - Weimar, 162. 4 A.a.O. 166. 5 Schausberger, Franz (2005). Alle an den Galgen. Der politische „Takeoff“ der „Hitlerbewegung“ bei den Salzburger Gemeindewahlen 1931. Wien -Köln — Weimar. 121. 6 A.a.O., 169; Krisch, Laurenz (2000). Die Wahlerfolge der Nationalsozialisten in der Spätphase der Ersten Republik im Pongau und im Pinzgau. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 140. Vereinsjahr. 247. 7 Krisch (2008), 178. 8 Lichtblau, Albert (2004). „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg. Wien — München. Kerschbaumer, Gert (1993 ). Von der Vertreibung zum Neubeginn. In: Feingold, Marko M. Ein ewiges Dennoch. Wien — Köln — Weimar. 9 s. dazu: Thaler, Walter (2015). Kunst und Literatur im Pinzgau. Die Kraft der Provinz — 43 Portraits. Wien,88 — 92; ders. (2021). Erinnerungswürdig. Salzburg, 134 — 137. Gwiggner, Bernhard (2016). Josef Thorak. Hitlers Lieblingsbildhauer und sein Bezug zu Salzburg. Mit Beitragen von Hildegard Fraueneder und Susanne Rolinek. Salzburg 10 Goebbels, Joseph, Tagebucheintragung vom 11.2. 1937. 11 Zit. nach Lichtblau, 221. 12 A.a.O., 221 f. 13 A.a.O., 222. 14 A.a.O., 221. 15 A.a.O., 221. 16 A.a.O. 222. 17 s. dazu: Lichtblau, Arisierungen; Kerschbaumer, Von der Vertreibung zum Neubeginn; Thaler, Walter (2021).Erinnerungswiirdig. Pragende Persönlichkeiten der Salzburger Geschichte. Salzburg. 85 — 87. 18 Kaufvertrag mit Lucia Brüll vom 27.1. 1943. 19 Brief Ardittis an U.S. War Department, Property Control Section v. 9.4. 1946 und an das U.S. Department of State DC v. 26.7 1946 20 Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938: Dr. Lothar Ellbogen. 21 https://ecomediatv.de/produktionen/adel-ohne-skrupel. 22 Unternehmung der Jewish Agency zur Férderung der illegalen Einwanderung nach Palastina 23 Dachverband jüdischer Jugendorganisationen 24 Franz Böhme beging vor seinem Prozess im Jahre 1947 Selbstmord. 25 Herbert Andorfer wurde erst 1967 verhaftet und 1968 wegen Beihilfe zum Mord zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. 26 Bolbecher, Siglinde (0.].). Das österreichische Exil. Typoskript; Anderl, Gabriele/ Manoschek, Walter (1993). Gescheiterte Flucht. Der jüdische „Kladovo-Transport“ auf dem Weg nach Palästina 1939 — 42. 27 www.tenhumbergreinhard.de/taeter-und-mitlaeufer/staedte-1933-1945/saalfelden. 28 A.a.O. 29 Kerschbaumer, Gert (0.J.) Verzeichnis nationalsozialistischer Terroropfer im Bundesland Salzburg. http://www.stolpersteine-salzburg.at/pdf/ NS-Opferverzeichnis%20BL%20Salzburg.pdf 30 A.a.O. 31 Leo, Rudolf (2013). Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. Diktatur in der Provinz. Salzburg. 144. 32 Kerschbaumer, Verzeichnis (s.o.) 33 Kriegsverbrechergesetz $ 6. S. dazu: Loitfellner, Sabine (2001). „Arisierungen“ während der NS-Zeit und ihre justizielle Ahndung vor dem Volksgericht Wien 1945 — 1955. Voraussetzungen — Analyse — Auswirkungen. In: Justiz und Erinnerung Nr. 4 (Mai 2001).34 Wallner, Christian (1998). MotzArt. Kolumnen, Satiren, Parodien. Aus den Salzburger Nachrichten 1991 — 1997. Salzburg. 25