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Sonja Frank Spanienkämpferin, Journalistin und Autorin 20.9.1902 Wien - 1.1.1973 Wien Ilse Wilhelmine Elfriede Pollak kam als Tochter des sozialdemokratischen Gymnasiallehrers Valentin Pollak und dessen Ehefrau Alice Ziegelmayer-Hamann Edle von Hollenfeld in Wien auf die Welt, wo sie 71-jahrig nach einem bewegten Leben starb. Ilse besuchte die Schwarzwaldschule und studierte von 1920 bis 1928 an der Fakultät für Politik- und Rechtswissenschaften der Universität Wien. Ab 1922 war sie mit Leopold „Poldi“ Kulcsar bis zu dessen Tod verheiratet. Dieser wurde 1900 in Wien geboren, lebte dort als Bankbeamter. Im Sommer 1925 wurden die Kulcsars in Budapest unter Miklös Horthy aus politischen Gründen verhaftet. Anfang April 1926 konnten sie wieder nach Österreich zurückkehren. Leopold Kulcsar war später u.a. Pressechef der Spanischen Botschaft in Prag während des Spanischen Bürgerkrieges und starb am 28. Jänner 1938 in Prag. Ilse Barea-Kulcsars politische Heimat war anfangs die Sozialdemokratie, zu der sie nach einer kurzen kommunistischen Periode in den 1920ern (in der Gruppe „Neu Beginnen“) wieder zurückkehrte. Zu Ilses Lebensorten zählten das erste Wiener Hochhaus in der Herrengasse und das tschechische, französische, spanische und britische Exil (Faringdon, Oxfordshire). Die engere Beziehung zwischen Muriel Gardiner und Ilse Kulcsar hat sich auf wenige Monate des Jahres 1934 beschränkt (vgl. Mitteilungen IWK, 1995). Im Oktober 1936 fuhr sie von Brünn über Paris nach Madrid, wo sie als mehrsprachige und resolute Leiterin der Zensurstelle für die Auslandspresse arbeitete. Ilse war ihr Wiener Rufname und seit ihrer Zeit in Spanien wurde sie auch Ilsa genannt. In der Telefonica in Madrid lernte sie den spanischen Schriftsteller und ihren zukünftigen Ehemann Arturo Barea (1897 Badajoz — Dez. 1957 London) kennen. Ab Februar 1938 lebte das Ehepaar Barca kurz in Paris, politische Gründe bewogen sie, nach England zu flüchten. Dort arbeitete sie im Abhördienst der BBC, übernahm publizistische Tätigkeiten und Übersetzungen. Als Buchautorin veröffentlichte sie „Spain in the Post-war World” (1945 mit Arturo Barea, Fabian Society, 29.) und „Vienna. Legend and Reality“ (1966, Faber and Faber, 398 S.). Außerdem war sie eine Bezirksrätin der Labour-Party in Oxfordshire. Einige Jahre nach dem Tod Arturo Bareas besuchte sie ihre Heimatstadt. Schließlich übersiedelte sie 1965 nach Wien. Sie setzte ihre journalistische Tätigkeit fort, war Mitarbeiterin für OGB-Zeitungen und zuletzt gewerkschaftlich als SPO-Bildungsfunktionärin tätig. Ilse Barea-Kulcsars Großteils autobiographische Artikelserie „Telefonica“ über ihre Erfahrungen während des Spanischen Bürgerkrieges erschien erstmals in der Arbeiter-Zeitung (Wien 1949). Der Roman „Telefönica“ wurde im Verlag Edition Atelier von Georg Pichler herausgegeben (Wien 2019). Erich Hackl: . ein Roman, der Staunen macht: Weil er das Geschehen im belagerten Madrid auf ein einziges Gebäude konzentriert, und auf eine überschaubare Zahl von Menschen. Weil er zeigt, was sie alle in sich tragen, an Mut, an Groll, an Angst, an Güte. Weil er hoffnungsfroh endet. Und weil er uns in Gestalt der Autorin mit einer Frau bekanntmacht, deren Leben und Wirken nicht vergessen sein darf. Die umseitige dargestellte zweisprachige Ausstellungstafel (2020) über Ilse Barea präsentierte ich mit dem Verein KunstPlatzl erstmals im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes 2021 anlässlich der Ausstellung „Die drei Schwestern. Selma, Berthe und Gundl, geb. Steinmetz. Frauen im Widerstand 1933-1945“. Im gleichnamigen Buch ist im Beitrag über Ilse Barea (Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, 2021, ab S.173) auch eine Fotografie mit Ilses Nichte Uli Rushby-Smith vor Arturo Barcas selbstgebautem Bücherregal zu schen. Ilse Barea nahm ihre verwaiste junge Nichte in den 1950ern in England bei sich auf und betreute sie herzlichst. Diese lebt bis heute als Verlegerin in London. Seit November 2021 hält eine Gedenktafel Ilse Barea-Kulcsar in Favoriten an ihrem letzten Lebensort in der Bernhardtstalgasse 38 in Erinnerung. Eine umfassendere Biographie über Ilse Barea-Kulcsar von Georg Pichler soll nächstes Jahr im Verlag Edition Atelier erhältlich sein. In diesem Verlag erschien auch Ilses Buch „Vienna“ deutschsprachig von Julia Brandstätter und Gernot Trausmuth unter dem Titel „Wien: Legende und Wirklichkeit“ (Sept. 2021). Dank für Infos und Bildmaterial für die Gedenkarbeit gebührt Ilse Bareas beiden Nichten Uli Rushby-Smith und Brixi Schultze (Malerin, Autorin und Ilses Wiener Nichte). Ilse und Arturo Bareas Nachlass kam durch ihre in England lebende Nichte in die Bodleian Libraries, University of Oxford (Archive of Arturo and Ilsa Barea). Sonja Frank, Enkelin von Young Austrians, Tochter von Freie Österreichische Jugend-Mitgliedern, arbeitete in den 1980er Jahren im Handel und im öffentlichen Dienst, gründete als Künstlerin 2002 den Kulturverein KunstPlatzl, mit dem sie auch Gedenkveranstaltungen in Österreich und GB organisierte. Sie ist Ausstellungsgestalterin der Young Austria-Dokumentation, Hg. der Young Austria-Bücher und des Buches “Die drei Schwestern. Selma, Berthe und Gundl, geb. Steinmetz. Frauen im Widerstand 1933-1945” sowie Initiatorin der Austrian Centre-Gedenktafel in London. Im November 2023 ‚präsentiert sie mit dem KunstPlatzl eine Ausstellung zu “Künstlerinnen und Künstler und ihr Exil” im GB*Stadtteilbüro am Max Winter-Platz. SEPTEMBER 2023 37