Forschungsarbeit speziell über die Jahre
1944/45 vom oberen Drautal ausging, nach
Norditalien übergriff und von dort zum zen¬
tralen Stützpunkt der SOE in Süditalien wei¬
terging. Der hatte selbstverständlich Kontakt
mit Großbritannien und die Rekrutierten der
SOE kamen letztlich aus vielen Teilen
Deutschlands und Österreichs. Für die weite¬
re Arbeit Pirkers erwies es sich als Glücksfall,
dass er in den 1990er Jahren auf die italieni¬
sche Übersetzung eines Berichts des britischen
Geheimdienstoffiziers Patrick Martin-Smith
stieß. Da die Partisanenbewegung in Italien
Bedeutung hatte und ihre Traditionen weiter¬
gegeben werden, ist die Tätigkeit der Vetera¬
nenverbände sichtbar und man kann ihre
Kenntnisse und Publikationen nutzen.
Der Bericht Martin-Smiths ist von Peter
Pirker nun auf deutsch unter dem Titel
„Widerstand vom Himmel“ herausgegeben
worden. Der 1917 in London geborene Patrick
Martin-Smith studierte Geschichte, davon ei¬
nige Monate in Neapel. Diese Kenntnis von
und Liebe zu Italien, die seinen Bericht durch¬
ziehen, stammen also nicht nur aus seiner
Kampferfahrung. Der Offizier der britischen
Armee trat Anfang 1944 dem Kriegsge¬
heimdienst Special Operations Executive
(SOE) bei und war von Juli bis November
1944 Verbindungsoffizier bei den Partisanen
in Friaul mit dem Auftrag, auch ins Deutsche
Reich, also in österreichisches Gebiet hinein¬
zuwirken. Nach dem Sieg war Martin-Smith
bei der Alliierten Kontrollkommission in
Österreich, 1947 wechselte er zum britischen
Auslandsgeheimdienst MI 6.
Sein Bericht bezieht sich auf ein Italien nach
dem Sturz Mussolinis, nach der alliierten
Invasion in Süditalien, als das NS-Regime die
friulanisch-venetianischen Gebiete, Triest und
das ehemalige italienische Okkupationsgebiet
in Slowenien und Istrien zur Operationszone
Adriatisches Küstenland unter dem Kom¬
mando der mörderischen Kärntner SS-Männer
Globocnik und Rainer formieren wollte. 1944
gelang es den norditalienischen Partisanen¬
bewegungen, größere Gebiete Friauls als
Partisanenrepubliken kurzzeitig zu befreien.
Von den Partisanenterritorien aus wollte SOE
Verbindungen zu österreichischen Wider¬
standskräften herstellen und Aufstands¬
bewegungen in Österreich entwickeln helfen.
Patrick Martin-Smith bewegte sich gemein¬
sam mit anderen englischen Soldaten, Re¬
kruten vor allem aus sozialdemokratischen
Emigrantenkreisen und Überläufern aus der
Wehrmacht in Nordafrika 1944 in den Bergen
nördlich von Udine zur Karnischen Grenze
hin. Das Ziel, auf österreichischen Gebiet Fuß
zu fassen, konnte letztlich nicht erreicht wer¬
den, aber die friulanischen Befreiungsbewe¬
gungen konnten in einem gewissen Ausmaß
unterstützt werden. Martin-Smith berichtet mi¬
nutiös von Installierung und Aktionen der
SOE-Einheiten und gibt ein differenziertes
Bild vom Umfeld. Damit entsteht ein span¬
nender Einblick in den friulanischen Wider¬
stand. Martin-Smith zeigt eine weniger auto¬
ritätshörige und selbständigere Bevölkerung,
die sich zur Tat finden konnte, und das in al¬
ler Widersprüchlichkeit: Die kommunisti¬
sche dominierten Partisanen konkurrierten mit
eher bürgerlichen, die friulanischen Partisa¬
nen mussten sich mit dem Ausdehnungswillen
der slowenischen Partisanenarmee auseinan¬
dersetzen. Dazwischen bewegten sich ver¬
schiedenste bewaffnete Verbände des ehema¬
ligen italienischen Staates und die SS und die
Wehrmacht versuchten das ihre, nämlich
Terror zu entwickeln.
Die Partisanen bewegten sich im Bergland
Friauls laut Martin-Smith überwiegend vor¬
und umsichtig, um die Zivilbevölkerung
möglichst vor nazistischen Racheaktionen zu
schützen. Die Ursachen regionaler Besonder¬
heiten werden von dem historisch gebildeten
Offizier erhellt, und er verhehlt nicht die lo¬
gistischen Probleme und die konzeptionellen
Unklarheiten des SOE-Teams. Im Spätherbst
1944 begann die SS mit eigens herangezoge¬
nen Kosakeneinheiten die Partisanengebiete
zu besetzen, die Räume verengten sich und die
SOE-Missionen mussten sich meist über
Slowenien absetzen, sofern ihnen dies noch
möglich war.
Das Buch von Martin-Smith ist gut struktu¬
riert, facetten- und kenntnisreich, und ist, da
es im Duktus einer tragischen Abenteuer¬
geschichte geschrieben ist, spannend zu lesen.
Die vielen kleinen Orte, die bei Vormärschen
und Rückzügen eine Rolle spielten, sind auf
der Landkarte zu finden, die der Verlag im hin¬
teren Buchumschlag versteckt hat. Peter
Pirker hat interessante biographische Skizzen
über die bei SOE kämpfenden Emigranten, die
übergelaufenen ehemaligen Wehrmachts¬
soldaten bei den Missionen und die mit ihnen
zusammenarbeitenden Kärntner Partisanen
verfaßt und als erklärende Ergänzung dem
Text von Martin-Smith zur Seite gestellt.
Während Martin-Smith teilnehmend und er¬
eignisgeschichtlich berichtet, versucht Pirker
in seinem „Zeitgeschichte“-Artikel eine erste
Bilanz der britischen Initiative zur Ent¬
wicklung eines antifaschistischen Wider¬
standes in Kärnten, Tirol und eventuell Salz¬
burg. Das Konzept des 1940 gegründeten
Kriegsgeheimdienstes SOE war jenes der
„secret armies“; in den von Deutschen be¬
setzten Ländern sollten Aufstände und Wider¬
stand unterstützt werden. Die österreichische
Sektion der SOE betrachtete das italienisch
und deutsch besetzte Slowenien als Zu¬
gangsgebiet zu Österreich, um von dort aus
den österreichischen Widerstand zu unterstüt¬
zen. Das Unternehmen trug den Decknamen
Clowder Mission und hatte seine Versorgungs¬
und Ausbildungsbasis bei Bari; geplant war,
mit Hilfe der slowenischen Partisanen nach
Österreich zu gelangen.
Das britische Konzept war in erster Linie ein
militärisches: Der Aufstand gegen den „op¬
pressor“ sollte das NS-Regime schwächen.
SOE aber baute interessanterweise auf den na¬
tionalen Widerstandskampf der Österreicher,
und da SOE Mitglieder aus den österreichi¬
schen Emigrantenkreisen rekrutierte, geriet sie
schnell in die Kontroversen der österreichi¬
schen Exilpolitik. Die englischen SOE¬
Mitarbeiter stimmten auffällig mit den patrio¬
tischen Österreich-Auffassungen der kom¬
munistisch dominierten, größten Exil-Platt¬
form „Free Austrian Movement“ (FAM) übe¬
rein. Die Sozialdemokraten nahmen erst rund
um die Verlautbarung der Moskauer Dekla¬
ration Abstand vom gesamtdeutschen Wider¬
stand, aber aufgrund ihrer besseren Kontakte
zur österreichischen Bevölkerung waren sie
offensichtlich von größerem geheimdienstli¬
chen Interesse als die FAM.
SOE rekrutierte aus den „Pioneer Corps“, in
die ca. 1.000 österreichische Flüchtlinge meist
jüdischer Herkunft 1940 und 1941 eingetreten
waren, 30 Männer, die zu Agenten ausgebil¬
det wurden. Weitere Agenten wurden in nord¬
afrikanischen Kriegsgefangenenlagern rekru¬
tiert. Anfang 1944 landeten die ersten Clowder¬
Missionen in Slowenien, ihr Einsatz war von
viel Pech begleitet, es kam zu ernsthaften Kon¬
flikten zwischen den Agenten, den Briten und
den slowenischen Partisanen, weshalb SOE
begann, seinen vorgeschobenen Stützpunkt im
nordwestlichen Friaul bei den eher bürgerli¬
chen „Osoppo-Partisanen“ zu errichten. Der
größte Teil der Clowder-Missionen landete
dort und versuchte, Verbindungen nach
Oberkärnten und Tirol aufzubauen. Ihre Arbeit
war sehr gefährlich, viele Agenten fielen und
einen dauerhafteren Kontakt in österreichi¬
schem Gebiet konnten sie nicht aufbauen.
Es verwundert, dass der Weg von Slowenien
nach Südkärnten aufgegeben wurde, wo auf¬
grund des Widerstands der Kärntner Slowenen
leichter Basen zu finden gewesen wären. Der
Versuch, den Weg über die Karnischen Alpen
zu nützen, zeugt nicht von Kenntnis der poli¬
tischen und kulturellen Verhältnisse Kärntens.
Das nationalsozialistisch durchdrungene
Grenzlanddeutschtum Kärntens wurde unter¬
schätzt. Insgesamt bestand bei SOE sicher kei¬
ne realistische Einschätzung der Verhältnisse
in Österreich: Der Widerstandswille der Öster¬
reicher in ihrer Gesamtheit mußte überschätzt
werden, weil ohne diese Überschätzung die
geheimdienstliche Arbeit absurd gewesen wä¬
re. Das Ausmaß der Verankerung des NS-Re¬
gimes in Österreich wurde nicht erkannt. Mut,
Selbständigkeit und antifaschistische Hal¬
tung in einer Terrorgesellschaft sind von außen
nur sehr schwer zu kalkulieren. Mich würde
im Vergleich interessieren, wie leicht oder
schwer sich SOE in anderen nationalsoziali¬
stisch besetzten Ländern festsetzen konnte.
Wolfgang Neugebauer, Peter Schwarz: Der
Wille zum aufrechten Gang. Offenlegung der
Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen
Reintegration ehemaliger Nationalsozialis¬
ten. Hg. vom Bund sozialdemokratischer
AkademikerInnen, Intellektuellee und
KünstlerInnen (BSA). Wien: Czernin Verlag
2005. 335 S.
Im Prozeß der Entnazifizierung wurde an¬
satzweise sichtbar, wie stark die österreichi¬