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Im Sommer bloßfüßig über Wiesen zu laufen erinnere ich als kindliches Vergnügen. Schotterwege hingegen schmerzten. Spitze kleine Steine stachen auf meine Sohlen ein. Keiner meiner Schulfreunde wäre auf die Idee gekommen, barfuß in die Schule zu gehen. Das Wandgemälde ist so alt wie die Schule selbst. Ein vorbildlicher Bau',titelte die Salzkammergut Zeitung am 3. Jänner 1941 und widmete dem geschaffenen Schulgroßbau eine ganze Seite. Zwei Wochen zuvor hatte das Salzkammergut Heimatblatt geschwelgt: Nun steht als unvergängliches Denkmal nationalsozialistischer Aufbauarbeit ein mächtiges Gebäude ... an der Nordseite des Ortes.” Worin besteht nach diesen Berichten das Besondere? Als erstes wird die Größe des Platzes betont. Eine 20.000 Quadratmeter große Wiese, welche ermöglicht, dass vor dem Gebäude ein Aufmarschplatz und ein Sportplatz errichtet werden kann. Nicht nur zu Schulzwecken, sondern auch als HJ-Heim und Raum für große Feiern des Ortes wird das Gebäude dienen. Vor dem HJ-Heim stehen Fahnensäulen und führen breite Stufen durch eine mit Eisenbändern versehene Eichentür in das Innere des Fahnenvorraumes, von welchem wieder zwei Türen in die Scharräume der HJ und des BDM gehen. Die Helligkeit der Klassenzimmer und - im ersten Stockwerk — der herrliche Ausblick auf den Traunstein und die Gebirgskette vom Feuerkogel bis zum Sensengebirge wird gelobt. Hervorgehoben wird die “sehr große Terrasse”, die von “vier mächtigen Konglomeratsäulen” getragen wird, und die darauf befindliche Terassenbrüstung. Diese trägt 24 Holz-Plastiken, die zur Schule gehende, lernende und Leibesübungen treibende Schuljugend, ferner eine dem Hakenkreuz huldigende Gruppe von Buben und Mädchen, sowie HJ-Trommler und Fanfarenbläser, ... Diese Plastiken geben dem Bau seine besondere Note und kennzeichnen ihn als jene Stätte, in welchem Wissen, politische Ausrichtung und Haltung gepaart mit Kraft und Gesundheit fördernden Leibesübungen gelehrt werden, führt der Zeitungsbeitrag aus. Achtzehn Jahre später werden im Vorchdorfer Heimatbuch der Schuleröffnung und der Terassenbrüstung zwei Seiten gewidmet. Der 15. Dezember 1940 war ein herrlicher Wintersonntag und für die Vorchdorfer ein strahlender Festtag.* Allerdings hat sich die Ausdrucksweise verandert. Von einem “Kinderfries” ist jetzt die Rede. Kein Wort mehr von HJ-Trommlern und Hakenkreuz Huldigenden. Von dem gottbegnadeten Künstler Franz S. Forster, der dem Schaubild des Hauses eine gesunde Lebendigkeit verlieh’, wird 1958 berichtet. Der Fries befand sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr zeigen. im Originalzustand. Nach 1945 waren einzelne Figuren und die “ärgsten Symbole” abmontiert worden. In den späten 1960er Jahren wurden alle Figuren abgenommen und im Keller bzw. Dachboden der Schule eingelagert. In den 1970er Jahren wurde die Terrasse abgetragen, das Schulgebäude renoviert und aufgestockt. 1977 erhält Franz Forster den Auftrag den Fries zu restaurieren und zu “entschärfen” (= Entfernung der Siegesrunen und Hakenkreuze).’ 2022 können zehn Figuren — ua. der Trommler, ein mit deutschem Gruß grüßendes Mädchen bzw. Knabe — im Museum der Region Vorchdorf besichtigt werden. Ich erinnere mich an die Terrasse und Figuren auf der Holzbrüstung. Die Terrasse war tatsächlich beeindruckend, mindestens drei Schulklassen fanden darauf Platz. Unter der Terrasse befand sich neben der Eingangstür ein kleiner Fahrradständer, an dem meine Mutter ihr Fahrrad, mit dem sie zur Arbeit fuhr, abstellte. Meine Mutter kochte in den 1960er Jahren in der UNICEFSchulausspeisung, später putzte sie als Schulwartgehilfin die Klassen und Gänge der Volksschule. Die trommelnden und Trompeten blasenden Buben fielen mir manchmal auf, ich ordnete ihnen aber keine besondere Bedeutung zu. Besser erinnere ich mich an die - für mich riesige — Holztüre, welche zum Kindergarten und Hort® führte. Manchmal saß ich auf den Stufen davor, wenn ich auf meine Mutter wartete. Hinter dem Kindergarten befanden sich Küche und Speiseraum. Zurück zum Jahre 1941. Im April kam ein weiteres Kunstwerk hinzu. Anlässlich des Führergeburtstages schuf ein kunstbegabter Lehrer ein überlebensgrofßes, prachtvoll gezeichnetes Führerbild. ...Hier hat Pg. Hans Bergthaler sein überragendes Zeichentalent, das sich zum Segen unserer Volksschüler ... so schön auswirkt, wieder unter Beweis gestellt”, schwärmte die Salzkammergut Zeitung. Bergthaler war zu diesem Zeitpunkt nicht nur Leiter der Volksschule, sondern auch Schulungsleiter der NSDAP-Ortsgruppe. Als solcher hielt er “ausgezeichnete” Vorträge über die Rassenfrage!'. 1942 stieg er zum Ortsgruppenleiter auf. 1949 kommt es zur Errichtung einer Hauptschule in Vorchdorf. Bei der Bestellung des Direktors wird Bergthaler übergangen. Zu nahe sind seine NS-Tätigkeiten. 1956 ist es dann so weit: er wird die Hauptschule bis zur Pensionierung im Jahre 1966 leiten. Schüler und Schülerinnen erinnern sich an seine schlagkräftigen Qualitäten. Bei Vergehen von Buben kam er mit einem Haselnussstock in die Klassen und züchtigte die Täter vor aller Augen. 1957 wird er neuerlich in der Erwachsenbildung aktiv, er wird Leiter des Katholischen Bildungswerkes. In der Festschrift zur Markterhebung 1982 wird er als einziger Ehrenringträger des Ortes aufgelistet!'. Was verschaffte ihm die Ehre? Sein Zeichentalent, seine Kenntnisse über die Rassenfrage oder seine schwarze Pädagogik? Was blieb von dem “unvergänglichen Denkmal nationalsozialistischer Aufbauarbeit”? Das Fresko fällt mir ein. Ich durchsuche mehrmals die Zeitungsbeiträge und Heimatbücher. Ohne Ergebnis. 2022 betrachte ich es von Neuem. Auf den ersten Blick wirkt es romantisierend. Das Leben der bäuerlichen Bevölkerung als Idyll. Im Hintergrund der Traunstein. Wolken verdecken seine Spitze — ein Versprechen für gutes Wetter in der nahen Zukunft. Die Bearbeitung der Scholle, des Ackers nimmt den Großteil des Bildes ein. Zwei kräftige Rösser ziehen die Pflüge. Bei genauem Hinsehen bricht das romantisierende Bild an mehreren Stellen. Die Gesichter der Arbeitenden zeigen nichts von der seitens der Blut-und-Boden-Ideologie erwünschten Darstellung von Schönheit und Anmut. Die Gesichter wirken trostlos und müde. Nichts Heroisches oder Völkisches haftet ihnen an. Der junge Landarbeiter, mit nacktem Oberkörper dargestellt, zieht meinen Blick auf sich. 1940 - als das Bild entstand — waren viele der jungen Bauernsöhne und Knechte bereits zur Wehrmacht eingezogen. Handelt es sich vielleicht sogar um einen slawisch-stämmigen Zwangsarbeiter? Neuerlich betrachte ich die Füße der Kinder und der Mutter. Der blätterlose Baum auf der rechten Seite des Freskos und der säende Bauer verweisen auf den Monat März. Anfang des Frühjahrs barfuß zu gehen — mich fröstelt. Ein einziger Bub mit Socken und Schuhe: Wollte der Künstler damit auf bestehende Klassenunterschiede verweisen, die trotz einer formellen Gleichmacherei in der offiziellen Ideologie bestanden? Welchen Grund gibt es, dass dieses Gemälde nirgends erwähnt ist? In der Aula findet sich kein Hinweis auf den Künstler und die August 2022 45