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sorgen und keiner in der Runde weiß dann, wo ER das Wort aufgeschnappt hat. Ich habe mit Sprache denken gelernt. Nachdenken. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen, das im Wort nach-denken, das damals steckt. Heißt das, erst danach denken, also zuerst sprechen und dann denken? Ein Wort hat mich zum Nachdenken gebracht, wobei der Hinweis notwendig ist, dass Worte nicht nur gesprochen, sondern zuweilen auch inszeniert werden. Mein Wort war ein inszeniertes Wort. Der war ein Jud. Die Inszenierung sieht das Senken der Stimme und einen kurzen Blick über die Schulter vor, so stand es in der Regieanleitung des Alltags, Krems 70er Jahre, des vorigen Jahrhunderts. So habe ich das in Erinnerung und dann habe ich irgendwann dann nach-gedacht. Warum ist das so und was hat das zu bedeuten. Ein fehlendes e und die restliche Inszenierung eingeschlossen, genügen, um das ganze Programm der Ausgrenzung zu skizzieren. Die Wichtigkeit, die richtigen Wörter zu verwenden ist heute Gemeingut, sprechen hat zuweilen aber so auch etwas mit einem Gefahrentransporter zu tun. Sprache bestimmt unser Denken. Und es ist auch im Alltag ganz wichtig im Lebensmittelschrank zum Beispiel die Marmeladegläser mit den richtigen Etiketten zu versehen. Aber die richtigen Etiketten garantieren noch nicht die Qualität des Inhalts. Das ist bei der Marmelade nicht viel anders als bei unserer Sprache. Unsere Sprache aber verändert das Denken. Sprache zu ändern ist also der Schlüssel zur Veränderung. Wäre da nicht dieser Marmeladenglasbeweis. Es ist wichtig daran zu erinnern, dass es Menschen gibt, die haben bereits ihren Job verloren, weil sie das falsche Wort verwendet haben — das N-Wort, das I-Wort und das E-Wort. Doch das nur so nebenbei. Wer die Frauen beim Sprechen nicht vergisst, der garantiert damit jedoch noch nicht, dass endlich Chancengleichheit hergestellt ist und die Einkommensunterschiede Geschichte sind. Es ist trotz allem, gleichgültig ob sie Marmelade wollen oder nicht, wichtig die richtigen Worte zu verwenden, trotz aller Einschränkungen auf denen ich beharren möchte. Wer das e nicht weglässt, der garantiert damit noch nicht, dass der Antisemitismus endgültig verschwunden ist. Mit einem Wort hat es bei mir angefangen. Und so wie sich die Familie wundert wo der Kleine das Wort deppart gehört hat, so habe ich mich vielleicht auch gewundert. Als Historiker hat man da mehr Chancen, der Sache auf den Grund zu gehen und so kenne ich in meinem Fall den Ursprung meines Wortes, mit dem alles begann. In unserem Haus in der Schillerstraße hatten wir ein altes Ehepaar, ein reizendes Paar, das hatte fast etwas von Philomen und Baucis. Meine Schwester und ich, wir sind gefühlt jeden Nachmittag bei diesem Ehepaar gewesen, dort gab es Butterbrot und manchmal einen Apfel und Geschichten, die Bücher hatten eine goldene Schrift am Einband und waren so schwer als wären sie in Leder gebunden gewesen und manche Bücher hatten auch Bilder, da gab es kleine Negerkinder an einem Fluss und ein böses Krokodil das eines dieser geschnappt hat. Doch an den Nachmittagen waren wir nicht nur in Afrika in der Schillerstraße im 1. Stock, sondern auch in den Bergen, in den Alpen und da fiel immer wieder der Satz, dass es damals eine gute Zeit war, weil die Berge judenfrei waren. Meine Schwester und ich wussten was Krokodile waren, sie natürlich früher als ich. Aber Juden? Also, so hat alles begonnen. 30 ZWISCHENWELT Wir müssen festhalten, dass wir mit der richtigen Benennung die Welt nicht gänzlich verändern können, dass es aber wichtig ist vor dem Sprechen zu denken als dann nach-zudenken. Ich möchte ihnen jetzt ein Beispiel geben, wie fatal sich die falsche Bezeichnung auswirken kann. Fast in jeder Ansprache einer Politikerin, eines Politikers heißt es, wenn über die Zeit des Nationalsozialismus gesprochen wird, dass es sich um eine dunkle Zeit gehandelt hat. Es passiert sehr oft, dass nur von der dunklen Zeit gesprochen wird, so als hätte es zwischen 1938 und 1945 einen großen langen Stromausfall gegeben. Und was sagt uns diese Formulierung? Das ist kein Versprecher, sondern ein großes Versprechen, so wollen wir das, wollen es die, die so sprechen - eine dunkle Zeit. In der Dunkelheit sehen wir bekanntlich nicht viel, oder besser gar nix. Also wir schen keine Täter und keine Opfer, niemanden, der weggeschaut hat und wir sehen keine Opportunisten. Denn im Dunklen sind alle Katzen grau. Und wenn es eine dunkle Zeit gibt, so kann es passieren, dass im Unterricht über diese Zeit gesprochen wird, aber wir als Schülerinnen und Schüler den Eindruck gewinnen mussten: das hat sich irgendwo abgespielt, irgendwo im Osten, aber nicht bei uns. Da kann es passieren, dass ein Schüler dann einfach einmal den Weg in das Stadtarchiv antritt und dann alte Zeitungen verlangt und dann war es so als hätte der Blitz eingeschlagen im Haus Körnermarkt. Alles hat hier begonnen, mit der Land-Zeitung. Da wurden Namen genannte und manche kamen mir sehr bekannt vor. Wir können keine Geschichte über dunkle Zeiten schreiben und wir können nur Geschichte schreiben, wenn wir Namen nennen. Diese Namen schmerzen, denn plötzlich bekommt das Leiden, die Gleichgültigkeit, der Fanatismus, der Mord und die Denunziation ein Gesicht und eine Adresse. Die Sprache bestimmt unser Denken und die Grammatik bringt Ordnung in die Sprache. Auch da gibt es Tücken, bei der Grammatik nämlich. Denn Personalpronomen zu verwenden ist nicht immer angebracht. Wer kann schon meine Frau sagen, meine Tochter, ohne dass hier nicht gleich Besitzansprüche mitschwingen. Und wer kann schon meine Stadt sagen oder mein Krems? Mein lokales Personalpronomen hat sich erst langsam entwickeln müssen und es hat viele Umwege gebraucht, über das Links-liegen-lassen und Ignorieren bin ich aus den Schubladen, die mir zugedacht waren, gekrochen und habe mich meiner Stadt über Interviews, Geschichten und Erzählungen angenähert, damit sie so letztlich meine wurde, irgendwie. Als ich begonnen habe mich der Geschichte von Krems zu nähern, da war es mit dem Besitzanspruch kein Problem, denn diese Geschichte die wollte wirklich keiner, das war locker alles meines, also meine Geschichte, die Geschichte der Juden, der Inhaftierten, der Kriegsgefangenen, der Ermordeten, der Vertriebenen und... — die alle wollte niemand. Es gab natürlich ganz, ganz selten Phasen, wo dann plötzlich Besitzansprüche an die sonst unbeachtete und verdrängte Geschichte gestellt wurde. Da gab es einen legendären Kulturamtsleiter in Krems, der mich, nachdem ich schon mehr als 200 Interviews geführt und viele Akten, von denen viele gar nicht wussten, dass es sie gibt, studiert und hunderte Fotos gesammelt hatte, kontaktierte. Er hat mir vorgeschlagen, ob ich ihm für seine Ausstellung mein Material nicht verkaufen wolle. Ich habe ihm damals erklärt, wir können die Ausstellung gerne beide gemeinsam machen, wenn unsere Namen gleich groß im Katalog und auf dem Plakat stehen würden. Über diese Anmaßung von mir hat er sich