OCR
An die Direktion der Städtischen Sammlungen, Wien I., Neues Rathaus. Mit meiner Gedichtsammlung „Stromer und Bauer, Strolch und Prolet“ bewerbe ich mich um den Kunstpreis für Dichtkunst für das Jahr 1928. Seit dem Jahre 1908 lebe ich — von Unterbrechungen durch meine Kriegsdienstleistung abgesehen — ständig in Wien. Mit vorzüglicher Hochachtung Wien, 23. Februar 1928. gez. Theodor Kramer Theodor Kramer, Wien II., Robertgasse 1/62. Beilagen rückübermittelt 7.1.29 Obwohl weder die Begründung des Preisrichterkollegiums noch eine Liste mit den Namen der Preisrichter im betreffenden Aktenbestand aufliegen, scheint eines von der ganzen Praxis der Preisverleihung her ausgeschlossen zu sein. Einer Aussage Kramers zu trotz, ist es nicht gut möglich, daß Josef Kalmer, der sich nachweisbar schriftlich um den Preis für 1927, nicht aber für 1928 bewarb, zugunsten Kramers auf den Preis für 1928 verzichtete.” So etwas war bei den Bestimmungen nicht vorgesehen. Zumindest angezweifelt werden muß die Vermutung, daß Ernst Lothar — vorausgesetzt er war in diesem Jahr überhaupt Jurymitglied — Kramer vorgeschlagen hat. Kramer hatte sich ja ohnehin beworben. JURA SOYFER-GESELLSCHAFT Am 16. 2. 1989 jährte sich der Todestag Jura Soyfers zum 50. Male. Im Hinblick auf dieses Datum war am 7. Juni 1988 in Wien die Jura Soyfer Gesellschaft gegründet worden. Ihre Adresse: 1010 Wien, Wipplingerstr. 8, Tel. 0222 53456/343. Vorsitzender ist Univ. Doz. Dr. Herbert Steiner; weiters gehören dem äußerst umfangreichen Vorstande an: Reinhard Auer, Heinz Kommenda, Ulrich Schulenburg, Arthur West, Georg Mittendrein, Elisabeth Campagner, Johanna Lendwich, Christa Zettel, Ulf Birbaumer und etliche Beisitzer/innen. Der Gesellschaft fließt als regelmäßige Einnahme ein Drittel der Soyfer-Tantiemen zu; sie finanziert ihre Aufwendungen außerdem aus Mitgliedsbeiträgen (wobei es den Mitgliedern überlassen bleibt, selbst über die Höhe ihrer Beiträge zu bestimmen) und aus Förderungen öffentlicher Stellen. Sie plant, ab 1990 eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift herauszugeben, und gibt als ihre Ziele die Popularisierung der Werke Jura Soyfers; die Veröffentlichung wissenachaftlicher Beiträge und die Berichterstattung über aktuelle Aktivititäten an. Am 16. 2. 1989 veranstaltete die Gesellschaft im Wiener Rathaus eine Gedenkveranstaltung, bei der Bundesministerin Hilde Hawlicek, Horst Jarka, Gerhard Scheit und Herbert Arlt sprachen. Das Jura-Soyfer-Theater präsentierte eine szenische Soyfer-Collage, Otto Tausig las einen Querschnitt aus den Stücken. Diese Veranstaltung war sehr gut besucht. In Zusammenarbeit mit dem AK-Bildungszentrum, 1040 Wien, Theresianumgasse, soll vom 4.—6. Dezember 1989 eine Großveranstaltung der Soyfer-Gesellschaft verwirklicht werden. Geplant sind ein wissenschaftliches Symposium (das erste über Soyfer überhaupt) mit Teilnehmern aus Italien, Frankreich, den USA, der BRD und der DDR, eine Soyfer-Ausstellung und Gastspiele von Theatern, die in letzter Zeit Stücke Soyfers realisiert haben. Ein kurzer Blick auf. das, was im ‚Soyfer-Jahr‘ bislang geschehen ist, exteigtiet und erniichtert zugleich. Im 9. Wiener Gemeindebezirk wurde eine Gedenktafel in der Kinderspitalgasse 9 angebracht, wo die Familie Soyfer ab 1931 gewohnt hat. Die Jura Soyfer-Gasse im 10. Bezirk erhielt eine Informationstafel, die darüber aufklärt, daß „Jura“ keine Opernsängerin gewesen ist. Für eine Sondermarke ist Soyfer, nach Auskunft der Post, nicht lange genug tot. Das Akademie-Theater Fortsetzung auf Seite 4 M BÜRGERMEISTER Wien, am 20.guli 1928. DER BTADT-TIIAN Schr geehrter Herr Der Gemeinderat der Bundeshauptstaät Men hat mit Bonchluss vom 27.April 1923 Kinstlerpreise gestiftet, durch doren Zuorkannung hervorragende Schriftsteller geehrt und gefördert worden sollen. Auf Grand den Vorschlages der Proisrichter hat Ihnen dor Stadtsonat In meiner Sitzung vom 19. Juni 1928 einen solehen Preis muerkanit. Dan gibt mir erwünschten Anlass, Sie auf des herelichete zu Ihrom Erfolg zu beglüskwünschen und dem Wunsche Ausdruck mu geben, dass der Kinatlorpreis der Stadt Wien Ihren Schaffenemat bofouore und Sie auch in Hinkunft dio Stadt Wien und ihre kansteinnige Borölkering, darüber hinaus aber das gosante deutsche Volk und die Welt mit vielen Ihrer Schöpfungen deglücken mögen. Der Bürgermeisters 7 Bürgermeister Karl Seitz an Theodor Kramer. Zur Verfügung gestellt von der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur, Wien). Thode Kramor, Rezension Amtsblatt des Literaturproporzes Grazer Stiasny-Verlages Gerhard Zerling und seine Gattin in den Büroräumen des Verlages. Der Doppelselbstmord war das Ende einer jahrelangen Kriminalaffäre, mit der auch ein Kapitel österreichischer Literaturgeschichte beschlossen wurde, wies aber zugleich schon auf die späteren Staatsaffären aus Korruption und Bestechung voraus. Der Stiasny-Verlag war mit seiner Buchreihe „Das österreichische Wort“ und der Literaturzeitschrift „Wort in der Zeit“ im Jahrzehnt zwischen dem Abschluß des Staatsvertrages und dem Ende der Großen Koalition so etwas wie der offizielle Kulturausweis der Republik gewesen. Buchreihe und Zeitschrift pflegten ein eigentümliches Großösterreichertum: nationalsozialistische und exilierte Autoren wurden in annähernder Proporzgerechtigkeit gedruckt. Liest man die dem „österreichischen Wort“ jeweils angehängten Kurzbiographien der Autoren, kann man nur staunen über die Selbstverstandlichkeit, mit der bei den einen noch die kleinste ostmarkische Auszeichnung stolz angefiihrt und bei den anderen das Datum der Flucht kommentarlos vermerkt wird; als hatte es sich um einen privaten Reiseurlaub gehandelt. Zu den nationalsozialistischen und den exilierten Autoren kamen die jiingeren der nachwachsenden Generation und jene älteren hinzu, deren schönste Zeit im Ständestaat geblüht hatte. Zu ihnen gehörte auch Rudolf Henz, der als Fortsetzung auf Seite 4 :