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zum Vorlesen, Schmökern und Diskutieren. Angelica lebt mit liebevollen Eltern, die beide Künstler sind, in einem großen Haus mit märchenhaftem Garten. In dieser Idylle wächst das kleine Mädchen auf. Bis überfallsartig eine dunkle Zeit anbricht. Das Hakenkreuz unterwirft Österreich. Angelicas Familie ist schon aus Deutschland weggegangen, doch der Gefahr ist sie nicht entronnen. Die Mutter ist Jüdin. Die Kunst, die der Vater liebt, ist für die Nationalsozialisten „entartet“. Aus der großen Wohnung am Mönchsberg wird ein einziger Raum, aus der gesicherten Finanzlage bittere Not und schließlich Lebensgefahr. Ein Dorfpfarrer hat angeboten, die Kinder aufzunehmen, und in einer kalten Sommernacht flieht die Familie in das Dorf zu dem Pfarrer. Die Eltern sind als jüdisch und jüdisch versippt nun zu Zwangsarbeit verpflichtet, der Erstgeborenen bleibt die Verantwortung für die zwei kleineren Geschwister. Angelica muss sehr schnell erwachsen werden, Arbeiten und Schweigen lernen. 1938 hatten die Nationalsozialisten einen furchtbaren Krieg begonnen, 1945 waren sie besiegt. Die Familie gerettet. Dies ist der Bogen, den das Buch schlägt: von der Sorglosigkeit, der Heiterkeit eines Künstlerlebens, über die Angst, die Verfolgung und Lebensgefahr bis zum Ende des Schreckens. Geblieben aber ist eine lebenslange Angst. Es sind Jahrzehnte vergangen, aber Verfolgung und Ausgrenzung sind bis heute aktuell und immer noch leiden vor allem Kinder und junge Menschen. Diese Geschichte, die hier erzählt wird, ist zeitgebunden und doch zeitlos — Vertreibung und Vernichtung haben nicht aufgehört. Deshalb ist dieses Buch auch heute aktuell und wird es immer sein. Angelica Bäumer: Die Geschichte eines Kindes — von 1932 bis 1945. Mit Bildern von Eduard und Valerie Baumer und von der Verfasserin selbst. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2022. 124 Seiten. ISBN 978-3903522-08-4. Euro 30,00.