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auf unsere grotesk modernen Verhältnisse nicht mehr recht passen will. Daß aber die Verwandlung der Moderne in eine Groteske nur durch die Zerstörung jener Vernunft, die wir nun ins 19. Jahrhundert zurückverweisen, möglich geworden ist, versucht Lukäcs in „Die Zerstörung der Vernunft“ zu zeigen. Er schrieb sein Werk in der Zeit des Aufstiegs und der Niederwerfung des Nationalsozialismus; die von den verschiedenen philosophischen Strömungen eingenommenen Positionen schienen damals deutlich gegeneinander abgesetzt.® Lukäcs‘ 1952 abgeschlossenes Werk müßte heute bereits wieder fortgeschrieben werden, wenngleich der modische Irrationalismus der Gegenwart vielfach den Eindruck einer karikaturhaften Wiederkehr des Gleichen vermittelt. Die notwendige Grenzziehung zwischen rationalen Bestrebungen in der Wissenschaft und irrationalistischer Modephilosophie wird auf der Tagesordnung bleiben müssen. (Der Beitrag erschien erstmals als Editorial in Aufrisse Nr.2/1987 und wurde nur leicht adaptiert.) Anmerkungen 1 ari: Frauenforschung in Innsbruck: Der Widerspenstigen Zähmung. In: Arbeiter-Zeitung, 29. 5. 1987, S. 32. Der Artikel ist eine Rezension eines von Sylvia Wallinger und Monika Jonas herausgegebenen Bandes der Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. 2 Vgl. Soldan-Heppe-Bauer: Geschichte der Hexenprozesse. Berlin 1911. Reprint: Hanau/M.: Müller & Kiepenhauer o.J. Wenn schon im Schwebezustand über dem Realen, dann lieber in Form von Poesie. Also lese ich Konstantin Kaiser und bleibe an einer Zeile hängen, die unser zwiespältiges Verhältnis zur Aufrichtigkeit beschreibt: „Eine halbe Wahrheit, die ich mit anderen teilen kann, ist mir doch lieber als die ganze Wahrheit, die ich für mich behalten muss.” Wie wahr! Irene Prugger, Wiener Zeitung vom 30. Oktober 2022) Konstantin Kaiser: Die Entfremdung ist ein Untermieter der Hoffnung. Lügengedichte und kleine Geschichten. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2022. 96 S. ISBN 978-3-903522-07-7. Euro 18,00 3 Ich zitiere nach der dreibändigen Taschenbuchausgabe. Dannstadt, Neuwied: Luchterhand, 1983. 4 So z.B. Alain Finkelkraut: „Der Fortschritt proklamierte das unumgängliche Verschwinden der jüdischen Besonderheit ( ... ) Der Antisemitismus war kein Relikt der Vergangenheit, sondern eine moderne Doktrin, die die christliche und mittelalterliche Thematik von Grund auf erneuerte.“ In: Der eingebildete Jude. München, Wien: Hanser 1982 (Paris 1980). S. 82 £. 5 Selbstredend berufen sich die „rückwärtgewandten Propheten“ der Gegenwart auf große Vorbilder wie Walter Benjamin mit seinen „Geschichtsphilosophischen Thesen“. Von der Wendung zum Irrationalismus, der Befreiung von den Zwängen der Vernunft verspricht man sich auch individuell das Blaue vom Himmel. Auf der Universität Wien wurde 1985 das Flugblatt verbreitet: „Intensivwochenende — Atemarbeit nach Stan Grof. Diese Technik ... bietet einen sicheren Weg zum Erfahren der Bilderwelt des Unbewußten an. Archetypen, Geburts-, Todes-, Wiedergeburts- und transzendentale Erlebnisse werden genauso erfahr- und integrierbar wie traumatische Erlebnisse der Kindheit.“ Der „Psychoboom“ steht dem Hexenwahn an Wundergläubigkeit keineswegs nach. 6 Johann Skocek, in: Die Presse, 16./17. 11. 1985. 7 Die „Herausforderung“ ist inzwischen aus den Sphären der hohen Politik auf die Lippen von Kulturfunktionären und Spitzensportlern herabgesunken. Die „neue“ Parole heißt „Anschluß“ (an die EWG, an den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt), bewahrt das Moment der Selbstaufgabe, schraubt aber die damit verbundenen Erwartungen wieder herunter. 8 Die Entstehungsgeschichte von „Zerstörung der Vernunft“ skizziert Läszlö Sziklai in: Georg Lukäcs und seine Zeit 1930-1945, Wien, Köln, Graz: Böhlau 1986. Konstantin Kaiser Die Entfremdung ist ein Untermieter der Hoffnung Lügengedichte und kleine Geschichten Die beiden antifaschistischen Zeitromane von Mark Siegelberg ergänzen einander in ihrer politischen Anklage. Während Schutzhaftjude Nr. 13877 die Frühphase der Shoah protokolliert, erkundet Ein Mann namens Brandt die Gefahren insgeheimer Wiederherstellung nationaler Herrlichkeit, denn die Geschichte „gefällt sich in Wiederholungen und pflegt auf abgedroschenen Pfaden zu wandeln.” Mark Siegelberg: Schutzhaftjude Nr. 13877 /// Ein Mann namens Brandt. Zwei antifaschistische Zeitromane aus dem Exil und Nachexil. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Tomas Sommadossi. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2022. 568 S. ISBN 978-3-901602-96-2. Euro 30,00