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Will ich unheilbar sein.” Nicht vergessen bedeutet in ihrem Fall auch nicht vergeben: „Sie hat nie das Geld aus dem Entschädigungsfonds des Österreichischen Staats angenommen und nannte es Blutgeld.“'® Doch statt Vorwürfe zu machen, fühlte sie sich selbst schuldig: Ich habe von früh an immer an Schuldgefühlen gelitten, nach dem Anschluß fühlte ich mich mitschuldig, weil ich nicht genug getan hatte, die österreichische Arbeiterjugend über den Nationalsozialismus aufzuklären, und als ich 1985 erfuhr, daß meine Eltern umgekommen sind, wuchsen natürlich meine Schuldgefühle. Ich habe gern hier gelebt, aber nie habe ich dieses Land als meine “zweite Heimat“ betrachtet, habe immer gesagt, man hat nur eine Heimat, so wie man nur eine Mutter hat.” Halt, wenn schon nicht Heimat, war ihr die Muttersprache, in der sie schrieb und dichtete und in die sie Gedichte der lateinamerikanischen und spanischen Autoren Jorge Guillen, Guillermo Valencia, Leön de Greiff, Ruben Dario, Jose Asunciön Silva, Rafael Pombo, Porfirio Barba Jacob, Blas de Otero übersetzte. Im 1943 geschriebenen Gedicht „Meine Sprache“ bekennt sie sich trotz allem ausdrücklich zur deutschen Sprache: [...] Spricht Hitler deutsch — die Sprache muss es leiden. Ich nähme seinen Wortschatz nicht geschenkt, Doch kann mich nichts von meiner Sprache scheiden, Die in mir lebt und dichtet, träumt und denkt.” Auch Berthold Viertel bekannte sich in seinem Gedicht „Die deutsche Sprache“ zu dieser, die ihm im Gedicht zur Gefährtin wird: [...] Hat sie mich leiden auch gemacht, Ich tu ihr nichts zuleide. Sie hat im Ausland oft die Nacht Mit mir durchwacht, Sie weifs, daß ich der Schurken keinen um die Macht, Der sie geschändet, je beneide. Wir tragen lieber unseres Unglücks Fracht Und wirken, daß sie menschenwürdig bleibe. Dann kommt sie, mich zu trösten, sacht Und wundert sich, wie ich es treibe, Daß ich im Glauben, in der Hoffnung bleibe, Obwohl ich weiter in ihr schreibe." Als Trude Krakauer in Bogotä starb, kam ich in Wien gerade erst in die Volksschule. Wir sind uns also nie begegnet und doch ist es möglich, ihr in und durch ihre Texte zu begegnen: „Eine große Sensibilität und menschliche Wärme, das ist unsere Erinnerung an Trude Krakauer.“ So beschrieb sie Anita Weiss de Belalcäzar. Eben diese große Sensibilität und menschliche Wärme u rc ru Trude-Krakauer-Weg, 14.1.2023 40 _ZWISCHENWELT ist in vielen ihrer Gedichte zu spüren und insbesondere auch in ihrer Erzählung „Heimkehr“. Seit 2009 gibt es in Wien im 22. Wiener Gemeindebezirk den Trude-Krakauer-Weg in Gedenken an sie, den Google-Maps Anfang 2023 noch nicht kannte. Davon lasse ich mich jedoch nicht abschrecken, packe einen guten alten Stadtplan in Papierform ein und breche auf zu einer Expedition nach Transdanubien, das mir, die ich ebenfalls die Albertgasse im achten Wiener Gemeindebezirk besucht habe und auch in der Gegend aufgewachsen bin, wie vielen auf der hiesigen Seite der Donau lebenden Wiener:innen immer noch ein fernes Land ist. Weit weg also, aber doch zu erreichen, kein Niewiederland, und auch nicht das neben Steinheim gelegene Nieheim in Deutschland, wo ich fast einmal war. Der Irude-Krakauer-Weg mündet in den Elisabeth-FreundlichWeg, zu dem 2009 eine Erläuterungstafel angebracht wurde, über die auf der Geschichtewicki-Seite der Stadt Wien zu lesen ist: Die Tafel ehrt Freundlich als Publizistin, lässt ihre Verfolgung aus antisemitischen Gründen und Flucht ins Exil während des nationalsozialistischen Regimes jedoch unerwähnt.” Auch von Elisabeth Freundlich ist 2016 mit „Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau. NS-Vernichtungspolitik in Polen 1939-1945“ ein Buch im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft erschienen. Ob es für den Trude-Krakauer-Weg auch eine Erläuterungstafel gibt, davon steht online im Vorfeld nichts zu lesen. Wir werden sehen. Der Weg ist das Ziel. Mein Weg zum Weg führt mich vorbei an einem Kreisverkehr, fast wähnt man sich bereits in Niederösterreich, vielleicht beginne ich auch deswegen unwillkürlich, die mir Begegnenden zu grüßen. Der Trude-Krakauer-Weg führt vom Elisabeth-Freundlich-Weg zur Stundlgasse. Es ist ein Trampelpfad entlang eines Wiesenstreifens. Ich laufe ihn einmal entlang. Dann nochmals. Das kann doch nicht sein? Das darfdoch nicht wahr sein? Oder doch? Langsam kommt mir ein Verdacht, warum es online anders als beim Elisabeth-Freundlich-Weg kein Foto des Straßenschildes vom Trude-Krakauer-Weg gibt: Es gibt keines. Es gibt keines? Die paar Anrainer, die ich frage, wissen nichts davon, dass der Trampelpfad hier einen eigenen Namen hat. Ich hab meinen Halt in der Erde verloren. Luftwurzeln treib ich, blasse Gedichte, Die zittern und schwanken und tasten ins Leere. [...* Doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr reift die Gewissheit in mir, dass Trude Krakauer dieser Weg gefallen hätte, ist doch die typische „Gstetten“ inzwischen schon etwas Besonderes in Wien geworden. Allgemein steht Gras oft für das Vergessen, wenn Gras über eine Sache wächst. Dieses Bild greift Trude Krakauer auch in einem ihrer Gedichte auf: „Die Zeit heilt alles. Über Massengräber/ Weht grünes Gras.“ Wesentlich öfter verwendet sie persönlich in ihren Gedichten Gras jedoch als positiv besetzte Metapher für ihre Wünsche und Fantasien, die ihr Trost und Halt sind: Überall wuchert das Gras: in den Höfen, am Rande der Strafe, genügsam, bescheiden. Ists schädliches Unkraut? So sei's drum, ich halte mich fest an dem letzten, zerbrechlichen Grashalm.° Konkreten Bezug zur Lage des nach ihr benannten Weges hatte Trude Krakauer keinen. Anders wäre das beim gleich neben ihrer ehemaligen Schule gelegenen Hamerlingpark, der immer noch der Umbenennung harrt. 2021 wurde der nach dem Schriftsteller Robert Hamerling benannte Park und Platz von der