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Am 15. Juni erließ das Innenministerium eine Verhaftungsanordnung, wonach alle jüdischen Männer mit deutscher, polnischer und „ehemals tschechischer“ Staatsangehörigkeit sowie alle staatenlosen Juden festzunehmen und in die örtlichen Gefängnisse einzuliefern waren. Hier verbrachten sie meist mehrere Wochen unter oft unsäglichen hygienischen Bedingungen, und sie wurden mehr oder weniger wie gewöhnliche Kriminelle behandelt. Danach wurden sie in ein meist in Mittel- und Süditalien gelegenes Internierungslager, offiziell als „Konzentrationslager“ bezeichnet, überführt. Die Frauen und Kinder wurden in der Regel von der Verhaftung ausgenommen und zu einer Präfektur, ebenfalls überwiegend in Mittel- und Süditalien, geschickt, die sie einer Gemeinde in ihrer Provinz zur sogenannten „freien Internierung‘“ zuwies.” Im Zeitraum zwischen Juni 1940 und dem Beginn der deutschen Besetzung Italiens nach dem Waffenstillstand der Regierung Badoglio mit den Alliierten am 8. September 1943 sind über vierzig Internierungslager für Ausländer bekannt. Sie wurden bis auf zwei Ausnahmen in bereits bestehenden Gebäuden errichtet, die zur Aufnahme und Bewachung einer größeren Zahl von Menschen, im allgemeinen nicht über hundert, geeignet waren: Landvillen, Stadthäuser, Schulen, Hotels, Klöster. Es gab auch fünf Frauenlager, in die alleinstehende Frauen eingeliefert wurden, wenn sie etwa als politisch verdächtig oder als Prostituierte galten. Das größte Lager und zugleich eines der beiden zum Zweck der Internierung angelegten Barackenlager befand sich in Ferramonti-Tarsia nördlich von Cosenza in Kalabrien. In den letzten Monaten vor der Befreiung durch die Alliierten im September 1943 waren hier 2.000 Internierte, davon 1.500 Juden, in 92 Baracken untergebracht. FerramontiTarsia war lange Zeit auch das einzige Lager, das für Männer und Frauen bestimmt war und wo ab Ende 1940 Familienbaracken bezogen wurden.” Die „freie Internierung“, mit der in der Sprache der Behörden eine Internierung außerhalb eines Lagers gemeint war, wurde in einer Stadt- oder Landgemeinde vorgenommen und glich einem Zwangsaufenthalt. Die Internierten mußten sich ein bis zwei Mal am Tag beim örtlichen Polizei- oder Carabinieriposten melden, durften nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ausgehen und dabei einen festgelegten Ausgangsbereich nicht ohne Genehmigung überschreiten. Auf Vermittlung des Vatikans wurden ab Ende 1941 Familien in der „freien Internierung“ zusammengeführt. Etwa vom selben Zeitpunkt an waren in Ferramonti-Tarsia auf Antrag Entlassungen in die „freie Internierung“ möglich. Viele, die dabei eine Gemeinde in Mittel- und Norditalien zum Aufenthalt wählten, wurden später, während der deutschen Besetzung, nach Auschwitz deportiert.” Im Oktober 1940 waren nach einer Statistik des Innenministeriums bereits 2.412 von 3.874 ausländischen Juden in Lagern oder „frei“ interniert. Ihre Zahl stieg bis Mai 1943 auf 6.386 (2.047 in Lagern und 4.339 in Gemeinden, jetzt auch in Norditalien). Ausschlaggebend für den Anstieg war die Überführung auf die Apenninenhalbinsel von 2.800 — 2.900 Juden aus den von Italien annektierten und besetzten Gebieten Jugoslawiens und Albaniens, die sich dorthin vor der Verfolgung durch den faschistischen Ustascha-Staat in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und durch die deutsche Militärverwaltung in Serbien geflüchtet hatten, sowie die Aufnahme in FerramontiTarsia von 509 Passagieren des Donauraddampfers ,,Pentcho“, die, nachdem sie auf der Fahrt nach Palästina bei Kreta Schiffbruch erlitten hatten, von der italienischen Marine gerettet worden waren.’ Nach der Schließung der italienischen Grenze im Mai 1940 gelangten österreichische Juden während des Krieges bis zur deutschen Besetzung nur noch über Jugoslawien nach Italien. Die Überwindung der deutsch-italienischen Grenze ist nur in einem einzigen Fall für eine Journalistin aus Wien bezeugt.” Für den Fluchtweg über Jugoslawien bilden zwölf Jungen und Mädchen aus Wien und ein Junge aus Graz ein Beispiel. Sie gehörten zur Gruppe von 73 Kindern aus Deutschland, Österreich und Jugoslawien, die später in der Villa Emma in Nonantola Unterkunft fanden. Sie wurden bald nach der deutschen Besetzung Zagrebs im April 1940 von dort in den von Italien annektierten Teil Sloweniens gebracht, von wo sie ein Jahr später nach Nonantola gelangten.” Zur Zahl der österreichischen Juden in der Internierung gibt es nur einen verläßlichen Hinweis, der auf Nachforschungen von Internierten beruht. Demnach befanden sich im August 1943 in Ferramonti-Tarsia 234 österreichische Juden, was 15,6 Prozent der Gesamtbelegung des Lagers entsprach. Davon ausgehend darf man zu diesem Zeitpunkt auf etwas über 1.000 österreichische Juden in ganz Italien schließen, von denen einige - Alte, Frauen und Kinder - nicht interniert waren. Vom Kriegseintritt Italiens bis zum Beginn der deutschen Besetzung konnten ungefähr 700 ausländische Juden in andere Länder ausreisen. Wieviele von ihnen Österreicher waren, läßt sich nicht mehr ermitteln.* Das Leben in den Internierungslagern und an den Orten der „freien Internierung‘“ war hart und entbehrungsreich. Mittellose erhielten für ihren Unterhalt einen Tagessatz von 6,50 Lire, der mit fortschreitender Inflation erhöht wurde. In der „freien 29