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die Arbeiter-Zeitung, für die er auch literarische Texte aus dem Englischen übersetzte, war Dozent am Ottakringer Volksheim, häufiger Vortragender der Bildungsakademie der SDAP und 1923, gemeinsam mit Carl Furtmüller und Rudolf Ortmann, Mitbegründer der „Vereinigung sozialistischer Mittelschullehrer“. Nachdem er zwölf Jahre Professor am Gymnasium Kundmanngasse war, wurde er am 9. 1. 1920 Direktor des Staatsgymnasiums im 9. Bezirk, dem Wasagymnasium. Damit wurde Valentin Pollak in Wien der erste Sozialdemokrat auf solch einem Posten. Da er einer der Mitgestalter der Schulreform Otto Glöckels war, herrschte am Wasagymnasium ein wesentlich fortschrittlicheres Klima als an anderen Gymnasien der jungen Republik. Das Urteil des ehemaligen Schülers Erwin Chargaff fiel folgendermaßen aus: „Das war ein wunderbares Gymnasium, die meisten meiner Professoren sind mir mit Namen in Erinnerung. Der Direktor war Dr. Valentin Pollak. Er hatte einen sehr schönen Bart, und da wir damals privat auch antike Kunst betrieben haben, wurde er manchmal Pollak von Otricoli genannt, weil er aussah wie die Zeusbüste von Otricoli.“” Unter Valentin Pollaks Direktion durften erstmals Mädchen ans Wasagymnasium. Nebenbei gab er Lesungen an Volkshochschulen und war Vizedirektor des Seminars für Probekandidaten des Mittelschullehramtes. 1928 ging er in den Ruhestand und 1929 wurde er für seine Verdienste von der Republik mit dem Titel Hofrat ausgezeichnet. Nach den vielen Jahren in der Administration unterrichtete er wieder, am Vormittag als Lehrer an der Schule der Eugenie Schwarzwald und am Nachmittag als Dozent im Volksheim. Weiters war er pädagogischer Leiter des „Wiener Mittelschulkurs Sozialistischer Arbeiter“ in der Mollardgasse. Er hielt Vorträge im Monistenbund und in verschiedenen Bezirkssektionen der SDAP. 1931 gründeten Valentin und Alice Pollak mit Hilfe Eugenie Schwarzwalds und der Elternvereinigung des Wasagymnasiums ein eigenes Ferienheim in Eisenkappel (Zelezna Kapla-Bela) in Kärnten und einen dazugehörenden Verein namens „Jugendland“. Ab 1932 betrieb der Verein in Lunz am See in Niederösterreich ein Ferienheim. Im Februar 1934 galt es vor allem, den Schwiegersohn Leopold Kulcsas, einen linken politischen Aktivisten, aus dem Gefängnis zu befreien, was dem pensionierten Schuldirektor dann u.a. auch deswegen gelang, weil sein Hofrats-Titel die Beamten beeindruckte. Nach dem Februar 1934 versuchte vor allem der Obmann des Volksheimes Viktor Matejka, Niveau und Unterricht zu halten. Unter der Leitung des Philosophen Leo Gabriel, den Pollak als „Kampfhahn des Dollfuss-Kurses“ bezeichnet, wurden im Sommer 1936, nachdem Matejka seinen Posten verloren hatte, alle DozentInnen, die als SozialdemokratInnen galten, “ausgeschieden”, darunter Eduard März, Richard Wagner, Franz Ibaschitz und Valentin Pollak.? Der Verein „Jugendland“ existierte bis 1936, als angeordnet wurde, dass sich die gesamte „Jugendpflege“ der vaterländischen Idee unterordnen müsse. Unter diesen Umständen wurde der Verein aufgelöst. Seit seiner Pensionierung arbeitete Valentin Pollak an einer Geschichte der französischen Revolution, welche jedoch mangels Aussicht auf Publikation nie fertig geschrieben wurde. 1936 ging die Tochter Ilsa, die seit 1934 Teil des Widerstandes gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus war, mit ihrem Mann nach Spanien. Zuvor hatten sich er und Ilsa, die bald den spanischen Schriftsteller Arturo Barea heiratete, getrennt.‘ Vom Ehekonflikt, der Scheidung, der neuen Beziehung erfuhren die Pollaks in Wien aus Briefen. Sohn Willi Pollak war inzwischen 36 _ZWISCHENWELT Leiter eines Industriekonzerns und lebte in Dänemark, wohin im August 1939 auch Valentin und Alice Pollak auf ihrer Flucht nach England kamen. Ein Anfang 1938 geschriebenes Manuskript einer Autobiografie war das einzige Schriftwerk, das man ihm bei der Ausreise in Hamburg nicht abgenommen hatte. In England lebten die Pollaks in Hertforshire Village, wo Valentin Pollak sein Manuskript mit der Schreibmaschine abtippte und kommentierte. Im Juni 1940 wurde er interniert und kam auf die Isle of Man. Zuletzt lebten Valentin und Alice Pollak in Faringdon, wo beide 1948 starben. Alice Pollak starb am 5. Oktober 1948. Sie liegt im All Saints Churchyard in Faringdon, Vale of White Horse District, Oxfordshire, England begraben. Auch Ilsa lebte spater in Faringdon, wo sie Gemeinderätin der Labour Party war. Anmerkungen 1 Ilustriertes Wiener Extrablatt vom 15. Februar 1901, 6. 2 Hubert Christian Ehalt (Hg.): Ich stamme aus Wien. Kindheit und Jugend von der Wiener Moderne bis 1938. Weitra 2008, S.34. 3 Renate Lotz-Rimbach: Zur Biografie Leo Gabriels. In: Zeitgeschichte. Heft 5, 2004, 5.381. 4 Alexander Emanuely: Ausnahmezustand. Jura Soyfers Transit. Weitra 2013, S. 214. Ruth Selke Eissler Das weite Land In Deine Hand Leg ich das „Zwischenreich“, Das weite Land; Jenseits von Zeit und Raum, Da Nacht und Morgen gleich — Wie oft im Traum. Albert Paris Gütersloh August des Lebens Wenn die Zeit reif ist, öffnet sich nichts als ein Mund, und die Frucht fällt wie ein Knebel heraus. Aus: Miguel Herz-Kestranek, Konstantin Kaiser, Daniela Strigl (Ag.): In welcher Sprache träumen Sie? Österreichische Lyrik des Exils und des Widerstands. Wien: Theodor Kramer Gesellschaft 2007.