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vorgestellt, die sich in der Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus Wien befinden. Darunter ist auch eine handschriftliche Rede aus dem Nachlass Alisa Stadlers, mit der Astrid Nischkauer sich in ihrem Beitrag für die Ausstellung auseinandersetzt. 1 E-Mail von MMag, Veronika Zwerger an die Verfasserin, 13.1.2023. 2 Alisa Stadler als Autorin, Nachlass Alisa Stadler, Literaturhaus Wien Österreichische Exilbibliothek, LHW/OEB N1.EB-12/3.6. 3 Alisa Stadler als Schauspielerin, Nachlass Stadler, LHW/OEB N1.EB-12/3.6. 4 Maria Halmer: Mirjams Nachfolgerin. Vom Theaterstar in Israel zur Bibeliibersetzerin in Wien — der lange Weg der Alisa Stadler. In: Welt der Frau, Wien, Feb. 1991. Zeitungsausschnitt, Nachlass Stadler, LHW/OEB N1.EB-12/4.12.4. 5 Typoskript „Vom Ghetto in die Freiheit“, Nachlass Stadler, LHW/OEB N1.EB-12/1.2. (#40) 6 Typoskript „Religiöses Denken in Evolution“, Nachlass Stadler, LHW/ ÖEB N1.EB-12/1.2. (#39) 7 Dr. R. M.: Staatspreis für Alisa Stadler. In: Die Gemeinde, 16. Juni 1989. Zeitungsausschnitt, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N1.EB-12/3.6. 8 Typoskript „Antisemitismus — ein Vorurteil?“, Nachlass Alisa Stadler, LHW/OEB N1.EB-12 / 1.4. (#47) 9 Brief vom 12. Januar 1970 von Friedrich Torberg an Alisa Stadler, Nachlass Stadler, LHW/OEB N1.EB-12/2.3. 10 Typoskript „Maria Lisa Stadler — Lebenslauf“, Nachlass Stadler, LHW/ ÖEB N1.EB-12/3.6. 11 Iyposkript „Die Psalmen“, Nachlass Stadler, LHW/ ÖEB N1.EB-12/1.2. (#41) NEUE TEXTE 12 Cornelius Hell: Sprachkraft und unverbildeter Blick. Die Arbeit des Übersetzens aus dem Hebräischen: Staatspreisträgerin Alisa Stadler. In: Salzburger Nachrichten, Samstag, 24. November 1990. Zeitungsausschnitt, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N1.EB-12/4.12.1.1. 13 Siegfried Höhne: Die Psalmen in der Sprache der Dichter. Alisa Stadlers Neuübersetzung erschienen. In: Münchner Merkur Nr. 124, 3. Juni 1986. Zeitungsausschnitt, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N 1.EB-12/4.12.1.2. 14 Typoskript „Psalm 126“, Nachlass Stadler, LHW/OEB N1.EB-12/1.2. (#38) 15 Brief vom 29.2.88 von Lucie Rie an Alisa Stadler, Nachlass Stadler, LHW/OEB N1.EB-12/2.3. 16 Typoskript „Vom Ghetto in die Freiheit“, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N1.EB-12/1.2. (#40) 17 Ebenda 18 Typoskript „Gedichte von Rachel übersetzt von Alisa Stadler“, LHW/ ÖEB N1.EB-12/1.1.2. (#30) Abbildungen Alisa Stadler bei der 1. Österreichischen christlich-jiidischen Bibelwoche 1982, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N1.EB-12/4.6. „Ich bin unschuldig. Komödie“, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N1.EB-12/4.4. „10 Bäume“, Nachlass Stadler, LHW/ÖEB N1.EB-12/3.1.3. Serhij Forkosh „BOTSCHAFTER” Der Himmel über dieser deutschen Welt erdrückt mich. Wenn ich zu ihm aufschaue, begegnet er mir mit blasser Gleichgültigkeit. Ich bin gefangen, trete auf der Stelle. Aber wo bin ich? Ich wandere zwischen weggeworfenen Zeitungen und Werbeprospekten umher, wende meinen Blick von abbröckelnden Graffiti ab und atme nicht, während ich durch die Gassen gehe. Der deutsche Park ist voller Täuschungen. Das Gras ist nicht grün, die Erde riecht nicht, die Bäume berühren mich nicht, lassen mich kalt, weisen mir nicht den Weg in jene Höhen, wo eine erhabene Unruhe noch möglich wäre, wo Kraniche fliegen ... wo alles, wonach man sich sehnt, noch in Erfüllung gehen kann. Auf dem synthetisch hellen, rot-grünen Pflaster läuft ein Jogger an mir vorbei. Mit hängendem Kopf trampelt er schnaufend über den sauberen Asphalt, läuft im Kreis durch den Park mit seinem kurzgestutzten Rasen. Fünf Minuten später läuft er - immer noch keuchend - wieder an mir vorbei. Für einen Augenblick sieht es so aus, als würde Freude sein von Anstrengung gerötetes Gesicht erhellen, doch seine Augen bleiben ausdrucklos. Die ihm zur Verfügung stehende Zeit hat er wohl bis auf den letzten Tropfen ausgepresst, hat jede Sekunde dem ihr zustehenden Ort gewidmet. Das Leben eines Läufers ist sein Kapital! Jeder Moment ist gleichbedeutend mit dem Erreichen des Ziels. Meine Hand vibrierte mit der Glocke, die in das Ior eingelassen war. Ich zog den Kopf ein, schrumpfte innerlich in Erwartung dessen, was kommen würde. Die glatten Stufen einer in Form 50 ZWISCHENWELT eines Fächers immer breiter werdenden Treppe luden dazu ein, auszurutschen, wegzulaufen oder sich zu verlaufen. Die spröde Feuchtigkeit des Flurs schnaubte mir immer wieder dieselbe Botschaft ins Gesicht: Dies ist eine andere Welt, hier bleibt alles jahrhundertelang verborgen. Für die Begrüßung suchte ich nach klaren und simplen Formulierungen, vielleicht etwas in der Art wie: “Oh, wie viele Sommer, wie viele Winter ...”! Oh, wie viele Sommer, wie viele Winter sind vergangen, seit wir uns gesehen haben. Diese Floskel war so grauenvoll, dass es schmerzte, wenn ich nur daran dachte. Nein, nicht das! Wie ware es stattdessen mit: “Super ist es hier bei euch! Und dieser Flur! ... Alles so ordentlich. So kultiviert! Seid gegrüßt, Leute. Hallo! Hallo!” Und dann müsste ich unbedingt ein breites Lächeln aufsetzen, um unangenehme Assoziationen zu vermeiden. Nach dem Prinzip: Schaut her, ich laufe nicht davon, ich lache über alles. Nein, das war es auch nicht. Schließlich lachte ich ja, und das sollte ich nicht. “Hallo!” — Ja, genau, so einfach und ehrlich sollte es sein. Ein einfaches „Hallo“, nichts weiter. Ich klopfte an die Tür und rief keuchend aus: “Oh, wie viele Sommer, wie viele Winter ... !” Ich kam nur hierher, wenn die Einsamkeit und der Wunsch, mich mitzuteilen, an mir nagten, wenn sie in meinem Innersten zu heulen begannen. Das passierte regelmäßig. Die Schnsucht suchte, fand und erdrückte mich unbarmherzig. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wusste ich genau, wann ich heulen würde.