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Das Gedenkjahr 2005 mit seinen vielfältigen Anknüpfungen an die jüngere Geschichte Österreichs bringt allen Ereignisse in Erinnerung, die das Land stark beeinflusst und nachhaltig verändert haben. Nicht zuletzt waren es die Künstler, welche unter der gnadenlosen Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes zu leiden hatten, und für einen Großteil der geistigen Elite des Landes bot die Flucht ins Exil und damit in eine ungewisse Zukunft die einzige Möglichkeit zu überleben. Der Weinviertler Theodor Kramer - einer der bedeutendsten österreichischen Lyriker der 1930er Jahre - teilte dieses Schicksal. Sein Name steht hier stellvertretend für viele, die auch aus dem Ausland ihre Stimme gegen Ausgrenzung und Vernichtung erhoben. Er hat posthum dem Theodor Kramer-Preis seinen Namen gegeben. Dieser im Jahr 2001 erstmals von der Theodor Kramer Gesellschaft vergebene Preis für ein „Schreiben im Widerstand und im Exil“ war der erste Literaturpreis überhaupt, der in Österreich dem Schreiben der Exilierten, dem Schreiben im geistigen Widerstand gewidmet war. Niemand kann ungeschehen machen, was jahrzehntelang versäumt wurde, aber dieser Preis schlägt eine Brücke zum Exil und zu all jenen, die den Weg nach dem Krieg nicht mehr in die Heimat gefunden haben, als ein Beitrag gegen das Vergessen und Verdrängen. Seit dem Jahr 2002 wird der Theodor Kramer-Preis in Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Literaturhaus NÖ in Krems vergeben, und es ist für das Land Niederösterreich eine wichtige Aufgabe, die Verleihung dieser Anerkennung zu unterstützen. Mit dem diesjährigen Preisträger — Georg Stefan Troller — hat die Jury einen Künstler ausgewählt, dem 1938 die Flucht über Frankreich nach Amerika gelang. Als Soldat der US-Army kehrte er nach Europa zurück, seit 1949 lebt er in Paris, wo er durch seine Arbeit zu einer Legende des Journalismus wurde. Die bittere Erfahrung von Ausgrenzung, Vertreibung und Exil hat natürlich immer wieder Einfluss auf seine künstlerische Arbeit genommen. Ich darfauf diesem Wege sowohl den Veranstaltern als auch dem Preisträger meine besten Wünsche sowie den Dank des Landes Niederösterreich für Ihre Arbeit übermitteln. Dr. Petra Bohuslav, geb. 1965 in Wien, Mitglied der niederösterreichischen Landesregierung, ist Landesrätin für Arbeit, Soziales, Sport und Kultur. Von einem Ort zum andern: Berlin, Prag, Basel, Amsterdam, Paris, Marseille, Lissabon, Havanna, Chicago — das waren die „Stationen dazwischen“ der österreichischen Widerstandskämpferin Lisa Fittko, die sich lange und beharrlich weigerte, das sie bedrohende Deutschland - vor allem endgültig — zu verlassen. Am 12. März ist sie, Emigrantin wider Willen, im fernen Chicago gestorben. In zwei autobiographischen Werken hat Fittko sowohl die Vorgeschichte zu den Exiljahren („Solidarität unerwünscht. Meine Flucht durch Europa“, 1992), wie auch die eigentliche Exilerfahrung (,‚Mein Weg über die Pyrenäen“, 1985) eindrucksvoll und aus der Sicht einer „politischen Schriftstellerin“, als die sie sich selbst sah, beschrieben. Als Elizabeth Ekstein kam Lisa Fittko am 23. August 1909 im heute ukrainischen Uzgohrod (ungarisch: Ungvär), einer Stadt an der nordöstlichen Grenze der ungarischen Hälfte des Habsburgerreiches, zur Welt; ein Jahr zuvor kam dort auch ihr ein Jahr älterer Bruder Hans zur Welt. Die Mutter, Julie „Teriko“ Fittko, war die Schwester der Wiener Malerin Malvina „Malva“ Schalek, die 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Der Vater, Ignaz Ekstein, trat zunächst als Schriftsteller und Redakteur hervor. Bald siedelte sich die aus dem deutschsprachigen böhmischen Judentum stammende Familie in Wien an, wo Ignaz Ekstein 1916 bis 1920 die kulturpolitische Wochenschrift „Die Waage“ herausgab, die ab 1918 „Die Wage“ hieß. Das idealistische Projekt zehrte das persönliche Kapital der Eksteins auf, was dazu führte, dass die Zeitschrift nicht mehr finanzierbar war und die Familie 1922 nach Berlin zog, wo sich der Vater fortan im Handelsgeschäft betätigte. Auch wenn der Vater jetzt nicht mehr direkt mit der Politik in Verbindung stand, so wuchs Lisa Fittko doch in einem linken intellektuellen, politischen Umfeld heran. In Berlin wurde sie vom progressiven kulturellen Geist der Stadt inspiriert, gleichwohl verlor die Jugendliche die gewaltigen sozialen und politischen Spannungen nicht aus den Augen. In „Mein Weg über die Pyrenäen“ schrieb sie: „In diesem Berlin gab es immer mehr Arbeitslose, immer mehr Hunger. Braune Horden ermordeten rücksichtslos ihre politischen Gegner und versuchten, die Stadt zu terrorisieren. Doch das Berlin meiner Erinnerung blieb auch weiterhin schön und glücklich, wir waren bereit, es gegen die Nazi-Gefahr zu verteidigen.“ Als Mitglied des „Sozialistischen Schülerbundes“ gehörte die Teilnahme an Demonstrationen zum Alltag von Fittko, aber auch an den blutigen Straßenkämpfen, der sich im Berlin der ausgehenden Weimarer Republik geradezu militant gegenüberstehenden Linken und Rechten nahm sie aktiv teil. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich bis 1933 als Fremdsprachen