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REZENSIONEN

Das vorliegenden Buch wurde geschrieben,
nachdem Julius H. Schoeps, der 1942 in Schwe¬
den geborene Sohn des konservativen Religions¬
wissenschaftlers und Historikers Hans-Joachim
Schoeps (1909 - 1980), den 1947 in Davos
in der Schweiz geborenen linksliberalen Erzie¬
hungswissenschaftler und überaus produktiven
Publizisten Micha Brumlik um eine Biografie
seines Vaters bat.

Brumlik erinnert daran, dass die intellektuelle
Gründung der Bundesrepublik Deutschland we¬
sentlich von jüdischen Remigranten erfolgte. Er
bezieht sich dabei aufden von Clemens Albrecht
herausgegebenen Sammelband Die intellektuelle
Gründung der Bundesrepublik Deutschland, ob¬
wohl Schoeps darin nicht vorkommt.

Auch Hans-Joachim Schoeps war einer dieser
Remigranten. Er kehrte 1946 aus Schweden
zurück und lehrte nach seiner Habilitation bei
Friedrich Heiler bis zu seiner Emeritierung Reli¬
gions- und Geistesgeschichte an der Universität
Marburg.

In seiner Schrift Jüdischer Glaube in dieser Zeit
(1932) vertrat Schoeps einen jüdischen Barthi¬
anismus, der von Max Wiener und Gershom
Scholem (in der Bayerisch Israelitischen Gemein¬
dezeitung) kritisiert wurde. 1933 gründete er
die kleine bündische Gruppe „Der deutsche
Vortrupp. Gefolgschaft deutscher Juden.“ Der
Vortrupp hatte auch einen kleinen Verlag, der
eine Schriftenreihe herausgab. Schoeps trat
für die Trennung zwischen deutschen und

„undeutschen“ Juden ein und arbeitete eine
„Denkschrift über Rechtsstand und Verfassung
der deutschen Juden“ aus, die er in der Reichs¬
kanzlei abgab. Die Eingabe blieb unbeantwortet.
1934 veröffentlichte er das Buch Wir deutschen
Juden; es war eine Antwort auf den Band Wir
Juden von Rabbiner Joachim Prinz und eine
streitbare Ablehnung des Zionismus.

Nach dem Novemberpogrom gelang Schoeps
mithilfe von Otto von Hentig, dem Leiter der
Orientabteilung des Auswärtigen Amtes, die
Flucht nach Schweden. Er erhielt ein kleines
Forschungsstipendium und verfasste wichtige
religionswissenschaftliche Werke.

Als Schoeps in Deutschland zu lehren begann
herrschte ein, wie Hermann Lübbe schrieb,
kommunikatives Beschweigen der NS-Zeit.
Auch Schoeps war daran beteiligt und scheute
nicht die Zusammenarbeit mit NS-belasteten
Kollegen, zum Beispiel bei der 1948 von ihm
mitbegründeten Zeitschrift für Religions- und
Geistesgeschichte. Brumlik schreibt: Nur drei
Jahre vor der Gründung der Zeitschrift „wa¬
ren Männer wie Ernst Benz, Hans Wenke oder
Otto Friedrich Bollnow mindestens bereit ge¬
wesen, den Iod, genauer die Ermordung eines
jüdischen Wissenschaftlers wie Hans-Joachim
Schoeps mindestens hinzunehmen, wenn nicht
gar — in welcher Form auch immer - zu befür¬
worten.“

Andererseits wurde der Lehrstuhl in Erlangen,
wie Brumlik erinnert, vom Landesverband der

Eine schmale, aber inhalts- und aufschlussreiche
Broschüre des Vereins für Geschichte der Ar¬
beiterbewegung informiert über das schwierige
Exilschicksal des sozialdemokratischen Politikers
Karl Heinz und seiner Frau Ella. Der Autor
Bernhard Kuschey, AHS-Lehrer von Beruf, ist
bereits mit Doppelbiografien zu zwei Ehepaaren
aus dem linken/sozialdemokratischen Milieu
hervorgetreten (über den sieben Jahre im KZ
inhaftierten Psychoanalytiker Ernst Federn und
dessen Frau Hilde und über den Diplomaten
Walter Wodak und dessen Frau Erna) und berei¬
tet derzeit eine umfassende Publikation zu Karl
und Ella Heinz vor; die vorliegende Broschüre
behandelt v.a. die Exil- und Nachkriegszeit.
Karl Heinz bekleidete in der Ersten Republik
wichtige Funktionen in der österreichischen und
internationalen Sozialdemokratie (an der Seite

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Friedrich Adlers Sekretär im Arbeiterrat, Vorsit¬
zender der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ)
und der Sozialistischen Jugendinternationale
(SJD, politischer Geschäftsführer des Republi¬
kanischen Schutzbundes und ab 1930 Natio¬
nalratsabgeordneter). Im Februar 1934 musste
er vor den Schergen des Austrofaschismus in die
CSR fliichten, wo er im Auslandsbüro österrei¬
chischer Sozialdemokraten (ALÖS) an der Seite
Otto Bauers und Julius Deutsch‘ mitwirkte. Mit
Unterstützung der damals starken deutschspra¬
chigen Sozialdemokraten in der CSR konnte
sowohl vielen politischen Flüchtlingen geholfen
werden als auch die Tätigkeit der illegalen Re¬
volutionären Sozialisten (RSÖ) tatkräftig un¬
terstützt werden, vor allem bei Herstellung und
Vertrieb der Arbeiter-Zeitung und anderer nach
Österreich geschmuggelter illegaler Druckwerke.

israelitischen Kultusgemeinden in Bayern sub¬
ventioniert. Bei Schoeps promovierten zum Bei¬
spiel Philipp Auerbach, der Staatskommissar für
rassisch, religiös und politisch Verfolgte in Mün¬
chen, oder Hans Lamm, der spätere Präsident
der israelitischen Kultusgemeinde München.
Nach Schoeps Emeritierung wurde die Stelle
nicht mehr nachbesetzt.

Für die Studentenbewegung 1968 wurde Scho¬
eps wegen dieser mangelnden Abgrenzung ein
Feindbild.

Schoeps war ein Mann mit seinen Widersprü¬
chen. Seine 1941 in Schweden geschlossene
Ehe mit der Kunsthistorikerin Dorothee Busch
zerbrach; die beiden Söhne Julius und Manfred
wurden von ihm erzogen. Gleichzeitig lebte der
preußische Konservative und Monarchist Scho¬
eps, wie Brumlik schreibt, seine Homosexualität
erstaunlich offen aus.

Leider hat das Buch keinen Personenindex
und wurde nachlässig lektoriert. Tippfehler
und Duplizierungen blieben stehen und drei
Anmerkungen sind nur mit „#“ gekennzeichnet.

EA.

Micha Brumlik: Preußisch, konservativ, jüdisch.
Hans-Joachim Schoeps‘ Leben und Werk. Wien,
Köln, Weimar: Böhlau 2019. 294 S. Euro 41,¬

Als das ALÖS infolge der politischen Zuspitzung
1938 nach Paris verlegt werden musste, ging
Karl Heinz mit seiner Familie nach Schweden.
Er wirkte als Vertreter der nunmehrigen AVÖS
(Auslandsvertretung der österreichischen So¬
zialisten), u.a. mit Bruno Kreisky, und in der
Fliichtlingshilfe, wobei ihm seine vielfältigen
internationalen Verbindungen aus SJI-Zeiten
behilflich waren. Nach dem deutschen Überfall
auf Norwegen und Dänemark 1940 waren die
antifaschistischen Flüchtlinge auch in Schweden
gefährdet, insbesondere Ella Heinz aufgrund
ihrer jüdischen Herkunft. Karl gelang es, Teile
des sozialdemokratischen Parteivermögens vor
dem möglichen Zugriff der Nazis rechtzeitig in
die USA zu transferieren. Kurz vor dem deut¬
schen Angriff auf die Sowjetunion 1941 konnte
sich die Familie Heinz — wie einige andere