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Lydia Haider So siehe Wien und siche die Schönheit seines Asphalts, der dich trägt, wie kein Dreck noch ein Feld des Landes dich zu tragen vermag jemals. Wien spricht: Ich bin der gute Asphalt und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich. N. So kehret um von euren bösen Wegen, die euch führen aufs schmutzige Land raus. Warum wollt ihr sterben? Halt deine dreckigen Händ Antennen gleich hoch zum Himmel und bitte Wien um Gnade, du Landsau. Mil. Wien, die Stadt, die Mächtige, redet und ruft der Welt zu vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Wo ist eine Stadt im Himmel und auf Erden, die es Wiens Werken gleichtun kann? Aller Rest ist Afterei des Landes, wo der After lebt also der After aftert als Großafter allen Großaftertums. IV. Wien riecht dich von der Weite, denn Wien riecht und erkennt, was du bist. So erkennet dich Wien und weiß, dass du aus Silos, Senkgruben und Misthaufen gekrochen und dein Sein auf hin nach Wien trägst. Nun ist Wien bei dir und wäscht dich. Wien wäscht dich so lange, bis das ganze Land aus dir draußen und du gut bist. V. So ist dein Glaube wahr und du bist wahr mit Wien durch Wien und von Wien. Und wer zweifelt daran wird mit dem Gesicht am Boden im Dreck bei den Füßen gepackt geschliffen aufs Land raus zu dem Zweifelhaufen daraufgeworfen in einem Hauruck, dass du Ungläubiger weg bist aus Wien und wissest, was Glaube und Unglaube ist.? Aus: Lydia Haider: Oh Wien, siehe die Sau (dein Land). Köln: parasitenpresse Mai 2023 Charles Ofaire Leichenauswärts (Beim Hören von Das große Tor von Kiew) Gekreuzte Hoffnungen hängen Zitternd am geteerten Glas Des geweinten Lebens Mein überflüssig gewordenes Hiersein im Fluss der Melodien Weckt keine verweinten Tränen Im Unterholz zertrampelter Puppen In den Rost hinabgeerdete Verse Zermürbte Gesichter gesteinigter Hoffnungen Sind neben mir an kalktriefenden Mauern aufgestellt in der versteinerten Nacht Die Zeit zerbröckelt unter dem Hammer Meiner Verse im Todesschatten Meines ausgebrochenen Gehirns Der Krieg brach ein Das gebrochene Brot Erbricht sich in Gebrochenem Gestorben werdendes Aufbegehren Verkohlte Hoffnungen verhängt Am Galgen verschleuderter Träume Tod ist überall weltflächig Auf Ackerland ausgestreut Totmachen gibt es überall Tod ist zu haben allerorts Erbrochene Hauser machen ihm Platz Wohnorte sind der Überflüssigkeit Überschrieben worden Umgepflügte Schreie humpeln verblutend Durch zu Steinfetzen zermalmte Städte Du triffst nur Steingetroffene Vertötete und enttötete Grauengehetzte Fluchttote Die dir dein Leben abjagen In der leidgesäugten Erde MAI 2023 63