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der falschen Versöhnung der Kultur — eben nicht zu trennen ist. Die Wirkung Schönbergs steht gerade darin der von Karl Kraus sehr nahe. (Vgl. hierzu das Gespräch mit Herta Blaukopf, das Renate Göllner geführt hat: „Leben und Überleben im Dritten Reich — Über das unterirdische Fortwirken der Schönberg-Schule“, ZW Nr. 2/2002, sowie den Artikel über Herta Blaukopf im vorliegenden Heft.) Manches davon wird in dem angeregten und anregenden Gespräch zwischen Reinhard Kapp und Gösta Neuwirth berührt, denn hier geht es um die Situation der Schönberg-Schule nach ‘45, wie sie abseits des offiziellen Musiklebens von Lehrern wie Wildgans und Ratz geprägt wurde. Noch in diesem Gespräch wie auch in mancher anderen Diskussionspassage des Buchs treten, wenn auch im übertragenen Sinn, die Grundzüge der Aufführungslehre hervor: ein Akzidens, wird mit Bestimmtheit zum Wesentlichen, wie wenig auch die Konkretion von ORPHEUS IN DER ZWISCHENWELT dem umfassenderen Idiom äußerlich abgetrennt werden kann. Und die Intervention von Georg Knepler, er halte es für einen Fehler, das „Hauptaugenmerk auf Stil- und Aufführungsfragen“ zu lenken, da die Musik doch von „den großen Menschheitsproblemen handelt“, gehört selbst noch zur Lehre. Denn durch sie sind die anderen Diskussionsteilnehmer und Referenten gezwungen, sich dieser Frage zu stellen und es kristallisiert sich heraus, daß es darum gehen müßte, wie die Musik von den großen Menschheitsproblemen handelt, da doch von Mittel und Vermittlung, welcher Zweck auch gesetzt sei, im Ästhetischen so wenig wie im Moralisch-Politischen abstrahiert werden kann. Markus Grassl, Reinhard Kapp (Hg.): Die Lehre von der musikalischen Aufführung in der Wiener Schule. Verhandlungen des Internationalen Colloquiums Wien 1995. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2002. 823 S. Anfang Februar fand am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg die erste wissenschaftliche Tagung statt, die sich speziell mit dem Thema „Musiktheater im Exil der NS-Zeit“ beschäftigte. Obgleich in den letzten 25 Jahren die musikwissenschaftliche Exilforschung in zahlreichen Publikationen und Tagungen, in Arbeitsgruppen und Forschungsinstitutionen das Thema des musikalischen Exils bereits aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt hat, ist der Bereich des Musiktheaters bisher nicht Gegenstand übergeordneter Untersuchungen gewesen. Dass diese Lücke jetzt am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg geschlossen wurde, ist sicherlich kein Zufall. Seit zwanzig Jahren ist die Beschäftigung mit NS-verfolgten Musikern und deren künstlerischer Arbeit ein Forschungsschwerpunkt in Hamburg. Seit dieser Zeit existiert die Arbeitsgruppe Exilmusik Hamburg, 1991 fand in Hamburg mit dem DFG-gestützten Kolloquium „Musik im Exil“ eine der ersten großen Tagungen zu diesem Thema in Deutschland statt und mit Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen lehren zur Zeit zwei ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg. Im Februar diesen Jahres ist zudem das DFGProjekt „Online-Lexikon exilierter Musiker und Musikerinnen der NSZeit“ angelaufen. Dementsprechend vielfältig und substantiell war auch die Hamburger Konferenz. In sechzehn Vorträgen wurde sich unter verschiedenen Fragestellungen mit den theaterspezifischen Aspekten des musikalischen Exils auseinandergesetzt. Der Tagung wurde klugerweise ein erweiterter Exilbegriff zugrunde gelegt, der nicht nur die erfolgreiche Flucht aus Nazi-Deutschland thematisiert, sondern auch die Verfolgung von Musikerinnen und Musikern innerhalb Mitteleuropas sowie den Aspekt der nicht geglückten Flucht, der Deportation und Vernichtung in den deutschen Konzentrationslagern mit einschließt (vertreten durch Ingo Schultz’ Beitrag zur im KZ Theresienstadt komponierten und geprobten Oper „Der Kaiser von Atlantis‘ von Viktor Ullmann). In seiner Eröffnungsansprache benannte Peter Petersen mehrere durch das theatrale Genre bedingte Aspekte, die für das Thema wesentlich sind. So habe das Musiktheater im Exil als plurimediale Form insbesondere durch die Medien „Wort“ und „Szene“ einen exponiert öffentlichen Charakter, der offene oder versteckte Stellungnahmen zur zeitgeschichtlichen Situation ermögliche. Gleichzeitig hätten die Opernhäuser in den Gastländern zum einen oftmals ein eher konservatives Repertoire gehabt, welches es den exilierten Komponistinnen und Komponisten erschwerte, wahrgenommen zu werden, und zum anderen spezifisch regionale Traditionen gepflegt, die von den Exilierten ei24 ne künstlerische Anpassung an den Stil des Repertoires und den Geschmack des Publikums erforderten. Bereits am Eröffnungstag wurde mit den Vorträgen von Claudia Maurer Zenck zur „Salzburg Opera Guild“ in Amerika und von Barbara von der Lühe zur Geschichte der Oper in Palästina an zahlreichen bisher unbekannten Quellen die ganze Spannbreite der Bedingungen des Musiktheaters in zwei der wichtigsten Exilländer angesprochen. In den beiden folgenden Tagen gab es länderspezifische Vorträge zum Musiktheater in Frankreich (Beate Angelika Kraus), der Türkei (Burcu Dogramaci), Italien (Fiamma Nicolodi), Kanada (Albrecht Gaub), und Australien (Albrecht Dümling). Mehrere Vorträge befassten sich mit den Exilländern USA und England. Es wurden hier sowohl Einzelaspekte vorgestellt (Jutta Raab Hansen: „Musiktheater unter den Häftlingen der Isle of Man“, Michael Fend: „Das GlyndebourneExperiment“), als auch bestimmte Musiker und deren Exilbiographien in den Mittelpunkt gestellt (Barbara Busch: „Kurt Jooss und Berthold Goldschmidt im englischen Exil“, Friedrich Geiger: „Weimar und die USA. Das Beispiel Richard Mohaupt“, Friederike Fezer: „Irr- und Umwege eines Opernregisseurs im Exil: Paul Walter Jacob“). Zwei Vorträge befassten sich mit übergeordneten, vergleichenden Darstellung des musikalischen Exils — Christoph Dompke in Bezug auf „Operette, Musical und Kabarett“, Sophie Fetthauer in Bezug auf „Opernsänger und -sängerinnen“. Im Abschlussvortrag ging Peter Petersen anhand eines analytischen Vergleichs von Paul Dessaus ,,Hagadah shel Pessach“ und Kurt Weills „Weg der Verheißung“ Aspekten der kompositorischen Auseinandersetzung mit der Exilsituation nach. Ergänzt wurde die Tagung durch die gelungene Aufführung zweier Exilwerke durch Studierende der Hochschule für Musik und Theater Hamburg unter Leitung von Gesa Werhahn: Ernst Kreneks Kammeroper „Vertrauenssache“ und Ausschnitte aus Kurt Weills Operette „Der Kuhhandel“. Trotz (oder gerade wegen) der zahlreichen neuen Erkenntnisse, Dokumente und Quellen, die in den Vorträgen dieser Tagung vorgestellt wurden und die im Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft veröffentlicht werden sollen, machte die Hamburger Konferenz zum Musiktheater im Exil aber auch deutlich, dass hier noch viele unbearbeitete Felder liegen und die musikwissenschaftliche Exilforschung — obwohl sie bereits in den letzten Jahren stark intensiviert worden ist — speziell in der systematischen Untersuchung übergeordneter Aspekte der Exilmusik (wie in Hamburg am Beispiel des Musiktheaters verdeutlicht) noch viele wichtige Ergebnisse erzielen kann. Mathias Lehmann