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stunden des 4. Januar 1944 werden die Ehepaare Löwy und Riesenfeld von deutschen Polizisten festgenommen. Einer erschießt mit dem Revolver vor den Augen Marthas kaltblütig ihren kleinen Hund - eine Grausamkeit, die nicht nur den vier zu Tode Erschreckten den Atem raubt, sondern auch noch uns nach 60 Jahren. Die Gefangenen werden ins Gerichtsgefängnis von Trient überstellt. Hier werden die Männer und die Frauen getrennt. Mitten im hochwinterlichen Januar sind sie Opfer jeder Art von Erniedrigung. Sie leiden Hunger — wir wissen das aus einigen Briefen, die sie aus dem Gefangnis herausschmuggeln konnten. „Wir sitzen den ganzen Tag in der Kälte und schlafen in den Kleidern, um nicht ganz zu frieren, dazu die Ungewissheit, was mit uns geschehen wird ...“ schreibt Johanna auf deutsch an ihre Freundin Valeria. Nach sechs Wochen Gefängnis werden die vier ins Polizei- und Durchgangslager Fossoli bei Carpi in der Provinz Modena überstellt. Am 22. Februar 1944 werden sie dann mit demselben Transport wie Primo Levi nach Auschwitz deportiert. Der Zug, der aus hermetisch abgeschlossenen Viehwaggons besteht, erreicht Auschwitz nach einer Fahrt von vier Tagen und vier Nächten quer durch das von Eis und Schnee bedeckte Europa. Viele Deportierte kommen schon tot an oder haben den Verstand verloren. Falls die Löwys noch am Leben waren, wurden sie nicht in die Arbeitstrupps eingeteilt und am linken Unterarm tätowiert, wie der damals zwanzigjährige Primo Levi (Nr. 174517), sondern entkleidet und in die Gaskammern getrieben, wie alle Alten, Kranken und Mütter mit ihren Kindern. Am Ende dieser Geschichte möchten wir Dorothea Ruml, geborene Liebgold, Johannas Schwester, das Wort erteilen. Sie überlebte die Shoah, weil sie mit einem Christen verheiratet war und sich vom Judentum abgewandt hatte. Wir zitieren aus einem Brief aus Wien an Valeria Jellici vom 12. Januar 1947: ... Nun bin ich ganz allein auf der Welt, denn auch meine ganze übrige Verwandtschaft wurde von den Nazi-Banditen umgebracht. Ich weiß nicht, wo ich den Mut und die Kraft hernehmen soll, um weiterleben zu können und bitte den Herrgott flehentlich, auch mich bald abzuberufen. ... wer nicht, wie wir hier, mit eigenen Augen mitangesehen hat, zu welchen Scheußlichkeiten die Nazi-Bestien fähig waren, der konnte die Größe der Gefahr nicht erkennen. Der Gedanke ist mir nur so furchtbar, auf welch entsetzliche Weise meine Lieben haben umkommen miissen ... 1984 benannte die Gemeinde von Moena die Hauptstraße des Ortes nach ihrem Ehrenbürger. Auf der Straßentafel steht geschrieben: „Richard Löwy, Opfer des Rassenhasses“. Dem bewegten und einzigartigen Leben von Richard Löwy sind die Ausstellung „Richard Löwy, ein Jude in Moena“, die am 25. Juni 2004 in Moena eröffnet, danach in Rovereto und Venedig (Jüdisches Museum der Stadt, vom 14. 4. bis zum 17. 7. 2005) gezeigt wurde und das dazugehörige Buch gewidmet. Kurator der Ausstellung und Autor des Buches ist Giorgio Jellici, der Neffe von Valeria Jellici, die in diesem Text mehrmals genannt ist. Die Ausstellung und das Buch wurden mit Hilfe von Fotographien, Briefen und wiederentdeckten Dokumenten aus der Hinterlassenschaft Löwys erarbeitet, die Valeria Jellici, seine Freundin, nach seiner Deportation aufbewahrt hatte. Der hier wiedergegebene Artikel von Giorgio Jellici faßt in großen Zügen den Inhalt seines Buches zusammen, in dem alle wichtigen bibliographischen Hinweise zu finden sind. Literatur Giorgio Jellici: Richard Löwy, un ebreo a Moena. Dalla Grande Guerra alla Shoah, Moena: Istitut Cultural Ladin 2004; Cinzia Villani, Zwischen Rassengesetzen und Deportation. Juden in Südtirol, im Trentino und in der Provinz Belluno 1933-1945 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 15). Innsbruck: Studienverlag Wagner 2003. Federico Steinhaus: Ebrei/Juden. Gli ebrei dell’Alto Adige negli anni trena e quaranta. Florenz: Giuntina 1994. Übersetzt von Christina Köstner. Giorgio Jellici, geb. 1935 in Trento (Italien). Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Trento, Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Padua und Ferrara. 1962 Abschluß mit Promotion. Achtunddreißig Jahre bei der Siemens AG tätig mit Einsätzen in einigen europäischen Ländern, in den letzten zwanzig Jahren als Manager in Spanien, Deutschland und Asien. Verheiratet seit 1966, drei Töchter. Die Maßnahmen gegenüber den ausländischen Juden Am 7. September 1938 leitete die faschistische Regierung mit dem Königlichen Gesetzesdekret Nr. 1381 die Verfolgung der Juden ein. In Artikel 4 hieß es: „Die ausländischen Juden, die sich am Tag der Veröffentlichung des vorliegenden Dekrets im Königreich, in Libyen und in den Besitzungen in der Ägäis befinden und ihren Aufenthalt nach dem 1. Januar 1919 angetreten haben, müssen das Gebiet des Königreichs, Libyens und der Besitzungen in der Ägäis binnen sechs Monaten vom Tag der Veröffentlichung des vorliegenden Dekrets an verlassen. Wer innerhalb des genannten Zeitraums dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, wird ... unter Anwendung der gesetzlich festgelegten Strafen ausgewiesen.‘ Die Frist zum Verlassen Italiens wurde auf den 12. März 1939 festgelegt. Betroffen von der Maßnahme waren ungefähr 9.000 ausländische Juden, unter ihnen 1.000 - 1.500 Österreicher. Um die Ausreise zu beschleunigen, übte das Innenministerium ständigen Druck aus. Viele Juden verließen deshalb Italien vor Ablauf der Frist. Da die italienische Grenze aber offen blieb, 39