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im Blick der Kinder. Hier ist der Gang der Männer schwankend als wären sie auf Deck eines schaukelnden Schiffes selbst am Festland. Ein kleines Dirndl in hohen Stiefeln stapft vor mir her der Schule zu. Die ist wie alle Schulen unverkennbar. In ihrem Eingang steht eine Nonne mit großer Flügelhaube. Ich geh auf sie zu, sagt sich Hanna, vielleicht spricht sie ein menschliches Idiom. Und wirklich, die junge Nonne ist Belgierin. Ihr Orden hat diese Schule erbaut, die mir die Nonne jetzt bereitwilligst zeigt. Sie ist scheinbar so froh wie ich, eine vertraute Sprache zu sprechen. Ich sch mir dieses strahlende junge Mädchen immer wieder verstohlen an. Wie ist es möglich, dass so ein blühendes Geschöpf mit lustig blitzenden Augen dieses Schicksal auf sich nimmt. On est heureux, endet sie ihren Rundgang. Es ist die einzige modern hygienische Schule im faröerischen Inselbereich. Die Mühe lohnt sich. Von weitem hör ich die Sirene des Schiffes. Ich hab wieder einmal alles vergessen, Schiff, Reise, Fremde, selbst das Kind. Und in Angst laufich die holprige Straße zurück dem Hafen zu. Georg schläft noch und wacht erst auf, als sich die Maschine schnaubend in Gang setzt. Aber er ist jetzt gesund. Er steht neben mir auf Deck und zählt die Möven, die uns begleiten. Wie weit kommen sie mit? Ich weiß es nicht. Bald kommen uns andre von Island her entgegen. Wann? Morgen spät abends sollen wir landen. Am nächsten Abend stehe ich beim Kapitän hoch oben auf der Brücke. Es will nicht dunkel werden. Ein breiter Streifen Licht liegt als verheißungsvolle Straße auf dem Wasser. Sie führt vom Bug des Schiffes auf die nebelhaften Umrisse der Berge in weiter Ferne zu. Schen Sie? Der Kapitän zeigt nach Westen: dort steigen die Felsen der Westmänner Inseln schon auf. Wir haben guten Wind. Gegen Morgen legen wir dort an. Der Morgen dämmert nach so kurzer Nacht unerwartet bald. Das Schiff liegt unter einem hohen Felsen der Insel. Er ist weiß von Vögeln und umschwirrt von ihnen. Ein Boot wird ins Wasser gelassen. Es schwankt nahe am steilen Schiffskörper beängstigend hin und her. Noch schlimmer ist es dann, eine ältere Frau in seltsamer Tracht von diesem Boot auf die baumelnde Strickleiter hinüberturnen zu sehen, man reicht ihr einen großen Korb nach und so klettert sie geschickt auf der hängenden Leiter bis zu uns herauf. Was für ein fremdes Gesicht ist das. Entschlossen und fast männlich in seiner Kraft, so dass die langen auf den Rücken herabhängenden Zöpfe noch sonderbarer zu dem Alter der Frau passen. Ein Käppchen aus schwarzer Seide lässt überdies durch einen goldenen Reif seitlich eine lange Quaste baumeln. Der weite lange Rock bauscht sich unter dem hochgeschnürten Busen, ein Umhangtuch flattert im Wind, aber das Ganze kommt doch keuchend aber gliicklich oben an und wird von einem unverständlichen Wortschwall empfangen. Der Kapitän ist wieder neben mir und erklärt mir, dass die Insel zu Island gehört und sich schon hier alle Leute kennen, wie in Island überhaupt. Die Frau fährt nach Reykjavik, einkaufen. Reykjavik! Der Name hat noch nicht seinen fremden, unwahrscheinlichen, drohend-lockenden Klang für mich verloren, mit dem meine arme Mutter ihn mir nachgesprochen hat bei der Nachricht, dass ich dorthin gehen wolle. Ans Ende der Welt hör ich sie noch murmeln. Lieber ans Ende der Welt als hierbleiben. Auf der Straße hörte man den Marschtritt der deutschen Horden und ihr Gebrüll. Lieber ans Ende der Welt — und das Glück steigt mir wieder heiß in die Kehle: Heute Abend sind wir in Reykjavik, am Ende der Welt. Melitta Urbancic Vier Gedichte Unterm Mövenschrei Die Möven schrei’n mir überm Haupt und um den Hafen kreuzt ihr Schwarm — Wie war ich noch vor kurzem arm ! Wie hab ich mich allein geglaubt ! Ich tret aus deinem Haus, und nichts wüsst ich, das jetzt mein Herz noch kränkt : Die Möven schrei’n im Strahl des Lichts, das meine Welt mir wieder schenkt ! Frühlingsabend im Norden Wir schauen in den klaren Abend weit : Sehr bald schon wird die Sonne untergehen Es schmerzt nicht mehr, wie einst — wir dürfen sehen, gemeinsam noch -: Still steht schon jetzt die Zeit, verschwendend ihre ganze Herrlichkeit in matter Farben Leuchten — im Verwehen des letzten Hauchs vom Mund ins Stumm-Verstehen — wie Schneeglanz auf dem Berg der Einsamkeit — Wir, die den Atem noch der Fluten tragen, heben die Gläser horchend dann ans Ohr — — kristallne Muscheln, die das Meerleid klagen ? — hören sie mit geheimem Rauschen sagen vom Blühn der Rebe - von den Reifetagen, bis, leer, das Glas den Traum des Schaums verlor — Eyafjord Tiefblauer, meeres-stiller Inselfjord ! Mit deinen Bergen, noch in Sommers Mitten schnee-überfleckt - vom Fischerboot durchglitten — vielbuchtig fliigelweisser Vogelhort ! In deine Tiefe sinkt zum Fischerort sanft abwarts gleitend, wie auf Wasserschlitten, almwiesengriin im Tal zu End gelitten das Heimweh in des Hafens Ruhe dort! Menschen aus Erde, mit dem Blick ans Schéne früh schon gewöhnt, von keinem Wahn verstellt, schenkst du dem Land als beste seiner Söhne ! Und wer vom Gram aus einer siechen Welt hier Heilung sucht, dem strahlt fernher von Norden dein stärkstes Licht, auch wenn es Nacht geworden ! SEPTEMBER 2023 65