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Robert Streibel Der Kommunist von Krems Franz Kral 1945-2023 Ein Kommunist stirbt und der Bürgermeister der Stadt ehrt den Verstorbenen, persönlich ohne Floskeln und rhetorische Fallen, tief betroffen. Wo gibt es das? In Krems natürlich. Denn die Stadt an der Donau war und ist ein Ort der Gegensätze. Hier gab es jede Menge Nazis, aber auch eine Arbeiterbewegung und nicht wenige Gegner und unter ihnen auch Kommunisten. Nach 1945 waren Kommunisten fast ohne Unterbrechung im Gemeinderat vertreten. Einer davon war Franz Kral. Der gelernte Galvaniseur war mehr als 30 Jahre als kommunistischer Einzelkämpfer in der Gemeindepolitik aktiv. Im Jänner 2023 verstarb er und eine große Zahl von KremserInnen gaben ihm das letzte Geleit, und hörten die Internationale in der Aufbahrungshalle als Abschiedsgruß. Franz Kral hat im Laufe seiner Karriere als Politiker sechs BürgermeisterInnen erlebt und mit drei von ihnen hat er - trotz seiner Opposition — eng zusammengearbeitet. Mit dem VP-Biirgermeister Erich Grabner hat Kral die Galerie Kultur Mitte gegriindet. Der Ort der Galerie hätte ungewöhnlicher nicht sein können: das Parteilokal der KPÖ in der Oberen Landstraße. Zwischen den Fenstern des Parteilokals blickt eine Madonnenstatue auf die Straße und einmal im Jahr hängt hier für wenige Stunden am 1. Mai die rote Fahne mit Hammer und Sichel. Der Verein der Galerie war strikt überparteilich. Innerhalb kürzester Zeit war die Galerie ein fixer Bestandteil im Kulturleben der Stadt. Bei den Eröffnungen sprachen SP und VP-PolitikerInnen als ware dies das Selbstverständlichste der Welt. Das KPÖ-Lokal wurde so zum best-besuchten kommunistischen Parteilokal der westlichen Welt oder vielleicht noch darüber hinaus. In seiner Trauerrede listet Wolfgang Mahrer einer der drei (!) Mandatare der KLS-Fraktion die kulturpolitische Bilanz auf: In den 25 Jahren der Kultur Mitte unter Franz Kral als Obmann gab es 127 Ausstellungen mit 276 KünstlerInnen, 33 Lesungen mit 44 LiteratInnen, 9 Poetry Slams mit 67 PoetInnen sowie zahlreiche Diskussionsabende, Filmvorführungen und Malkurse. Diese über 200 Veranstaltungen wurden von mehr als 25.000 Kulturinteressierten besucht. Unter VP-Bürgermeister Franz Hölzl wurde Franz Kral mit der goldenen Wappenplakette in Gold ausgezeichnet und erhielt den Ehrentitel „soziales Gewissen“ der Stadt. Durch seine profunde Vorbereitung auf die Sitzungen hatte er sich einen Ruf erarbeitet, der weit über die politischen Grenzen hinausging. Bei seiner Verabschiedung sprach SP-Bürgermeister Reinhard Resch über seine persönliche Beziehung zu Franz, die gemeinsamen Übungen als Mitglieder der Rehberger Feuerwehr und würdigt seinen unermüdlichen Einsatz. Als Kremser hatte ich früh Kontakt zu Franz Kral. Es muss so 1974 oder 75 gewesen sein, als ich als Pfadfinderführer in Krems die Idee hatte, mit unserer Gruppe eine Diskussion mit der kommunistischen Jugend im Parteilokal zu führen. Als ich später mit Amnesty International einen Informationsstand in 10 ZWISCHENWELT der Passage der Buchhandlung Schmidl betreute, wo auch das Schicksal von Regimekritikern in der Sowjetunion wie Andrej Sacharow angeprangert wurde, da ist Franz Kral zu unserem Stand gekommen und hat von Antikommunismus gesprochen und gemeint, dass das alles Lüge sei, was wir behaupten würde. Die Zeiten haben sich geändert und haben uns geändert und trotz mancher Gegensätze blieben wir im Gespräch. Als ich Jahre später begann, die NS-Geschichte der Stadt Krems aufzuarbeiten, war Franz Kral ein Unterstützer der ersten Stunde und hat mir viele Gespräche mit alten Genossinnen und Genossen vermittelt. Dass ich auch nicht wenige historische Dokumente der Nachkriegszeit bei ihm einsehen konnte, die auch einen kritischen Blick auf die KPÖ-Politik ermöglichten, war ein besonderer Vertrauensbeweis. Im Gedenkjahr 1985 hat er mir die Möglichkeit gegeben, alleine eine Broschüre zu gestalten: „Der lange Weg zur Befreiung“ hieß diese 50-seitige Sondernummer der „Kremser Nachrichten“. Zum ersten Mal wurden hier Namen von Opfern und Tätern genannt und Fotos aus der NS-Zeit gezeigt, der Widerstand thematisiert und über Kriegsverbrecher und Opportunisten berichtet. Dass diese Broschüre in einer Auflage von 30.000 Stück im ganzen Bezirk an jeden Haushalt verschickt wurde, hat den Beginn für einen anderen Umgang mit der NS-Geschichte in der Region markiert. Die Kultur Mitte war es auch, die die Räumlichkeiten für die Ausstellung über die Kremser Jüdinnen und Juden zur Verfügung gestellt hat. In den 1990er Jahren wollte das Kulturamt der Stadt eine derartige Ausstellung nicht zeigen. Unvergessen bleibt eine Szene — wie aus einem Film — nach der Eröffnung in meinem Gedächtnis: Der Pfarrer von Krems sitzt unter dem Bild von Lenin, isst sein Grammelschmalzbrot, trinkt einen Veltliner und plaudert mit Franz Kral. Don Camillo und Peppone sind keine Figuren der italienischen Der lange Weg zur Befreiung u Kremser Nachrichten: Der lange Weg zur Befreiung a T re Wee ER er