korrespondentin in einer Bank. Nach der Machtübernahme der
Nationalsozialisten wurde ihr als Jüdin, zudem der antifaschi¬
stischen Bewegung angehörend, gekündigt.
Während die Eltern unmittelbar nach Hitlers Machtantritt flo¬
hen, beschloss die Tochter in Berlin zu bleiben und Widerstand
zu leisten. Flugblätter schreibend und verteilend — in der
Hoffnung, dass sich eine Mehrheit für den Widerstand finden
ließe - spielte sich ihr Leben mehr und mehr im Untergrund bzw.
in der Illegalität ab. Erst als sie bei der Flugblattverteilung ent¬
deckt wurde und die Verhaftung bevorstand, flüchtete sie im
Herbst 1933 über die tschechoslowakische Grenze, zunächst
nach Leitmeritz (Litom&fice) zu Verwandten, dann weiter nach
Prag. Hier lernte sie den gelernten Philosophen und Journalisten
Bruno Frei kennen, der ihr einen tschechoslowakischen Inte¬
rimspass vermittelte. In Prag begegnete sie aber auch dem eben¬
falls aktiven Sozialisten und politischen Flüchtling Johannes
„Hans“ Fittko; sie heirateten 1934 in Prag. Es sollte noch viel
gemeinsame „Grenzarbeit“ aufdas Paar zukommen. Hans Fittko,
gelernter Diamantschleifer, aber als Journalist tätig, organisierte
an der deutsch-tschechischen Grenze Aktivitäten zum Wi¬
derstand, woraufhin eine deutsche Dienststelle die tschechische
Regierung aufforderte, ihn des Landes zu verweisen. Das Paar
verließ Prag gemeinsam und ging 1935 in die Schweiz.
Von Basel aus schickten die Fittkos regelmäßig illegale Literatur
nach Deutschland und trugen Informationen von dort zusam¬
men, die sie in ihre antifaschistischen Flugschriften für den Wi¬
derstand im Deutschen Reich einfließen ließen. Das strategisch
günstig gelegene Basel bot sich zudem an, Kontaktstellen im
nahen Frankreich aufzubauen. Wieder drohte große Gefahr, in¬
dem die Gestapo ein Auslieferungsbegehren für Hans Fittko an
die Schweiz richtete, dem die dortigen Behörden bereitwillig
stattgaben. Gerade noch rechtzeitig konnte sich das Paar dem
Zugriff entziehen und nach Amsterdam flüchten. Dort- und von
Apeldoorn aus — wurde die Widerstandsarbeit unermüdlich fort¬
gesetzt. Lisa Fittko war des Niederländischen mächtig, denn in
der schweren Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verbrachte sie das
Jahr 1919 im Rahmen einer Aktion Erholungsaufenthalte für
Wiener Kinder in Holland, wo sie auch die Schule besuchte.
Wieder wurden Publikationen über die Grenze nach Deutsch¬
land transferiert; vor allem aber waren die Fittkos mit ständig
wechselnden Quartieren Anlaufstelle für Flüchtlinge und Wi¬
derstandskämpfer aus dem Deutschen Reich. Nachdem jedoch
einige der Kontaktpersonen in Deutschland verhaftet wurden,
floh das Paar 1938 erneut. Zur nächsten Zwischenstation wur¬
de Paris.
Der Fluchtpunkt Paris sollte alles andere als im Sinne einer
menschlichen Solidargemeinschaft verlaufen. Zwar lebten dort
bereits die Eltern und der Bruder von Lisa Fittko, aber die de¬
solate finanzielle Situation, die beengten Unterkünfte und die
ständigen Diskrepanzen unter den Emigranten, von denen sich
die meisten — irgendwie verständlich — selbst am nächsten stan¬
den, ließen die Fittkos die oftmals so negativen persönlichen
Exilerfahrungen machen. Hinzu kam, dass an Résistance ge¬
gen das nationalsozialistische Deutschland so gut wie nicht zu
denken war.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, am Morgen des 1.
September 1939, verschlechterte sich die Lage nochmals dra¬
stisch, denn die deutschen und österreichischen Exilierten wur¬
den in Frankreich zu „ressortisants &nnemis“, zu feindlichen
Ausländern erklärt. Bald darauf, noch im September 1939, ließ
die französische Regierung sie internieren. Zunächst wurden die
Emigranten in Paris u.a. im Stade Colombes oder Velodröme
d’hiver festgehalten, dann wurden Frauen und Männer von¬
einander getrennt und in Sammellager verschleppt. Während
Hans Fittko nach Vernuche bei Nevers kam, mit dabei waren
Walter Benjamin, Hans Sahl, Max Aron und Hermann Kesten,
deportierte man Lisa Fittko in das südfranzösische Frauenlager
Gurs, im Departement Basses-Pyren&es. Der Empfang in Gurs
muss deprimierend und ernüchternd gewesen sein. In ihren
Erinnerungen hielt sie dazu fest: „Es ging über eine enge Brücke.
Auf beiden Seiten standen baskische Bauersfrauen; feindseli¬
ge Augen starrten uns an (...) Wortlos spuckten sie uns an und
warfen Steine.“ Die durch das Anrücken des deutschen Militärs
entstandene Konfusion bei der französischen Lagerleitung nutz¬
te Fittko mit einigen anderen Frauen, um aus dem Lager zu flie¬
hen. Sie schlug sich durch nach Toulouse, wo ein Telegramm
ihres Mannes sie erreichte, von dem sie seit der Internierung
nichts mehr gehört hatte. Im nahe gelegenen Montauban tra¬
fen sie sich und gelangen vereint nach Marseille, von wo aus
die Flucht nach Übersee in die Wege geleitet werden sollte.
Neben den Fittkos warteten in der Hafenstadt am Mittelmeer
unzählige verzweifelte Menschen auf Pässe, Visen oder
Schiffspassagen. Schließlich kamen Lisa und Hans Fittko in den
Besitz chinesischer Einreisepapiere, deren Schriftzeichen, von
einem Freund übersetzt, lauteten: „Dem Inhaber dieses Do¬
kuments ist es strengstens verboten, unter irgendwelchen
Umständen und zu irgendeinem Zeitpunkt chinesischen Boden
zu betreten.“ Es waren aber nicht die abstrusen Sichtvermerke
in den Pässen, an denen die Ausreise scheiterte, sondern das
Waffenstillstandsabkommen zwischen Nazideutschland und der
Vichy-Regierung unter Marschall Philippe Pétain; nach Artikel
19 waren alle Fliichtlinge auf Verlangen auszuliefern. Einen ,,le¬
galen“ Weg, Frankreich zu verlassen, gab es nicht mehr. Die
Fittkos planten die Flucht über die Pyrenäen, was akribisch vor¬
zubereiten war. Lisa Fittko fiel Mitte September 1940 der Part
zu, einen sicheren Fußweg auszukundschaften. Der sozialistische
Bürgermeister von Banyuls-sur-Mer, Monsieur Az&ma, unter¬
stützte sie dabei und erklärte ihr die „Route Lister“, einen ehe¬
maligen Schmugglerpfad, der während des Spanischen
Bürgerkriegs von General Enrique Lister — allerdings in um¬
gekehrter Richtung — benutzt wurde, um seine besiegten Truppen
aus Spanien herauszubringen. Im Morgengrauen des 26.
September 1940 brach Fittko von Banyuls aus mit ihrer ersten
» lest“-Gruppe auf, mit dabei Henny Gurland, sie wurde 1944
Erich Fromms zweite Ehefrau, und deren Sohn Joseph, um, die
Pyrenäen überquerend, nach Spanien zu gelangen. Sie misch¬
ten sich unter eine Gruppe Bauern, die noch vor Sonnenaufgang
zur Arbeit in die Weinberge aufbrachen. Dadurch blieben sie
beim Verlassen des Ortes unentdeckt. Unterwegs stieß Walter
Benjamin dazu, der wegen seiner schlechten körperlichen Kon¬
stitution einen Erkundungsgang vom Vortag dazu benutzt hat¬
te, die erste Etappe eines rund halbtägigen Auf- und Abstiegs
hinter sich zu bringen, um — die Nacht im Freien verbringend
— auf die Rückkehr der Gruppe zu warten. Der illegale Grenz¬
übertritt verlief ohne gravierende Komplikationen und die
Gruppe erreichte am Nachmittag auf spanischer Seite das schein¬
bar rettende Port Bou. Von hier aus sollte die Reise im Zug nach
Lissabon weitergehen und von dort aus, so die Hoffnung, soll¬
te man ohne größere Schwierigkeiten in die Vereinigten Staaten
gelangen können. Alles kam anders: Die spanischen Gendarmen