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Christian Kloyber Oscar Roemer In diesen Reichen gibt es nichts Trauriges fiir den Geist und nichts Demütigendes. Im Gegenteil. Die Kunst ist der Traum der Menschheit, der Traum von Licht und von der Freiheit. Und niemals lastet auf ihm der Alpdruck, der uns oft beengt, wenn wir an die Entwicklung unserer politischen Zukunft denken. (Ernst Römer: Die unbesiegbare Musik. In: Heines Geist in Mexico. Herausgegeben vom Heinrich Heine-Klub, Mexiko, D.E 1946, 5. 15) Im Exilland Mexiko fand die Familie Römer ihren Zufluchtsort, eingeladen von der Regierung des mexikanischen Präsidenten Läzaro Cärdenas: Ernst Römer, Musiker, Dirigent, Musikwissenschaftler, seine Frau Irma und Öscar. Empfangen wurden sie im Hafen von Veracruz von niemand geringerem als dem Maler Diego Rivera, dem Star der mexikanischen Kunst- und Kulturszene. Öscar Roemer wurde im August 1933 als Oskar Römer in Wien geboren, er starb am 19. Februar 2016 in seiner Stadt, in der Ciudad de Mexico. Architekt war er, Designer, Schachspieler, Musiker, Künstler, professioneller Tangotänzer, zeitlebens auf der Suche im Gestern, um den nächsten Tag, den nächsten Morgen zu leben, jedem der kommenden Tage einen Sinn zu geben. Liebhaber und Geliebter, der sich im Selbstbild des „Burli“ seiner Mutter, seines Vaters, der Frauen seiner Kindheit zu finden suchte. Die Bilder seiner Kindheit sah er zeitlebens vor sich, die ihm 1938 gestohlen, weggerissen und durch eine Frage ersetzt wurden: „Was ist dir lieber, die Nazifahne oder eine Reise mit dem Schiff?“ Im März 1938 stellte ihm seine Mutter diese Frage, er war noch nicht einmal fünf geworden. Er sah die Kinder auf der Wiener Ringstraße stehen, sie schwenkten kleine Papierfähnchen, enthusiastisch. Menschen säumten ihren ängstlichen Spaziergang. Seine Antwort kam damals schr leicht: Eleg/ el barco. Ich wählte das Schiff. Die Schuld und die Mitwirkung an der Geschichte der Vertreibung einzugestehen, fiel dem offiziellen Österreich jahrzehntelang schwer. Das Selbstverständnis als „Opfer einer äußeren Gewalt“ entsprach so sehr dem Charakter des Wiederaufbaus nach 1945, so erfolgte das Eingeständnis der aktiven Rolle im Nationalsozialismus spät, für so viele zu spät. Ein zeitgeschichtliches Beispiel ist dafür die österreichische Rezeption des mexikanischen Protests gegen den „Anschluss“ im März 1938. Die einzige schriftliche und auf Grundlage des Völkerrechts ausformulierte Protestnote der mexikanischen Regierung, im Völkerbund in Genf vom mexikanischen Diplomaten Isidro Fabela eingebracht, wurde mit wenigen Ausnahmen von den Mitgliedsstaaten ignoriert. Der Protest richtete sich gegen den Völkerbund, der die eigenen Gesetze nicht respektierte, der Protest richtete sich aber auch gegen Österreich selbst, das im März 1933 die junge Demokratie durch einen Staatsstreich aufgegeben hatte. Dieser Passus im mexikanischen Protest wird gerne überlesen, auch heute noch. Öscar Roemer wurde 1933 geboren, im Jahr der Selbstausschaltung des österreichischen Parlaments. Nun, erst in den Jahren nach 1988 zeigte das offizielle Österreich Interesse am österreichischen Exil in Lateinamerika. Ein erster Anlass waren die Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestags des als „Anschluss“ bezeichneten Verschwindens einer Diktatur abgelöst durch ein andere. Ein weiterer Anlass war die Affäre um Kurt Waldheim in den Jahren zwischen 1986 und 1988. Fünf Jahre später, 1993, sprach der österreichische Bundeskanzler Franz 36 _ZWISCHENWELT Vranitzky in Jerusalem (an der Hebräischen Universität von Jerusalem im Rahmen der Verleihung der Ehrendoktorwürde) von der kollektiven Mitverantwortung Österreichs. In diesem Jahr 1993 reiste die israelische Fotografin Alisa Douer durch Lateinamerika, auch in Mexiko machte sie halt. Mit Ursula Seeber, der damaligen Leiterin der Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus Wien arbeitete sie an der Dokumentation „Wie weit ist Wien. Lateinamerika als Exil für österreichische Schriftsteller und Künstler“. Die Dokumentation wurde 1995 im Picus Verlag (Wien) herausgegeben. Auf Seite 234 die mit der Laufnummer 210 verschene Fotografie, das Portrait von Öscar Roemer (Oscar Federico [Fritz] Römer), auf Seite 233 die seines Vaters, eine Abbildung von Ernst Römer, entnommen der letzten Publikation des Heinrich Heine-Klubs: Heines Geist in Mexico. Herausgegeben vom Heinrich Heine-Klub, Mexiko, D.F. 1946, auf Seite 14. Im März 2002 wurden im Rahmen der österreichischen Wanderausstellung „Österreicher im Exil in Mexiko“ die Portraits und Biografien dieser Dokumentation in Mexiko gezeigt. Das Mexikanische Außenministerium und die Österreichische Botschaft in Mexiko hatten zur Präsentation des Buches „Fxilio y Cultura. El exilio cultural austriaco en Mexico!“ eingeladen. Der Ort, das Archiv und die Bibliothek des Mexikanischen Außenministeriums, die Bibliothek Jose Maria Lafragua auf dem Platz der drei Kulturen (Tlatelolco). Vor dem Portrait von Öscar und Ernst Römer stand Öscar mit seiner Lebensgefährtin Alicia. Stolz erzählte er über seinen Vater Ernesto. Alicia zu ihrem Öscar: „Du bist wirklich gut getroffen, ein schönes Foto von einem schönen Mann“. Sichtlich stolz und gerührt blickte sich Öscar um, hatten es die anderen Besucher auch gehört? 2003, im März, kam Öscar Roemer nach Wien; das erste Mal nach 1938. Die Mexikanische Botschaft und das Literaturhaus Wien hatten ihn eingeladen, der Anlass war eine Festveranstaltung im Parlament zum Exilland Mexiko und zur Protestnote Mexikos gegen den „Anschluss“ vor dem Völkerbund. Oscar im eleganten schwarzen Anzug, er trug das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das 1961 seinem Vater in der Österreichischen Botschaft in Mexiko überreicht worden war, für seine Verdienste für die mexikanische Oper und das Musikleben. Die Werke Gustav Mahlers wurden von Ernst Römer erstmals in Mexiko aufgeführt. Mein Gedanke damals: LITERATURHAUS Oscar ganz Burli, in Wien.