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Freundschaft nicht zu entziehen, und sagte, er sei „noch
nicht imstande, das Leben zu bewältigen“. Das gemahnte
mich schmerzlich an das Wort von Kleist, daß ihm „in
diesem Leben nicht zu helfen“ sei.
Einen Monat später ist Theodor Kramer, der große,
geplagte, einzigartige, unvergeßliche Mann gestorben.
Eine zusammenhängende Studie über Theodor Kramers
Exilzeit 1939—1957 fehlt bis heute. Aufschlüsse über die
Umstände seiner Emigration aus Österreich, seine letzten
Jahre und die Beziehungen zum Austrian Labour Club
geben die Aufsätze: Erwin Chvojka: Versuch das Wuchern
von Legenden zu behindern. Beiträge zu einer Lebensge¬
schichte Theodor Kramers; Harry Zohn: Aus Theodor Kra¬
mers letzten Jahren; beide in: Konstantin Kaiser, Hg.:
Theodor Kramer 1897—1958. Dichter im Exil. Wien:
Dokumentationsstelle fiir neuere österreichische Literatur,
Zirkular, Sondernummer 4, 1983; Fritz L. Brassloff: Ein
Augenzeuge berichtet tiber Theodor Kramers England¬
Periode und seine Riickkehr nach Wien. In: Mit der Zieh¬
harmonika 2 (1985), Nr. 2, S. 4—8.
Genossen, daß ich bleiben könnt bei euch!
Aus Schriften las ich vor nach vielen Jahren;
ich will nicht wieder in die Midlands fahren.
Genossen, daß ich bleiben könnt bei euch!
Wie sehr ich auch von euch verschieden bin,
ihr seid verbannt und habt wie ich gelitten;
es geht das Herz mir auf in eurer Mitten,
wie sehr ich auch von euch verschieden bin.
Und eines noch: ich hab es nicht gewußt,
daß ihr auch singt, wann eure Redner sagten,
womit sie sich und oft, ach, euch noch plagten.
Ihr singt. Verzeiht: ich hab es nicht gewußt.
Mein Wort war Schall und Rauch; nun hatt’ es euch.
ich könnte schöner und gelöster schreiben,
fänd hier ich Brot, könnt ich in London bleiben.
Mein Wort ist Schall und Rauch; es hätte euch.
In der letzten Nummer von „Mit der Ziehharmonika“
(Nr. 3/1986) wird der Todestag Wilhelm Szabos mit 15.
Juni 1986 angegeben. Richtig ist der 14. Juni. Wir bitten
um Entschuldigung.
Auf Seite 1 derselben Nummer ist Viktor Matejkas Auf¬
ruf „An die österreichischen Künstler und Wissenschaft¬
ler in den Vereinigten Staaten“ wiedergegeben. Der
Artikel von Berthold Viertel, der in der „Austro Ameri¬
can Tribune“ vom November 1945 daran schließt, trägt
den vollständigen Titel „Rückkehr nach Europa?“ und
antwortet auf Matejkas Aufruf. Schildert Matejka die
ersten Erfolge des Wiederaufbaus, so diskutiert Viertel
die berechtigten Bedenken und praktischen Schwierig¬
keiten der Exilierten, in ihre Herkunftsländer zurückzu¬
kehren. Er meint, daß sich Österreicher und Italiener in
dieser Hinsicht innerlich und äußerlich in einer „günsti¬
geren Lage“ befinden: In diesen Ländern habe der
Faschismus zwar auch „Wurzeln geschlagen“, aber das
gesamte soziale Leben nicht so durchdrungen wie in
fürchtet, besteht weniger in einer geradlinigen Fort¬
schreibung faschistischer Auffassungen als in einem
Umkippen des Wiederaufbaus in Restauration (vgl. Vier¬
tels Aufsatz „Austria revidiva“ in: Austro American Tri¬
bune, Jänner 1945).
Eine Ausgabe der Werke Ernst Fischers betreibt der
Sendler Verlag, Frankfurt am Main, seit 1984. Herausge¬
ber ist Karl-Markus Gauß (Salzburg) in Zusammenarbeit
mit Ludwig Hartinger. Erschienen sind bereits drei
zum Februar 1934 in Auswahl. Texte wie „Arbeitsgesin¬
nung und Sozialismus“ oder „Krise der Jugend“ spiegeln
nicht nur die geistige Atmosphäre der Zeit in oft wenig
beachteten Zügen wider, sondern sind auch inhaltlich
ungebrochen aktuell. „Von der Notwendigkeit der
Kunst“, der zweite Band (1985), stellt einen ‚Weltbestsel¬
ler’ der frühen 60er Jahre wieder vor und führt die Dis¬
krepanz zwischen der internationalen Bedeutung Ernst
Fischers und der Kaum- oder Nicht-Rezeption in Öster¬
reich drastisch vor Augen. Der dritte Band, „Ursprung
und Wesen der Romantik“ (1986), beruht auf einem.
nachgelassenen Manuskript Fischers. Fischers Versuch,
die historischen Voraussetzungen der Romantik in West¬
europa zu klären und den ‚Frontverlauf ihrer Ambiva¬
lenzen (zwischen Befreiungserwartung und Restaura¬
tion) abzustecken,: dürfte gerade heute wieder von
Fischer seine Auseinandersetzung führt, weist ihm in der
österreichischen Nachkriegsessayistik wohl eine Sonder- .
stellung zu.
Gleichfalls eine Sonderstellung nimmt die von Hermann
Fortsetzung auf Seite 5