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Siavash Kasrai Auf den StraBen der Welt Heute gingen unsere redlichen Nachbarn fort Leute, die sich fernhielten vom Tageslärm Notgedrungen verließen sie die Stadt ihrer Kindheit, ihrer Jugend, ihrer Arbeit die Stadt ihrer Wurzeln Ließen all ihre Erinnerungen zurück Sie gingen mit einer Last von gebrochenen Herzen mit einem oder zwei Sesseln mit dem Schlafzeug, einem Teppich, dem Hausrat manche mit verhaltenem Schluchzen und unter den Tränen der Kinder Den ganzen Tag über wirbelten die Reifen der Wägen Immer noch hallt die bittere Abschiedsmelodie in meinem Inneren nach Heute Nacht sind die leeren Wohnungen unserer Nachbarn grabesdüster Dunkle Fenster wie traurige Augen ersticken in uns die Erinnerung an frühere helle Tage Zeitig verstößt die viel beschäftigte Stadt ihre großgezogenen Kinder ohne Schmerz, ohne Brandmal Ein Leben lang aufbauen dann alles zurücklassen und gehen um einiger Lappalien willen? Absurd!? Was ist los mit der Welt dass auf all ihren Straßen Vertreibung und Obdachlosigkeit herrschen? Moskau, Sommer 1993 Übersetzt von Nahid Bagheri-Goldschmied Siavash Kasrai. Geb. 1927 in Isfahan, starb 1996 im Exil in Wien. Ursprüngim Iran berühmt. 1968 Gründungsmitglied des Iranischen SchrifistellerInnenverbandes. 1983 im Exil, zuerst in Kabul, dann in Moskau, im letzten Lebensjahr in Wien. War von 1948 bis in die 1990er-Jahre Mitglied der iranischen kommunistischen Partei, 1986-88 als Mitglied des Politbüros. 1995 distanzierte er sich in „Mohreye Sorkh“ (Rote Zierde) von seinen politischen Aktivitäten. Werke: 13 Bände Lyrik seit 1957. Fereydoun Farrokhzad Trauern im Herbst Der Herbst hat sein eigenes Trauern während wir ihn verlassen Nun ändert sich seine Erscheinung unter einem Himmel, der uns Schmuck war und die Schicksalslinien seiner Hände sind am Ende zerknittert Hellrote Vögel breiten ihre Brustfedern über die Farben der Schatten Die Erinnerung an frisch verliebte Paare versteckt sich unter dem Falllaub Ein wenig später fliegen die Vögel wieder auf und zerstückeln die Flaggen Dann wird ein ungekannter Duft die Winde streicheln Dem Menschen im Exil wird kein Denkmal errichtet er ist wie ein Wurm oder ein Grab oder etwas das man im Cafe vergessen hat Übersetzt von Nahid Bagheri-Goldschmied Fereydoun Farrokhzad. Geb. 1936 in Teheran, Lyriker, Liedermacher und Sänger. Ging 1958 nach München und studierte Politologie. Anfang der 1960er Jahre begann er ernsthaft Gedichte zu schreiben und erhielt in der Folge mehrere Preise. 1967 Rückkehr nach Teheran, Gestaltung von Radio- und Fernsehsendungen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wieder nach Deutschland. Zahlreiche Beiträge für TV- und Radiosender der iranischen Opposition in Europa und den USA. 1991 Hauptrolle in dem österreichischen Film „I Love Vienna“. 1992 in seiner Wohnung in Bonn von einem iranischen Geheimagenten ermordet. Lyrisches Werk: Andere Jahreszeit (1964); Letztlich ist es der Beginn der Liebe (1989). Inhalt Nahid Bagheri-Goldschmied 1 Wunden und Nicht töten Richard Schuberth 1 Unnobles Schweigen Konstantin Kaiser 6 Kleines Pladoyer Siavash Kasrai 9 Auf den Straßen der Welt Fereydoun Farrokhzad 9 Trauern im Herbst Helmuth Schönauer 10 Die Entfremdung ist ein Untermieter der Hoffnung Drucklegung gefördert durch: Stadt Wien — Kultur, Land Niederösterreich, Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des NS. DEZEMBER 2022 9