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nach außen, auf die Gesellschaftsgeschichte und -kritik, orientiert, während die Freudsche Forschung nach innen ging, in die Struktur und Bedingungen der Psyche. Es geht nicht um die Vereinigung der beiden Forschungsrichtungen, aber doch um die gegenseitige Befruchtung. Hier soll an die Frage Ernst Federns erinnert werden, ob die Linke wirklich „so Freud-los sein muss?“ Eine Sozialpsychologie, anschließend an die Freudsche Kultur- und Massenpsychologie, könnte doch helfen, die schwarzen Flecken der Linken zu beleuchten. Eine Erhellung der sozialpsychologischen Dynamiken der „Identifikation mit den Aggressoren“ oder der Faszination der menschenfeindlichen Massenparteien, die die gehorsamen, disziplinierten, zur Tat schreitenden „neuen Menschen“ formten, sollte für Menschen, die nach Befreiung, Solidarität und Humanität streben, eine Hilfe in der Reflexion sein. Auch die Regression sollte nicht vergessen werden, den Revolutionen folgt ihr Abebben und meist auch ihr Umschlagen ins Autoritäre und Terroristische. Jenen, die wie die Trotzkisten der 1920er bis 1940er Jahre, gegen die reaktionäre „Normalisierung“ standen, wurde durch die Verfolgung unmissverständlich klar gemacht, dass sie „Tote auf Urlaub“ waren. Und ihre verdammte Spezialität war, dass ihnen nicht nur die faschistischen Feinde sondern auch ihre ehemaligen Genossen nach dem Leben trachteten. Dahmer zeichnet die Verfolgung der Familie Trotzkis nach: die in der Sowjetunion befindlichen Familienmitglieder wurden liquidiert und die außerhalb der Sowjetunion wurden von sowjetischen Agentennetzen gejagt, wie auch Trotzki selbst, der 1940 in Mexiko ermordet wurde. Eine Tochter Trotzkis, Sinaida Wolkow, hielt dem psychischen Druck der Verfolgung nicht mehr stand, und wurde im Jänner 1933 (!) in Berlin in den Selbstmord getrieben, nachdem sie eine Therapie versucht hatte. Im Aufbau des stalinistischen Agentennetzes spielt auch eine reaktionäre Kooperation zwischen Stalinisten und einem Funktionär der Psychoanalyse eine Rolle. In der Familie Eitingon gab es stalinistische Agenten, die an der Ermordung ’Irotzkis und anderer beteiligt waren, und den Mäzen und Direktor des Psychoanalytischen Verlages, Max Eitingon. Der Letztere unterstützte die Ersteren finanziell und organisatorisch, und es ist laut Dahmer nicht auszuschließen, dass Max Eitingon selbst Agent des NKWD war. Im großen Schlachten und Morden des 20. Jahrhunderts gab es offensichtlich auch Kooperationen, die unmöglich scheinen, und die im Geheimen des ununterbrochenen Kampfes entstehen konnten. Der stalinistische Kampf gegen die Trotzkisten initiierte den Großen Terror, dem die Sowjetgesellschaft unterworfen war. Und selbstverständlich infiltrierten stalinistische Agenten die trotzkistischen Gruppen außerhalb der Sowjetunion, was logischerweise zu großen Ängsten und Verwirrungen unter den Trotzkisten führte. Dahmer versuchte, so akribisch wie möglich, dem schrecklichen Wirken der stalinistischen Agentennetze nachzugehen, vor allem auch deshalb, weil genügend Internationalisten von den eigenen Leuten zu Verrätern gestempelt und damit sozial isoliert worden sind. Lag der Fokus der stalinistischen Verfolgung in den Schauprozessen der 1930er Jahre noch auf den Trotzkisten und anderen „Abweichlern“, so weitete sich der Große Terror schnell auf unpolitische und „normale“ Menschen aus, die in Massen zu Feinden gestempelt und verfolgt wurden, wie Bauern oder Menschen nichtrussischer Nationalität und viele mehr. Menschenmassen wurden gleichsam nach Plan verurteilt, ausgeschunden und hingemordet. Hiermit schließt sich der Kreis, weil ich wieder bei jenen Ihemen angekommen bin, mit denen ich begonnen habe. Mit diesem Buch lässt sich nicht gut in die Zukunft schauen. Dahmer weist abschließend nur auf die lange Entwicklungszeit hin, die die Durchsetzung der bürgerlichen Herrschaft und Kultur benötigte. Warum sollte es jetzt schneller gehen? Allerdings verläuft die historische Entwicklung nicht kontinuierlich. Erleben wir nicht gerade jetzt einen backlash auf vielen Ebenen: Richtung alte Moralen, Krieg und Zerstörung der Natur? Das Wissen um die Zerstörungen des 20. Jahrhunderts sollte einem doch helfen, alte Fehler nicht zu wiederholen. So lässt sich zum Schluss doch noch eine Losung formulieren: mit Erinnerungsarbeit gegen Dystopien! Bernhard Kuschey Helmut Dahmer: Trotzki, die Psychoanalyse und die kannibalischen Regime. Münster: Westfälisches Dampfboot 2022. 277 S. Euro 30,Die im Vorjahr im 104. Lebensjahr verstorbene Dr. Maria Dorothea („Dorli“) Simon, u.a. langjährige Direktorin der Akademie für Sozialarbeit der Stadt Wien, ist wohl außerhalb ihres fachspezifischen Milieus nicht vielen bekannt. Umso verdienstvoller ist die vorliegende Publikation von Jonathan Kufner-Eger, Historiker, Bewährungshelfer und Lektor einer einschlägigen Fachhochschule, der ihr Leben und Werk in knapper, aber seriöser und sorgfältiger Weise darstellt. Die 1918 in Wien geborene Maria Dorothea Pollatschek stammte aus einer jüdisch-assimilierten, bürgerlichen Familie mit liberaler, areligiöser Grundeinstellung, fand aber — wie viele andere junge Menschen aus diesem Milieu — schon als Schülerin den Weg zur politischen Linken, zuerst zum linkssozialistischen Haschomer Hazair und dann zur sozialdemokratischen Jugendbewegung. Im “Volksliederchor“ der 72 _ ZWISCHENWELT Harand-Bewegung, wo der bereits 1933 vom Dollfuß-Regime verbotene Verband sozialistischer Mittelschüler Unterschlupf für seine illegale Tätigkeit gefunden hatte, lernte die 16jährige „Dorli“ nicht nur marxistische Theorien, sondern auch ihren langjährigen Freund Walter Hacker und ihren späteren Ehemann Joseph Simon kennen. Maria Pollatschek absolvierte in Wien eine KindergärtnerInnenausbildung und arbeitete als Erzieherin in privaten Horten, konnte aber aufgrund des latenten Antisemitismus im Austrofaschismus keine Anstellung im öffentlichen Dienst finden. 1937 übersiedelte sie - von ihren Eltern her tschechoslowakische Staatsbürgerin - nach Prag, wo sie die Masaryk-Schule für Sozial- und Gesundheitsfürsorge besuchte. Nach der Zerschlagung der CSR 1938/39 kehrte sie von einem England-Aufenthalt nicht mehr zurück, setzte ihre Ausbildung, u.a. bei Anna Freud, fort und konnte dann in Oxford und London mit einem Stipendium der tschechoslowakischen Exilregierung studieren. 1944 trat sie in die britische Armee ein und erlangte den Dienstgrad Education Sergeant. Im selben Jahre heiratete sie den in England stationierten (damaligen) US-Soldaten Joseph T. Simon, den sie schon von ihrer Tätigkeit in der illegalen sozialistischen Jugendbewegung in Wien kannte. 1945 übersiedelte das Ehepaar Simon nach Dänemark, wo Joseph als ehemaliges „Wienerkind“ (der dänischen Hilfsaktion nach 1918) und als politischer Flüchlling bis 1940 viele persönliche und politische Kontakte hatte. Während Joseph noch 1945 nach Wien zurückkehrte, verbrachte seine Ehefrau mit ihrem Sohn die Jahre 1946/47 in den USA, um die US-Staatsbürgerschaft zu erhalten. Der Rezensent lernte Maria Dorothea Simon 1967 kennen, als er für seine Dissertation über