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große nationale Einheit des Han-Volkes existiert vielfach nur als äußere, repressive Klammer, nicht als durch aktive Beteiligung und Tätigkeit der Menschen vermittelte soziale Wirklichkeit. Die Despotie kann die Probleme Chinas auf die Dauer nur verschärfen. Der Blick auf die sich rasch verändernden Bündnis-Konstellationen verheißt im Weltmaßstab nichts Gutes und nicht abreißende Konflikte in den nächsten Jahren. Im Schatten dieser kritischen Weltlage wird die Russische Föderation ihre Anstrengungen, die ukrainische Nation zu vernichten, fortsetzen, auch wenn sie in einem Waffenstillstand zu einem vorübergehenden Rückzug gezwungen wird. Höchst eigenartig berührt, wenn vorgebliche Friedensfreunde die Forderung, zu verhandeln und den Krieg zu beenden, nicht an den Angreifer, sondern die Angegriffenen adressieren. Angegriffen ist nicht allein die Ukraine, sondern sind alle einst im sowjetischen Einflussbereich gelegenen Gebiete und Länder, die sich auf die vordem auch von russischer Seite gegebenen Garantien für ihre Unabhängigkeit nicht mehr verlassen können. Österreich, das schön dem Erdteil «inmitten» liegt, feierte den Nationalfeiertag am 26. Oktober 2022 als ‘Neutralitätsfeiertag‘. Dabei wurde das Verfassungsgesetz über die Immerwährende Neutralität in sein Gegenteil verkehrt. Während das Gesetz die Neutralität (Bündnisfreiheit und keine ausländischen Stützpunkte auf österreichischem Staatsgebiet) als Mittel zur Erhaltung der Unabhängigkeit des Landes definiert, erklärten FeiertagsrednerInnen die Unabhängigkeit Österreichs zum Mittel der Neutralität. Dass im eigenen Lande leben zu können, ein höherer Wert ist als der, sich überparteilich zu geben und die Geschäfte in und mit Russland weiter zu betreiben, ist in Vergessenheit geraten. Dafür aber ist man dabei, der Freiheitlichen Partei einen Fonds von 30 Millionen Euro zur mehr oder weniger undefinierten Verteilung unter ihr Klientel zur Verfügung zu stellen. Die dafür verantwortliche Österreichische Volkspartei arbeitet hier nach dem Motto, dass das Land vor die Hunde gehen mag, wenn nur die Volkspartei einen Zipfel der Macht festhalten kann. Vielleicht bleibt von dem ganzen Spuk nur der aufsteigende Rauch, bleiben nur die wieder zu Ehren gekommenen Schlagworte «Realpolitik» (Politik ohne «Humanitatsduselei») und «Geopolitik» (imperialistische Aufteilung der Erde), die im Ausgang des 19. Jahrhunderts wackere Gehilfen der Vorbereitung des Weltkriegs waren. Ich fürchte aber Schlimmeres aufgrund historischer Erfahrung, nämlich eine schließliche Niederlage des Westens im unerklärten Krieg mit der Russischen Föderation und deren Verbündeten. Dröle de Guerre nennt man die Episode am Anfang des Zweiten Weltkriegs, als Frankreich und England nach dem 2. September 1939 mehr oder weniger bloß zusahen, wie das Deutsche Reich und die Sowjetunion Polen niederwarfen und aufteilten in Folge des Hitler-Stalin-Paktes. Dieses Sichim-Krieg-Befinden ohne den Krieg zu führen endete in einer verheerenden Niederlage Frankreichs und Großbritanniens im Mai 1940, der der brutale deutsche Überfall auf die neutralen Länder Niederlande und Belgien voranging. Neutralität erwies sich nicht als Schutz, sondern war für Hitler-Deutschland eine Schwäche, die man ausnützen konnte. Diese Anmerkung sei dem österreichischen Nationalstolz, sich aus allem und jedem heraushalten zu können, gewidmet. Eine militärische Niederlage des Westens in der Ukraine, die auch dann schon gegeben wäre, wenn große Teile der Ukraine nach Einstellung der Kampfhandlungen besetzt blieben, würde einen Triumph des Putinismus bedeuten und ganz Europa zwar nicht mit der Flutwelle eines Atomschlages in der Nordsee, aber eines querdenkerischen Antidemokratismus und Chauvinismus überschwemmen, was schon bisher ausgehend von der Russischen Föderation propagandistisch, geheimdienstlich und finanziell gefördert worden ist. Vielleicht hat das Wort vom Vernichtungskrieg, den die Deutsche Wehrmacht im Osten führte, abgesehen von seinem unbestreitbaren Wahrheitsgehalt auch seine Tücke. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass eine Vorstellung des Krieges als eines rasend um sich greifenden Dämons, in dem „viel Fürchterliches passiert“, in dem also zwischen Kriegshandlungen und Kriegsverbrechen nicht zu unterscheiden ist, eine geistige Bequemlichkeit fördert, in der wir unsere (Ur-)Großväter und (Ur-)Grofmiitter von aller Mitschuld freisprechen können, ohne ihr Verhalten zu prüfen. Als Kollateralschaden erscheint neuerdings im öffentlichen Diskurs einer Sahra Wagenknecht die massenhafte Vergewaltigung ukrainischer Frauen und Madchen. So etwas geschehe eben im Kriege und um es abzustellen, müsse man den Krieg beenden. Ähnlich verhielt es sich ja schon immer, wenn man den systematischen Massenmord an den europäischen Juden als erst im Verlauf des Krieges sich ergebende Option Hitlerdeutschlands darstellte, als letztlich nicht mit klarem Willen und Ziel durchgeführt, sondern sich irgendwie ergebend, wie eine einmal ins Rutschen gcekommene Lawine. Es läuft darauf hinaus, ob man bereit ist, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, eine Unterscheidung die uns letztlich dazu verpflichtet, Stellung zu nehmen und Konsequenzen zu ziehen. Wir wissen, dass diese Unterscheidung durch die zynische Berufung auf Pflichterfüllung als aufgehoben galt - sollten die achtzig Jahre danach nicht umsonst verstrichen sein, müsste sich daran etwas geändert haben. Es ist traurig, dass verschiedene Influencer und Influencerinnen, deren politische Konzeptionen der Wirklichkeit nicht mehr standhalten, und die in ihren Anschauungen festgefahren sind, sich nun dem „Guten“ zuwenden, gegen das doch niemand etwas einwenden kann, nämlich dem Frieden. Für sie sind Butscha und Irpin nicht schon die Eskalation, die zu fürchten ist und die schon eingetreten ist, sondern die Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen ist das, was sie zu fürchten vorgeben. Sie adressieren ihre Forderung eines Friedensschlusses nicht an den imperialistischen Angreifer, sondern an die sich verzweifelt Verteidigenden. Am Ende einer solchen Friedensbewegung kommt die völlige Vertauschung von Täter und Opfer heraus, ganz im Sinne der russischen Propaganda, derzufolge auf dem Territorium der Ukraine Russland verteidigt wird, während die Ukraine im Auftrag der NATO Russland bekämpft. Wenn sich also die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende doch erfüllen sollte (mit Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine und Befreiung aller russisch besetzten Gebiete, Reparation der Kriegsschäden und Tribunal über die Kriegsverbrechen), bleiben uns doch schwerwiegende Deformationen im politischen und geistigen Leben. Sie sind aber der Verblendung, in der man den Tschetschenien-Krieg und 2014 die Besetzung der Krim geschehen ließ, vorzuziehen. Wir hoffen, dass die vielen Verschleppten noch am Leben sind und auf die Rückkehr der geraubten Kinder. MAI 2023 5