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3 in dem weiter links gerichteten Austrian Centre vorzulesen, das die einzige Plattform für literarische und theatralische Darbietungen der österreichischen Emigranten war. Schuldbewußt betrat er denn von Zeit zu Zeit das Podium, des Pollak’schen Bannfluches gewärtig. Dann brach der Krieg aus. Und was ihm in der Folge zustieß — Internierung, Verbannung in die Provinz —, unterschied sich wenig von dem Schicksal seiner Leidensgenossen, traf ihn, den Schwärmer, Land- und Stadtstreicher, aber besonders hart. Und nun zu den Taschenkalendern, in denen er mehrmals erscheint, obschon kaum häufiger als einmal im Jahr. 26. November 1941 (ich übersetze aus dem Englischen): „Iheodor Kramer hier. Sieht aus wie Schubert. Ist verrückt und bemitleidenswert, aber ein großer Dichter. Muß ihm irgendwie helfen.“ Damals lebte ich schon, wie noch weitere Jahrzehnte, in dem Londoner Vorort Wimbledon. 8. Dezember 1941: „Traf Theodor Kramer im Vienna Cafe“. Weiß Gott, wo das war! Danach kommen nur ein paar Zeilen über den Fortgang des Krieges: „Rußland scheint gerettet, Lybien geht gut voran, Japan hat Anfangserfolge.“ Zwei Erwähnungen im nächsten Jahr: Ich hatte Kramer am 11. August getroffen und am 9. November zum Mittagessen in der Stadt eingeladen. Was für mich dazwischenlag an öffentlicher und privater Plage, Wirrsal, Tragik, sei hier unerwähnt. 1943, am 26. August: „Theodor Kramer war hier von 12 bis halb sieben. Seine monomanischen Reden trieben mich fast zum Wahnsinn. Christine (meine kleine Tochter), vernachlässigt, war äußerst schlimm.“ Und im Jahr darauf, am 14. April, zwei Monate nachdem wir ausgebombt und knapp Hilde Spiel Englands).“ Der Krieg war vorbei, meine Nerven waren besser, die seinen wohl nicht. Am 1. November 1945 trug ich ein: „Zu einer eher merkwürdigen Emigranten-Lesung von Theodor Kramer, Erich Fried, der talentiert ist, und Koenigsgarten.“ Ich habe nicht weiter in den Büchlein geblättert. Wann es sich eingebürgert hatte, daß Kramer aus Guildford an Samstagen zu uns nach Wimbledon kam, mit uns zu Mittag aß, viel Most konsumierte, sein letztes Gedicht vorlas, von dem geliebt-gehaßten „Prinzipal“ am Guildford College erzählte und spät nachmittags Fremd für immer Fremd für immer bleib ich hierzuland und es hat das Herz mir ausgebrannt; ach ich wünsch, ich könnt von meinem Leben, eh es schwindet, irgendwas noch geben. Von zu vielem, das ich einst vertan, hebt in mir es sacht zu singen an; gebt Gehör mir, Freunde, laßt euch bitten: hätt ich sonst doch ganz umsonst gelitten. Hör mich, Flüchtling, der du stempeln gehst, hör mich, der du deine Sprache schmähst, hör mich, dem sich nachts ergießt der Samen, hört mich, ihr, bei euren hundert Namen. Bleibt lebendig unter dicker Haut, gleicht euch an, doch schluchzt im Mutterlaut, sucht nicht. Liebe nur für eine Stunde, glaubt mir, glaubt, und geht nicht vor die Hunde. Morgen, wenn es noch ein Morgen gibt, dröhnt die Tenne, wird die Spreu gesiebt: und im Takt mögt ihr mich wieder finden, der ein Nichts schon heut ist vor den Winden. [9. 12. 1941] zur Stadt fuhr, um sich, wie er sagte, niedrigen Vergnügungen hinzugeben? Offenbar erst 1955, denn in seinem Brief vom 3. Feber schreibt er, daß er mich vielleicht nicht wiedererkennen werde, er selbst (ich holte ihn wohl am Bahnhof ab) trage einen breitkrempigen Hut. Als hatte es dieser Beschreibung bedurft! Es begann dann eine Zeit der häufigen Besuche und Briefe. Auch meine kleinen Kinder fanden Gefallen an seinen .dramatischen Auftritten, den phantastischen Geschichten, die er erzählte, den ein wenig selbstironischen Verzweiflungsausbrüchen, dem schmunzelnden Humor und der prallen Freude daran, an einer damals intakten Familie und Hauswirtschaft zeitweilig teilzunehmen. Doch schon ein Jahr nach seinem Wiederauftauchen wandte ich mich an Bruno Kreisky mit der Bitte um materielle Hilfe für ihn und eine mögliche Heimführung. Im Mai 1957 mußte ich ihn dann in der Nervenheilanstalt Holloway in Virginia Water besuchen, ordnete sein Spitalskästchen und nahm seine Wäsche mit nach Haus. Im August schrieb Bruno Kreisky, die Voraussetzungen für eine Existenz in Wien seien nun gegeben. Und am 3. Februar nächsten Jahres schrieb Kramer mir seinen letzten Brief aus Wien. Er bat mich, ihm meine Fortsetzung auf Seite 4