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ist Miteigentümer der Nord-Stream-Pipeline von Gazprom. Einer der größten Befürworter des Deutschen Seele war der österreichische Unternehmer Siegfried Wolf, der bereits 2015 enge Kontakte in den Kreml hatte. Der damalige zuständige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wurde nach seiner Zeit als Politiker Berater für Nord Stream 2 bei Gazprom. 2018 reiste Bundeskanzler Kurz vier Mal innerhalb eines Jahres nach Moskau. Österreich ist 2022 so stark von Erdgas aus der Russischen Föderation abhängig wie noch nie zuvor. Das Statement vom 8. Juli 2022 aus dem Kanzleramt informiert: “Österreich hat die Sanktionen der EU immer vollinhaltlich mitgetragen, bei manchen Vorschlägen — wie etwa einem Gas-Embargo — immer seine Bedenken geäußert und auch durchgesetzt.” (Die Presse). Vor der österreichischen Botschaft in Kyjiw demonstrieren UkrainerInnen: Die österreichische Regierung bremste bis dato jede einzelne Strafmaßnahme der EU gegen die Russländische Föderation. Auch Verbindungen von Alfred Gusenbauer und Christian Kern (und des Burgenlandes?) zum Kreml-Machtkreis harren der Aufarbeitung: Beide setzten sich — wie Gerhard Schröder — für die Aufhebung der (ohnehin zahmen) Strafmaßnahmen gegen die Russländische Föderation nach deren Annexion der Krim ein, Gusenbauer kurz nachdem diese verhängt worden waren. Gusenbauer hatte sich 2014 in Griechenland auf dem World Public Forum von Jakunin, dem Putin-Vertrauten aus KGB-Tagen, so ausgesprochen: “Sanktionen sind kein Weg aus der Krise, sondern sie führen tiefer in die Krise.” Kern schloss sich 2017 mit folgender Begründung an: Strafmaßnahmen seien “für unsere Wirtschaft sehr nachteilig, das kostet uns fast 0,3 Prozent des BIP, das ist schon erheblich.” (Interview mit dem russländischen Propagandasender sputniknews.) 2008 hatte Gusenbauer von Jakunin, damaliger Chef der staatlichen russischen Eisenbahnen, den Dialogue of Civilizations Award bekommen, ein Mascherl der Russländischen Föderation. 2017 schließlich reisten Christian Kern, Christoph Leitl, Siegfried Wolf und Rainer Seele in die Russische Föderation und während dieses Besuches unterzeichneten OMV und Gazprom ein Abkommen, das mehrere Absichtserklärungen enthielt: Zusammenarbeit an der Schwarzmeerküste bei verflüssigtem Gas (!), Kooperation beider Konzerne im Iran(!). Jakunins Istoki-Foundation ist eng mit dem DOFC Endowment Fund verbunden ist, der auch NGO-Aktivitäten finanziert. Der deutsche Gazprom-Lobbyist Alexander Rahr konnte als “Russlandexperte” 2019 in Österreich seinen Roman “2054. Putin decodiert” unbehelligt so vorstellen: “Ich wollte mit dem Buch eine objektive Darstellung durch meine eigene Subjektivität.” Dreh- und Angelpunkt russländischer Einflussnahme in Österreich ist die Österreichische-Russische Freundschaftsgesellschaft, über die Sebastian Reinfeldt am 30.4.2019 auf Semiosis schreibt: “Getragen wird die Politik der Legalisierung einer völkerrechtswidrigen Annektion von einem Bündnis, das sehr weit rechts anfängt und über die WKO bis zu den ‘Putin-Verstehern’ in der SPO reicht.” Das zivilgesellschaftliche Projekt Semiosis deckt russländische Einflussnahme auf folgende drei Parteien auf: FPÖ, SPÖ, ÖVP. Semiosis ist auf Spenden angewiesen. Über die FPÖ konnte im Jänner 2018 — trotz EU-Sanktionen — der russländische Faschist Alexander Dugin, dessen Mission die Zerstörung der Ukraine und der EU ist, nach Österreich einreisen und in Wien auftreten. Dessen “Hyperboräische Theorie”: “Da, wo es wenigstens einen Tropfen arischen Blutes [...] gibt, existiere “die Chance für ein rassisches Erwachen, für eine “Widerauferstehung des arischen primordialen Bewusstseins.’” Dugin verfolgt eine metaphysische rassische Mission: Russland sei überall dort, wo Russisch gesprochen wird. (ähnlich sahen es Hitlers NationalsozialistInnen mit ihrem “Schutz” deutscher Minderheiten: “Heim ins Reich”!) Russland böte Schutz, aus den USA käme die Bedrohung. Mit der antiamerikanischen Karte lässt sich erstaunlich leicht auch bei Linken punkten. Timothy Snyder schreibt, dass bei den amerikanischen Rechten Russen als Opfer von Juden dargestellt werden, währenddessen gegenüber den Linken die Bedrohung Russlands durch “ukrainische Nazis” propagiert werde. Mit der Freundschaftsgesellschaft verbunden: die Österreichisch-Russischen “multikulturellen” Kindergärten Multika in Wien. Mütter erzählen: “Ich war fassungslos, wie derb und schrecklich die zu den Kindern waren. Es wird auch nicht auf die Sicherheit der Kinder geachtet. Die Kinder verbringen in einer wirklich prägenden Zeit — ihre Zeit in einem zum Teil sehr erniedrigenden Umfeld.” Schwarze Pädagogik war bei Multika nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Eine Bekannte erzählte mir, ihre Freundin habe in einer hitzigen Diskussion zum Angriffskrieg und zum Offenen Brief der 28 um Alice Schwarzer und Peter Weibel an den Kopf geworfen bekommen: “Du mit Deinen Menschenrechten!” Ein Norweger jüdischer Herkunft schrieb zu Beginn des Angriffskrieges einen Appell an seine FreundInnen, Bekannte und KollegInnen in Moskau: Organisiert Euch, organisiert den Widerstand, geht auf die Straßen, “Ihr seid Millionen!” Und erinnerte sich gleichzeitig an deren Replik, als er vor Jahren in Moskau wegen der von der russländischen Armee in Tschetschenien verübten Kriegsverbrechen aufzurütteln versuchte: “Du mit Deinem Tschetschenien!” In den Sommertagen 2022 heißt es aus dem russländischen Außenministerium: Ukrainische Gegenoffensiven wären zutiefst tragisch. Denn sie würden zu einer Wiederholung von Butscha führen! Vor zwei Monaten bezeichnete Putin die Kriegsverbrechen in Buscha als “Provokation” und “Fake”: Nichts von den Bildern sei wahr, die Leichen auf den Straßen seien von SchauspielerInnen gespielt. Nun wird mit der Wiederholung der “Fakes” gedroht. “Frauen im Krieg. Warum sie in der Ukraine bleiben” ist eine Reportage von Sophia Maier, ausgestrahlt im Stern TV am 16. Mai. Irina, eine Frau, ich schätze ihr Alter auf das meiner Mutter, steht in Butscha vor ihrem kleinen Haus: Die russischen Soldaten haben begonnen, Granaten durchs Fenster zu werfen und gefordert, dass sie herauskommen, erzählt sie. Ihr Mann sei zu ihnen hingegangen. Er sprach Russisch. So gut wie alle in der Ukraine sprechen beide Sprachen. Ihr Mann verschwand. Sie hörte einen Knall. Als die Soldaten weg waren, ging sie hinaus und fand Gewand von ihm. Sie ging weiter, auf die Straße. Ein Mann am Boden. “So viel Blut. Ich habe nur ein Auge gesehen. Ich habe mich gefragt: Ist das mein Mann? Ist das nicht mein Mann? Ich konnte es nicht glauben.” Oleg war Schweißer, er wurde 40 Jahre alt. 40 Jahre. Jünger als ich. Ich schaue die Frau mit einem neuen Blick an: Entweder die Witwe ist dreißig Jahre älter als ihr Mann oder sie ist binnen eines Monats um dreißig Jahre gealtert. Sie seien eine Einheit gewesen, sagt sie. Mit Politik hatten sie nichts zu tun. “Wir haben einfach gelebt, gearbeitet und geliebt.” Und dann sagt sie: “Das ist kein Krieg. Das ist die Zerstörung von Menschen. Die ZerstöAugust 2022 75