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Martin Krist Ein „Fundstück“ in Miramare Fährt man von Triest die Küste entlang, erreicht man entweder Istrien oder in der anderen Richtung Grignano, das vor allem wegen des Schlosses Miramare bekannt ist. Erbaut wurde es zwischen 1856 und 1860 für Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich, dem Bruder von Kaiser Franz Joseph I., und seine Gattin Charlotte von Belgien. In diesem Schloss empfing Maximilian 1863 eine mexikanische Delegation. Er wurde von dieser mit einer ihm überbrachten manipulierten Volksentscheidung zum Kaiser von Mexiko ernannt. Auf der Überfahrt nach Mexiko beschäftigte sich der neu ernannte Kaiser vor allem mit dem Hofzeremoniell, welches schlussendlich den gewaltigen Umfang von 300 Seiten erreichte. Wie diese Marginalie der Weltgeschichte endete, ist bekannt. 1867 wurde Maximilian in Mexiko vor ein Kriegsgericht gestellt und erschossen. Nach Maximilians Tod diente Miramare als Sommerresidenz der Habsburger, vor allem die Aufenthalte Kaiserin Elisabeths sind wohlbekannt. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel das Schloss an Italien, und ab 1931 bewohnten Herzog Amadeo von Savoyen-Aosta und seine Familie das Schloss. Allerdings weilte dieser italienische Hochadelige nur selten in Miramare, da er sich an Mussolinis faschistischen Expansionskriegen beteiligen musste. Schon an der vollständigen Eroberung Libyens nahm er teil, später am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Äthiopien, der bekanntlich nur durch massiven Giftgaseinsatz für Italien siegreich verlief. Auch als Generalgouverneur und Vizekönig des eroberten Gebietes scheute er vor Giftgaseinsätzen gegen die aufständische Zivilbevölkerung nicht zurück. Im Zweiten Weltkrieg versuchte er Italienisch-Ostafrika (Eritrea, Äthiopien und Somalia) gegen die Briten zu verteidigen, was scheiterte, er geriet in Kriegsgefangenschaft und starb 1942 in Nairobi. Konstantin Kaiser Karl Lueger-Denkmal Das monumentale Karl Lueger-Denkmal an der Wiener Ringstraße wird nun nicht abgetragen oder umgestaltet, sondern samt dem überproportionierten Sockel leicht schräg gestellt, und zwar um 3,5 Grad. Das nun preisgekrönte Konzept der Umgestaltung stammt von Klemens Wihlidal. Durch die leichte Schrägstellung soll Karl Lueger in seiner „problematischen historischen Bedeutung kenntlich gemacht“ werden, gilt er doch als „Miterfinder des politischen Antisemitismus“, der damit den jungen Adolf Hider beeinflußt hat. Auch der Historiker Oliver Rathkolb spricht sich neuerlich gegen eine „Verräumung“ des Denkmals aus, denn dies würde eine „heile Welt suggerieren“. Die Schrägstellung symbolisiere ohnehin einen „Denkmalsturz, unvollendet“. 500.000 Euro will man sich die Schrägstellung kosten lassen. Der Jury gehörten respektable Persönlichkeiten und Fachleute an, unter ihnen Hanno Loewy, Aleida Assmann, Felicitas Heimann-Jelinek, Heimo Zobernig, Iris Andraschek. 26 _ZWISCHENWELT Im ersten Stock des Schlosses findet sich die Abbildung einer martialischen Bronzestatue, die vom Bildhauer Romano Romanelli geschaffen wurde. Sie zeigt den nackten und makellosen Oberkörper des Herzogs. Romanelli war ein hochgeschätzter, später aber in Ungnade gefallener Bildhauer des faschistischen Italien. Im Schloss blieb die ans Art Deco angelehnte Einrichtung aus der faschistischen Zeit erhalten, wobei ein Möbelstück besonders ins Auge sticht. Es ist ein kleines Bücherregal in Hakenkreuzform, das jährlich tausende Besucher*innen von Miramare betrachten können. Einen kritischen Kommentar zu Amadeo von SavoyenAosta oder eine historische Kontextualisierung sucht man leider oder soll man sagen — natürlich — vergebens. Also bleibt das Denkmal an seiner prominenten Stelle in der Platzmitte und mit all seinem Pathos erhalten, es wird durch die Schrägstellung nur ironisiert: Ganz so ernst, wie es von sich hermacht, soll man es nicht mehr nehmen. Die Zeit ist über das, was ein Lueger sagte und trieb hinweggeschritten. Die Gegenwart ist ihrer Sache sicher und belächelt unselig Vergangenes aus aufgeklärter Geisteshöhe. Wenn aber diese Höhe sich als Fallhöhe herausstellen sollte und Gefahr im Verzug wäre, müsste Lueger als antisemitischem Hetzer anderswo ein Platz zugewiesen werden, zum Beispiel am Zentralfriedhof, den seine Christlichsozialen zu verhindern versucht hatten. (Es ging um Grundstücksgeschäfte.) So aber glauben wir zu wissen, dass das Ungemach mit Hitler und der Judenhetze endgültig Vergangenheit ist. Und die Ironisierung, der wir das Standbild unterziehen, drückt die gewonnene Distanz aus, in der die Shoah, wie der Wiener Hausphilosoph Rudolf Burger uns dereinst wissen ließ, für uns gleich fern ist wie der Untergang von Karthago. Und führt uns damit auf den Trampelpfad unserer