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den „Februar-Direktor“ Hinner. Der war nun einem „MärzDirektor‘ gewichen. Bei Hochwürden Pichler war noch in der Nacht auf den 12. März der christliche Fahnenträger Wozelka aufgekreuzt, in SA-Uniform und ausreichend begleitet, und hatte ihn abgeführt. Es „fehlten“ auch einige andere Herren. Es fehlten auch mehrere Mitschüler in der 6B, wo die „Nichtarier“ nun weisungsgemäß auf abgesonderten Banken zu sitzen hatten und nicht mehr ich, sondern der in funkelnagelneuer HJ-Koppel amtierende Walter Zehner Klassensprecher (und „Klassenführer‘) war, wie er mir bündig bekanntgab. Bernhard fehlte. Fritzl Sauer fehlte. Ersterer Jude, letzterer ganz und gar nicht. Beider Väter waren verhaftet. „Rotlauf.“ Professor Berger, zuständig für unsere Geschichtskenntnisse, erschien, das Parteiabzeichen im Knopfloch, hielt — wie er versicherte, „noch atemlos von den historischen Ereignissen“ -— eine Rede über die nun erfüllbar gewordene Mission unseres deutschen Volkes“, dann kommandierte Walter Zehner: „Stillgestanden! Wir singen das Deutschland-Lied!“ Diesmal galt kein „Seid einig“ beim Singen der Hymne. Die Juden - sie waren eben keine Deutschen — hatten schweigend strammzustehen, unter den anderen kannten einige den Text noch nicht — und drei gab es, die wollten ihn nicht kennen. Drei Burschen aus Arbeiterfamilien. Für ihr Schweigen werde ich ihnen mein Leben lang dankbar bleiben. Es war die erste mich voll erreichende Botschaft aus einer gesellschaftlichen Region, die mir bald Heimat werden sollte. Doch das erfaßte ich damals noch nicht. Arthur West, eigentlich Rosenthal (1922 Wien — 2000 Wien), flüchtete 1939 nach England, wurde im Mai 1940 auf der „Dunera“ nach Australien deportiert, konnte im Herbst 1941 wieder nach London zurückkehren; Funktionär der Jugendorganisation „Free Austrian Youth“ und Freundschaft mit Erich Fried und Theodor Kramer. 1943 Heirat mit Edith West, deren Familiennamen er annahm. West meldete sich 1943 freiwillig zur britischen Armee. Nach Wien zurückgekehrt, wurde er Lektor des Globus-Verlages und später Kulturredakteur der Tageszeitung „Volksstimme“. West wurde vor allem als Lyriker bekannt. Posthum erschien 2002 der schön ausgestattete „Versuch einer Werkausgabe“ in drei Bänden (zusammen 498 Seiten im Schuber) bei der Edition Schwarzbuch in Berlin. (Beziehbar zum Preis von Euro 50,- über den Buchhandel oder über Edith West, A-1100 Wien, Triester Str. 73/12). Im März 1943 hatte ich gerade die Aufnahmeprüfung in das staatliche Gymnasium „Colegio Nacional de San Isidro“ bestanden und befand mich nun in einer Klasse mit 27 privilegierten Jugendlichen, die, nach den in Argentinien gültigen Bestimmungen, kostenlos in 5 Jahren das Abitur machen durften. Staatsbürgerschaft, Religion oder Rasse spielten dabei keinerlei Rolle. Die meisten meiner Mitschüler stammten aus bürgerlichen Mittelstandsfamilien. Darunter war auch der groß gewachsene und blonde German Armando Plett, Sohn eines Glasermeisters mit deutschen Vorfahren, der so tat als wiisste er alles, besonders über den gerade tobenden Weltkrieg. Sein Gegenstück war der rundliche Guillermo Mintz, Sohn eines gut situierten Kaufmannes, dessen zweiter Vorname Isaac seinen Ursprung allzu deutlich verriet. Zu allem Überfluss hatte er noch Plattfüße und eine etwas zu dick geratene und krumme Nase. Das verleitete Plett immer wieder zu spöttischen Bemerkungen. In den Pausen verkündete Plett oft recht laut, für alle die es hören wollten (oder auch nicht), seine Meinungen und sein unermessliches Wissen. So erfuhren wir eines Tages, dass es den deutschen Wissenschaftlern gelungen ist fantastische Wunderwaffen zu entwickeln, mit denen „wir“, wie er meinte, nun den Krieg endgültig und schnell gewinnen würden. Er setzte natürlich voraus, dass „wir“ alle auf seiner und Hitlers Seite waren, ausgenommen Guillermo Isaac Mintz und der schweigsame Pablo Vicente Lloyd, Sohn eines englischen Geschäftsmannes und einer charmanten Dänin, den wir alle Paul nannten, wie man es auf Englisch ausspricht. Guillermo und Paul waren allerdings meine besten Freunde. Das Wissen des Germän Armando Plett stammte aus der „Deutschen La Plata Zeitung‘ und aus den Radiosendungen des Deutschen Reichs, denen er nachts andächtig lauschte. Er schwärmte damals von den erfolgreichen strategischen Rück13