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Noch am 10. Juni 1938 hatte uns Onkel Felix nach Argentinien geschrieben: Jetzt ist es endlich entschieden, was mit mir geschehen wird. Nach dem Sonntag, 5. Juni, erschienenen Gesetz kann ich erstens, weil ich Mischling bin, zweitens, weil ich mit einem Mischling verheiratet bin, nicht im Dienst bleiben. Er war bis dahin Gymnasiallehrer für Physik und hatte ein Amt im Stadtschulrat der Stadt Wien. Er wurde gegen eine geringe Abfindung im Alter von 32 Jahren in den Ruhestand versetzt, suchte Arbeit in der Industrie und machte schließlich eine Lehre als Radio- oder Elektrotechniker. So bekam er irgendwann doch eine Stelle und dann die Versetzung nach Berlin, laut Karls Eintrag im Heftchen, zur Firma Lorentz. Hier störte sich niemand an seiner nichtarischen Herkunft, er arbeitete Ja für ein kriegswichtiges Ziel. Und hier war er wohl im Frühjahr 1943. Sein Bruder Eduard, der engagierte Sozialdemokrat, war zu der Zeit in einem Internierungslager in England. Aus dem Buch ,,Todesstrahlen als Lebensretter. Tatsachenberichte aus dem Dritten Reich“ von Pedro Waloschek (Hamburg: Atelier OpaL Productions 2004. 240 S. Hardcover ISBN 3-8334-0979-7 Euro 34,-; Paperback ISBN 3-8334-1616-5 Euro 15,90 Euro. — Pedro Waloschek, geb. als Sohn ésterreichischer Eltern 1927 in Dresden, studierte in seinem Exilland Argentinien Physik an der Universität von Buenos Aires; Forschungen auf dem Gebiet der Teilchenphysik in Göttingen, der Schweiz und in Italien; zuletzt 1968-94 „leitender Wissenschaftler“ am Forschungszentrum DESY in Hamburg. Waloschek lebt in Hamburg. — Zu seinem Vater, dem Architekten Hans Waloschek, vgl. Mdz Nr. 2/1999, S. 65. Im Jänner 1946 erfuhr der Oberbürgermeister von Kiel, Dr. Otto Tschadek, erstmals, dass er drei Monate zuvor, am 25. November 1945, ohne sein Wissen in den Nationalrat der wiedererstandenen Republik Österreich gewählt worden war: „So machte ich mich Ende Jänner auf die etwas abenteuerliche Fahrt, die bis zur Ennsbrücke glatt verlief. Der Zoneneinteilung unkundig, stand ich ratlos vor dem Schranken und habe schließlich kehrt gemacht, um mich in Linz mit Bürgermeister Dr. Koref in Verbindung zu setzen. [...] Von ihm erhielt ich den ersten eingehenden Bericht über die Verhältnisse in Österreich und er beschaffte mir in liebenswürdiger Weise Quartier, Lebensmittelkarten und Schillinge und, was das wichtigste war, eine rosa Kennkarte, mit der ich die Fahrt nach Wien fortsetzen konnte.“ So kafkaesk begann im Nachkriegsösterreich die politische Karriere eines der wichtigsten Gründerväter der Zweiten Republik. Grund genug vielleicht sich zu fragen, wer dieser Mann aus Kiel eigentlich war, den ein Parteifreund einmal „ein[fen] Mann eigenartigen geistigen Wuchses“ genannt hat und dessen 100. Geburtstag in das heurige Jahr fällt. Otto Tschadek wurde 1904 als Sohn eines Oberlehrers im niederösterreichischen Trautmannsdorf geboren, wuchs aber in Sarasdorf auf, wo er 1923 als Maturant der sozialdemokratischen 16 Lokalorganisation beitrat: „Mein Vater war als Lehrer national gesinnt und hat stets deutschnational gewählt. Meine Schwester war Klosterschülerin, trat später in den Ursulinenorden ein und war daher christlichsozial eingestellt. [...] Vor Wahlen wurde in der Familie viel und leidenschaftlich diskutiert. Dann ging jeder mit seinem Stimmzettel zur Wahl. Nur die Mutter wählte nicht. Sie wollte niemand wehe tun und den Ausgleich der Parteien in der Familie nicht stören.‘ So schrieb er viele Jahrzehnte später in seiner 1960 erschienen Autobiographie „Erlebtes und Erkanntes“. 1916 wurde Tschadek in die k.u.k. Militärrealschule Bruck an der Leitha gegeben, eine Entscheidung, die der Jugendliche offenbar durchaus goutierte: „Wie jeder Junge war ich stolz auf die Uniform, und im Dorf gab mir der schmucke Waffenrock ein unbestrittenes Ansehen.“ Wie etwa die Beispiele der Militärzöglinge Rilke und Musil zeigen, war wohl nicht unbedingt „jeder Junge“ wirklich glücklich in den österreichisch-ungarischen Militärrealschulen, in denen vor allem in den letzten Jahren der Donaumonarchie vielfach Sadismus und Masochismus an der Hackordnung waren. Der junge Tschadek sah das aber völlig anders — und schrieb noch 1960: „Entscheidend für mich war, daß ich jung Ordnung und Unterordnung gelernt habe, Kameradschaft und die Bereitschaft, füreinander einzuste