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Monika Sommer Laudatio auf Robert Streibel Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Resch, sehr geehrte Mitglieder des Stadtsenates, sehr geehrte Mitglieder des Kremser Historiker*innen-Beirates, sehr geehrter Herr Magistratsdirektor Mag. Hallbauer und weitere Mitglieder der Stadtverwaltung, vor allem aber sehr geehrter Prof. Dr. Streibel, lieber Robert! und sehr geehrte Angehörige und Freunde von Robert Streibel! Robert Streibel ist ganz offensichtlich ein ziemlich neugieriger Mensch und darüber hinaus wohl auch wagemutig. Ich muss gestehen, ich war einigermaßen überrascht, als mich Anfang Dezember seine Anfrage erreichte, ob ich mir vorstellen könnte, hier heute eine Laudatio zu halten. Denn obgleich ich seine vielfältigen Arbeiten seit vielen Jahren mit großem Interesse verfolge und es in der Vergangenheit den einen oder anderen professionellen Berührungspunkt gab, kennen wir einander kaum persönlich. „Anscheinend ist Robert Streibel so“, dachte ich mir, er lässt keine sich ihm bietende Gelegenheit aus, neues Terrain zu beschreiten oder Verknüpfungen herzustellen, die es davor noch nicht gab. Was für eine Lebenseinstellung! Niemals das Gleiche wiederholen, immer weiter und immer fort zum nächsten Projekt — ob als jahrelanger Direktor der Hietzinger Volkshochschule - in der er selbst die Toiletten in Orte historischer Bildung verwandelt hat — oder als nimmermüder Zeithistoriker. Er selbst schreibt, es seien „quälende“ Fragen, die ihn antrieben. Als Volksbildner im besten und aufgeklärten Sinn des Wortes scheut er nicht davor zurück, sich präzise zu überlegen, welches Format ein Projekt braucht oder welche sprachliche Form: Seine Tätigkeit lässt sich nicht mit einem einzelnen erklärenden Vokabel auf den Punkt bringen, es braucht mindestens die Trias von „Historiker, Autor und Lyriker“, um Streibels Schaffen zu beschreiben, doch auch diese wird ihm nicht gerecht, ist er doch beispielsweise auch Literaturkritiker, Produzent von spannenden und abwechslungsreichen Podcasts, war an Filmproduktionen beteiligt, engagierte sich gemeinsam mit Martin Krist im Netzwerk erinnern.at. Und trotz dieser Neugierde, die ein wenig auch mit Rastlosigkeit gepaart zu sein scheint, ist Robert Streibel einem Thema immer treu geblieben, hat ihn ein Thema niemals losgelassen, das ihm mit seinem Geburtstag am 27. Jänner, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag offenbar in die Wiege gelegt worden war: Sie wissen es: Die stetige Auseinandersetzung mit und historische Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Herrschaft in Österreich und insbesondere hier in Krems. Dieses Thema stand bereits am Anfang seiner wissenschaftlichen Arbeit, seiner 936 Seiten zählenden Dissertation „Krems 19381945“, die er bei der Grande Dame der österreichischen Zeitgeschichte, bei Prof. Erika Weinzierl am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, verfasst hat. In dieser und in anderen frühen Publikationen zur Geschichte der Kremser Juden 1938 bis 45 hat er pionierhaft und umfassend die weißen Flecken der Stadthistorie während des Nationalsozialismus wissenschaftlich akribisch gefüllt. Streibel ist damit Teil jener Pionier*innen-Generation im jungen akademischen Fach Zeitgeschichte, die etwa durch das Führen von Interviews mit Überlebenden und Zeitzeug*innen 28 — ZWISCHENWELT noch das Wissen der Zeitzeug*innen sicherten. Damit hat Robert Streibel nicht nur Kremser Wissenschaftsgeschichte geschrieben, er war auch österreichweit einer der Ersten, der die Aufarbeitung der NS-Zeit mit lokaler Geschichte verknüpft und somit auch die Lokalgeschichtsschreibung gegen den Strich gebürstet hat. Erika Weinzierl schrieb im Vorwort des 1989 erschienen Buches „Und plötzlich waren sie alle weg. Die Juden der Gauhauptstadt Krems und ‚ihre‘ Mitglieder“ — über Streibels Werk: Dieses Buch hat nichts mehr mit der eher beschaulichen Heimatforschung früherer Zeiten zu tun. Es ist ein Beitrag zur Geschichte der Unmenschlichkeit in einer kleinen, schönen österreichischen Stadt in einer Zeit, in der Menschlichkeit nicht gefragt und nur von wenigen praktiziert wurde. Damit ist es ein Teil jener Trauerarbeit, die bisher nur für wenige Orte in Österreich geleistet wurde. Wir brauchen sie für uns und die nachkommende Generation nicht nur in Krems. „Du an deinem Ort“ — dieses Diktum aus Peter Weiss’ Roman „Ästhetik des Widerstandes“, der ein umfassendes Bild des modernen Europa aus der Sicht des antifaschistischen Widerstandes zeichnet, hat Robert Streibel geprägt, fast scheint es, als wäre es ihm zum Lebensmotto geworden. Denn zahllose seiner Projekte nehmen die Menschen seiner Geburtsstadt in den Fokus und auch in die Verantwortung. Nach jahrelangen Forschungen, der Organisation zahlreicher Gedenkveranstaltungen und vor dem Hintergrund der Ermutigung durch den Schriftsteller Erich Hackl wagte sich Robert Streibel schließlich selbst erfolgreich an das Genre des Romans. 2015 legte er im Residenz Verlag „April in Stein“ vor, indem er vor allem die Ereignisse im Zuchthaus Krems-Stein rund um den 6. April 1945 thematisierte, ein Ereignis, das sein eigener Vater als 13jähriger Bub selbst erlebte. 2018 folgte der dokumentarische Roman „Der Wein des Vergessens“ über die Winzergemeinschaft Sandgrube 13, den er gemeinsam mit Bernhard Herrman auf Basis der fundierten historischen Recherchen über die Arisierung der Winzergemeinschaft Krems verfasste. Streibel schrieb nicht nur selbst aufwühlende Romane, er entriss auch den Kremser Schriftsteller Louis Mahrer und seine Erzählung „Bora“ dem Strom des Vergessens und gab ihn versehen mit einem ausführlichen historischen Kommentar neu heraus. Dies führte zur Übersetzung der Erzählung ins Serbische. Lokalgeschichte ist eben oft auch Weltgeschichte. „Du an deinem Ort‘, lieber Robert, hast in Krems und andernorts vieles bewirkt und bewegt. Dein Einsatz für die Erforschung und Vermittlung der österreichischen Zeitgeschichte wurde wohl verdient schon mehrfach gewürdigt: 1997 wurde Streibel mit dem Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis des DÖW ausgezeichnet 2008 erhielt er den Preis der Stadt Wien für Volksbildung 2015 den Leon-Zelman-Peis Die heutige Ehrung und Auszeichnung verstehe ich als einen Dank der Stadt Krems an Robert Streibel, der seit dem Erscheinen seiner ersten Publikationen zur Kremser Zeitgeschichte und der anschließend erfolgten Restaurierung des jüdischen Friedhofs mit seinem unermüdlichen Einsatz die Stadt in den letzten drei