OCR
4 Fortsetzung von Seite 3 Chefredakteur von „Wort in der Zeit“ dem österreichischen Patriotismus der Zeitschrift die dumpfkatholische Tönung gab und ihr jenes so kämpferische wie kurios niveaulose Dauergerangel um ein überhistorisches „Österreichisches Wesen“ verordnete, das von Nummer zu Nummer fortgesetzt wurde. Der Innsbrucker Germanist Wolfgang Hackl hat nun in einer nicht nur empirisch reichen Studie die staatsoffizielle Literaturzeitschrift der Jahre 1955 bis 1965 umfassend dargestellt. Der heutigen Lektüre zeigt sich „Wort in der Zeit“ als widersprüchliche Unternehmung, die vom Alten nichts preisgeben, aber auch den Anschluß an die Jungen nicht verlieren wollte — und dies sowohl personell wie ästhetisch (politisch hingegen nur sehr vermittelt). Die unhaltbare Situation eines solchen Groß- und Gesamtösterreichertums — das freilich alle Autoren von vorneherein ausschloß, die im Verdachte der Linksopposition standen — kulminierte in einem nachmals legendär gewordenen Streit, der sich an der Febernummer 1964 entzündete: nach der Veröffentlichung von Texten Konrad Bayers und Gerhard Rühms empörten sich einige treue Beiträger von „Wort in der Zeit“ aufs allerheftigste, zuvörderst Felix Braun, Siegfried Feiberg und, um es einmal so simpel und unfein-zu sagen, wie es war, noch einige Langeweiler, deren Bücher wohl von niemandem je freiwillig gekauft und gelesen worden waren. Der Kampf endete damals mit einem Patt— und damit, daß die avantgardistische Literatur in Österreich staatswürdig geworden war. „Wort in der Zeit“ vermittelt einigen Einblick in solche Ablöseprozesse der österreichischen (Kultur-)Geschichte; man sollte nun freilich nicht in jenen Fehler verfallen, den die Germanistik seit Jahren aufs treueste hütet, und meinen, daß der Kampf von Reaktion und Fortschritt in der österreichischen Literatur nur der von alten Heimatdichtern und jungen Avantgardisten war, die Front also nur zwischen Austrokitsch und Eurogarde verlief. 2500 Stück Auflage hat „Wort in der Zeit“ zu ihren besten Zeiten gehabt, 300 davon wurden auch bezahlt, den Rest verschickte das Unterrichtsministerium. 1965 schließlich wurde auf dem Konto eines hohen Ministerialbeamten fast eine Million Schilling entdeckt, die der Verlag an seinen Protektor beim eigenen Geldgeber als Bestechungssumme von 15 %. der Gesamtsubvention zurückfließen hatte lassen. Das war auch das Aus fiir eine Zeitschrift, deren Literaturproporz seine Zeit ohnehin hinter sich hatte Karl-Markus Gauß Wolfgang Hackl: Kein Bollwerk der alten Garde — keine Experimentierbude. „Wort in der Zeit“ (1955—1965). Eine österreichische Literaturzeitschrift. Innsbruck 1988, 405 S. (= Innsbrucker Beitrdge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe 35). Jura Soyfer- Gesellschaft Fortsetzung von Seite 3 gedachte Soyfers in einer ausgezeichneten Matinée-Veranstaltung; aber keine der großen Wiener Bühnen hat sich entschließen können, ein Soyfer-Stück auf den Spielplan zu setzen. Am Tiroler Landestheater hatte „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ (Regie: Klaus Uhlich) schon am 29. 1. auf der kleinsten Spielstätte, dem „Werkraum“, Premiere. Das Dario Fo- oder Gemeindehof-Theater (Wien) spielt ‚heuer „Der Weltuntergang“ (Premiere 26. 5. ). Eine Laiengruppe (,,Miillers Theater“) trat mit „Broadway-Melodie 1492“ in Floridsdorf auf. Die Aufzählung ist nicht vollständig. | er G Bit __—% me Whig tu Wonka Amar Mb 0195 Zu Soyfers Todestag brachten einige Zeitungen ausführliche Beiträge, so. „Die Presse“, „Volksstimme“ und „Neue AZ“. In der „Wiener Zeitung“ schrieb eine Lona Chernel über das Soyfer-Programm des Jura Soyfer-Theaters: „Zu einseitig wurde das Gewicht auf ‚Klassenkampf‘ gelegt, zu linkslastig ist die verkrampft konstruierte Aussage. Der frühe Tod eines Idealisten, der nichts als das Gute wollte, wurde für die Agitation mißbraucht.“ Diese Aussage deutet die Schwierig anständige — Österreich mit Soyfer nach wie vor hat. ‚Nichts als das Gute zu Fortsetzung auf Seite 6 96 ZWISCHENWELT