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Kesten im amerikanischen Exil“ stammt von Nicolas Berg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur Simon Dubnow in Leipzig. Evelyn Adunka Buchstabil. Von Büchern und Menschen. Elazar Benyoétz zum 85.Geburtstag. Hg. von Claudia Welz und Anna Rosa Schlechter. Mit Miniaturen von Metavel. Wien: Braumüller 2022. 365 S. Euro 28.Dieter Burdorf (Hg.): Archiv Bibliographia Judaica — deutschsprachiges Judentum online. Lange Zeit war die Schriftstellerin, politische Aktivistin und Psychoanalytikerin Erika Danneberg nur wenigen bekannt. Dies anderte sich 2008, als der österreichische Autor und Verleger Raimund Bahr Dannebergs Leben, Werk und Wirken mit einem Buch unter dem aufschlussreichen Titel „Etwas in Bewegung setzen“ würdigte. Nun ist bei der innsbruck university press eine ausführliche Biografie über Erika Danneberg erschienen. Auf fundierter wissenschaftlicher Basis, ohne mit Fachjargon einzuschüchtern, hat sich die Literaturwissenschaftlerin Christine Riccabona dieser überaus engagierten Frau ausführlich gewidmet. Dafür hat sie Dannebergs Nachlass gesichtet, die „eine unermüdliche Schreiberin und [ ] genaue Chronistin ihres Lebens“ war. Aus etwa hundert Tagebüchern, in denen Danneberg Ereignisse, Gespräche, literarische Skizzen sowie Träume festgehalten hat, entwickelt Riccabona ein differenziertes Bild eines facettenreichen Lebens, das in seiner Dichte und Vielfalt beeindruckt. Riccabona zufolge lassen die „Dokumente ihres Nachlasses [...] nicht nur ein intensives Arbeits- und Beziehungsleben erkennen, sondern auch ihre Art des ‚Schreibdenkens‘, das ihr ermöglichte, [ ] Intensität und [ ] Widersprüchlichkeit ihres Tuns zu ordnen“. Das Buch ist in fünf große Kapitel gegliedert, die jeweils einem Lebensabschnitt entsprechen und durch aussagekräftige Texte Dannebergs abgerundet sind. Bereits die Überschriften vermitteln, wie stark das Leben Dannebergs in die sozialen, politischen, kulturellen Brüche der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwoben war: Jugend im Krieg - Rebellion und Trauma, Junge Autorin - Suchbild im literarischen Feld, Frau eines Dichters - verlorenes Wunschbild, Farben auf grauer Wand - Psychoanalyse und Politik, Rückkehr zum Schreiben, Engagement in der KPÖ und Liebe zu Nicaragua. Die vielen Brüche in Dannebergs Leben mitzuverfolgen und nachzulesen, wie es ihr immer wieder gelang, sich aus Krisen zu befreien und neue Wege zu beschreiten, ist informativ und anregend. Riccabona entrollt ein Leben mit zahlreichen Höhen und Tiefen. Geboren wird Erika Danneberg am 9. Januar 1922. Vorbild und wichtigste Bezugsperson ist ihr die Großmutter, so der Befund der Verfasserin. Vom Krieg als das „alltäglich gewordene Entsetzen“ ist Dannebergs Jugend überschattet. Zu einem ersten Aufbegehren gegen die väterliche deutsch-nationale Ideologie führt die Deportation jüdischer Mitschülerinnen. Später wird Danneberg dies einen „emotionalen Antifaschismus“ nennen und ihre lebenslange antifaschistische Haltung begründen. Nie wird sie aufhören, „gegen rechte Positionen und vertuschte oder tolerierte NS-Vergangenheit aufzutreten.“ Wichtiger als das Studium der Germanistik und Psychologie, das sie mit einer Dissertation zum Ihema „Der Einfluß des Krieges auf die Entwicklung junger Menschen“ abschließt, sind Danneberg die politischen Entwicklungen, versteht sie sich doch als Sozialistin, was sich in ihren journalistischen Tätigkeiten widerspiegelt. Riccabona dokumentiert Dannebergs vielseitige Tätigkeiten im Literaturbetrieb wie auch ihren Behauptungswillen gegenüber Männern, die federführend in diesem Bereich tätig sind. Später wird sie einen Leserinnenktreis leiten. Anfangs löst die Begegnung mit der Psychoanalyse in Danneberg Skepsis aus: „Mir schien das eine Individualisierung gesellschaftlicher Wer „tungjatjeta“ sagt, sagt eigentlich „tu ngjat jeta“. Die Großmutter meint: So ist es, aber daran denkt keiner mehr, es ist nur noch, ja, wie soll ich sagen? Wie wir heute eben sagen, guten Tag, grüß Gott, so sagt man 70 _ ZWISCHENWELT manchmal tungjatjeta, es will nicht mehr so viel bedeuten. Manche sagten nur noch „tung“. Das erfährt man in der dem Buch seinen Titel gebenden Erzählung, die die 1984 in Pri$tina im Kosovo Historische Kontexte und Einführung in die Datenbank. Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg 2022. 133 S. Euro 71.91.- (Publiziert auch als PDF und Ebook). Probleme“. Erst als sie selbst „aus therapeutischen Gründen“ eine Psychoanalyse bei Tea Genner-Erdheim beginnt, empfindet sie diese Erfahrung nicht nur als „lebensrettend“, sondern sie lässt sich selbst zur Psychoanalytikerin ausbilden und wird später eine der Begründerinnen einer Kinder- und Jugendberatungsstelle in Wien. Als linke Psychologin entwickelt Danneberg mehr und mehr einen Blick für die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge ihrer Arbeit und stellt demzufolge die „Abstinenzregel“ der klassischen Psychoanalyse in Frage. Über die problematische Ehe Dannebergs mit dem Schriftsteller Hermann Hakel schreibt Riccabona in wohltuend sachlicher Form, ohne zu verschweigen, dass Dannebergs Beziehung zu Hakel zwischen Liebe und Unterwerfung oszillierte. Sichtbar wird Dannebergs Entschlossenheit, mit der sie zeitlebens eine antikapitalistische Politik verteidigt, Befreiungsbewegungen in Lateinamerika unterstützt und sich in der KPÖ gegen Armut und Obdachlosigkeit sowie für Gleichberechtigung auf allen Ebenen einsetzt. Der Biografin gelingt es, Dannebergs Leidenschaft, mit der sie sich für Humanität, Gerechtigkeit und Solidarität engagierte, fundiert aus den Quellen zu darzustellen. Schade nur, dass für die forschende Weiterarbeit ein Personenregister fehlt. Christiana Puschak Christine Riccabona: Erika Danneberg - Schriftstellerin, Psychoanalytikerin, Friedensaktivistin. Innsbruck: innsbruck university press 2022., 222 S. Euro 20,87 geborene, heute in England, Deutschland und der Schweiz lebende Kaltérina Latifi zusammen mit vier weiteren ,,Prosaszenen einer Jugend“ kürzlich vorgelegt hat. Das Albanische bzw. Kosovarische spielt durchaus eine