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„Abschied vom Proletariat“ Anfang der 80er Jahre den Begriff Arbeiterklasse infrage stellte. Ich fand, dass es sie immer noch gab und dass die aufkommenden Ökoalternativen, Autonomen, Hausbesetzer und die Antiatombewegung kein Ersatz bzw. keine Alternative zu der Solidarität mit den Arbeitskämpfen, keine Alternative zu der Solidarität mit den Menschen war, die von den sozialen Deregulierungen und steigenden Mieten etc. betroffen waren. Ich habe das auch journalistisch in Radiosendungen über Mieterkämpfe versucht, weiterhin deutlich zu machen. — Aber das Interesse in der Szene und medialen Öffentlichkeit ließ immer mehr nach, bis schließlich der Mauerfall und die neue deutsche Einheit die soziale Frage erst mal völlig vom Tisch wischten. Die „Heuschrecken“-Wirtschaft, Werksschließungen, ungeheure Korruptionsskandale, Sozialabbau gingen ohne nennenswerte Proteste über die Bühne. Hartz IV und Digitalisierung, alles auf dem Rücken immer gehetzterer Arbeitender, Gewerkschaftsbashing — und erst langsam das Entstehen der jetzigen „Linke“n, ohne Basis bei einer doch noch immer existierenden Arbeiterschaft. In diesen Zeiten habe ich meine musikalischen Soloprogramme, angefangen bei „Kurz ist der Sommer ...“ über „Schöner Garten schöner Träume“ bis zu „Politeia Gamma“ und „Iheodorakis grüßt den Schatten Che Guevaras“ auf die Bühne gebracht — immer mit mehr oder weniger literarischen Hinweisen auf den Verlust der Solidarität mit Arbeiterschaft und Armen. Mit einem literarisch-musikalischen Kurzsolo „Columbina streikt“ habe ich esim Rahmen der Kölner Literaturtage 2019 noch mal versucht. Ich fürchte, mit meinen dürftigen Mitteln werde ich es nicht mehr schaffen, das Ihema weiter zu verfolgen. Deshalb habe ich bei den Literaturtagen 2021 „Literatur geht arbeiten“ einen eigenen mit zwei Texten anderer Autor/innen vorgetragen, in denen es um aktuelle Arbeitssituationen geht. Ein größeres Projekt, mit dem ich Autor/innen, Medien und Verlage für das Bild der Arbeit in der Literatur heute interessieren wollte, musste ich aus zeitlichen Gründen erst mal hintan stellen. Ob ich wirklich dazu kommen werde, bezweifle ich. Die laufenden Veranstaltungen brauchen schon sehr viel Kraft — und meinem Heimweh nach Leonie Lindinger Russischer Soldat. Erster Weltkrieg. Zwei Kinder gezeugt. Ich stelle mich vor mein Name ist Leonie Lindinger ich bin 21 Jahre alt und studiere am Mozarteum in Salzburg. Ich studiere auch Russisch auf Lehramt folgt manchmal, später Sonne, Ruhe, Entspannung, Strömungen, Südsee Wien genug zu tun, erfordert auch Zeit. Meinen Gedanken, die heute herrschenden Arbeitsverhältnisse ins literarische Visier zu rücken, möchte ich Dir und Sonja Pleßl gegenüber auch noch insoweit bekräftigen, als mir ihr Aufruf zum Prostitutionsverbot immer wieder durch den Kopf gegangen ist. Ich bin nicht der Auffassung, dass Prostitution eine normale Arbeit wie jede andere ist. Aber ich denke, dass die Arbeitsverhältnisse weltweit aus einer ähnlichen körperlichen wie seelischen Zurichtung wie in der Prostitution bestehen. Tagelöhner selbst haben (in den 70er Jahren) die Orte, wo sie von den Subunternehmern aus- und aufgelesen wurden, Arbeiterstrich genannt. (Auch die Theater waren und sind für Schauspieler/innen von solchen Zurichtungen gekennzeichnet. Ich bin diesbezüglich sensibilisiert.) Und heute, seit Corona vor allem, sehen wir Dokumentationen vom Inneren der Fleischfabriken. Es gibt so viele, unvorstellbar grausame Arbeiten, Arbeitsverhältnisse, Lebensverhältnisse. Manchmal gibt es den einen oder anderen Film darüber. Keine Literatur. Insofern keine Vertiefung in das Thema, das Thema, das die Mehrheit der Menschen angeht, das Thema, das das Leben der Mehrheit der Menschen bestimmt. Mich würde das sehr interessieren. Ob die ZWISCHENWELT diesbezüglich eine Anregung geben könnte? Ob das Ihema Widerstand nicht auch den Bereich von Widerstand gegen Arbeitsverhältnisse einschließen könnte? Wer könnte darüber schreiben? Gibt es österreichische Autor/innen, die das tun? [...] Herzlichst, Eure Mischi Steinbrück, Köln, 5. Jänner 2022 In ZW Nr.#/2021 erschien Mischi Steinbrücks „Kapitäninnen der Freiheit“. S 39-46. Die Antwort muss einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben. Hinzuweisen ist auf die österreichische Autorin Verena Mermer, die sich der Schwierigkeit, literarisch in die "Arbeitswelt" vorzudringen, wiederholt gestellt hat und auch Herausgeberin eines Bandes der Buchreihe "anders erinnern" ist. Das Bild mit dem Eisberg lehne ich ab; diese Methode, etwas zu relativieren, ist beliebig anwendbar. Ich selber bastle an einem Text über Entfremdung. On verra. — K.K. Nein, ich habe keine russischen Verwandten. Hatte die Sprache lange in der Schule. Ich mag Sprachen, fremde Sprachen. Sich treiben lassen, fließen, fliegen, schwimmen, rückenliegen Bin 19 und wie beiläufig erfahre ich, dass der Vater meiner Urgroßmutter Russe war. Russischer Soldat. Erster Weltkrieg. Zwei Kinder gezeugt. Leichtigkeit, Horizont tiefblau Steine, Sand, Einsamkeit. August 2022 55