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von Lukäcs aufgeworfene Problem beseitigen, sondern mußte es vielmehr verschärfen: denn je mehr Zweig sich zur „überzeitlichen Frage“ hinbewegte, desto weiter entfernte er sich von der konkreten geschichtlichen Realität; aber nicht im Sinne einer Abstraktion, die esermöglichen sollte, die aktuelle geschichtliche Situation in ihrer KonFesthalten an überzeitlichen Prinzipien die einzige Lösung zu bieten, mit den aktuellen Ereignissen fertig zu werden. Die Zweigschen Biographien zeigen deutlich den ständigen Ausbau dieser Position. VOM HISTORISCHEN ROMAN ZUM MYTHOS DES HUMANISMUS Betrachtet man jene drei historischen Gestalten, mit denen sich Zweig am meisten identifiziert hat — Erasmus, Castellio, Montaigne — und deren Wirken er gestaltet hat, so fällt es schwer, diese ihre künstlerische Gestaltung als Biographie zu bezeichnen. Denn von Werk zu Werk, in der oben genannten Reihenfolge, entfernt Zweig sich von einer plastischen Gestaltung der historischen Protagonisten. Um ihre moralische Integrität besser hervorstreichen zu können, um überhaupt ihre moralischen Qualitäten als das Entscheidende hervorheben zu können, wollte Zweig, der doch zwei Jahrzehnte früher als „literarischer Umsetzer der Psychoanalyse gepriesen“ (PFOSER, 10) worden war, von jeglicher Psychologisierung seiner Helden absehen. Er lehnte es ab, daß „große Gestalten und große Geschehnisse aus einer privaten Psychologie beleuchtet werden statt aus der ‘unerbitterlichen Logik der Geschichte.“ (ZEIT UND WELT, 176). Das Bemiihen, wegzukommen vom alten psychologisierenden historischen Roman — ,,die plumpe Geschichtsfälschung unserer Großväterzeit“ (ebd. 175) —, bedeutete einen Fortschritt gegenüber der Methode, den geschichtlichen Stoff nur als Dekoration, nur als Aufputz zu verwenden, um die eigene Subjektivität besser zum Ausdruck zu bringen. Hier hätte die Chance bestanden, die Ideen nicht mehr in den geschichtlichen Stoff hineinzutragen, sondern sie mit dem historischen Prozeß zu entwickeln. Nun sucht Zweig zwar in seinen biographischen Essays jene Epoche des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts auf, in der sich der Gedanke des Humanismus entwickelt, der Gedanke wird allerdings zunehmend jeglicher konkreten Geschichtlichkeit entkleidet. Ebenso unbeweglich wie das humanitäre Prinzip über den Zeiten steht, ebenso starr ist der Träger dieses Prinzips gezeichnet. Dieser Träger entwickelt sich nicht mit dem Gedanken des Humanismus, er entwickelt ihn nicht in der historischen Situation, er vertritt ihn nur. Die Hauptfigur bewegt sich nicht in und mit der Geschichte, ganz zu schweigen davon, daß sie die Geschichte selbst (mit)bewegt, sondern die Geschichte verläuft, nimmt ‘ihren Lauf, während der Gedanke und sein biographisches Symbol feststehen. Es ist für Zweig ja gerade das Verdienst des Protagonisten, daß er den Gedanken nicht konkretisiert, nicht mit ihm in die Geschichte eingreift, denn nur so kann die Idee bewahrt bleiben, kann sie rein bleiben, kann ihr Trager — wie sein Autor — seine moralische Integrität bewahren. Und auf diese Bewahrung wird die Entwicklung der Biographien Zweigs schließlich hingeführt; und das Verzweifeln. beginnt dort, wo die selbsterlebte Geschichte durch ihre neue Konstellation davonzulaufen droht, was umgekehrt bedeutet, daß man sich von ihr wegbewegt, obwohl Zweig gerade dadurch glaubte, die der Geschichte innewohnende „Psychologie“ begreifen zu können. „Es ist geboten, daß Humanisten streitbar sind und zuschlagen, sooft feindliche Gewalten die Bestimmung des Menschen aufhalten wollen“, lautet nach Heinrich Mann das Gebot des Humanisten (DIE VOLLEN 45 Jahre nach seinem Tode ist Stefan Zweig sicherlich immer noch einer der meistgelesenen Autoren des österreichischen Exils. Das Faktische seines Lebensgangs ist erforscht, aber die Diskussion über den weltanschaulichen Gehalt und die ästhetische Wirksamkeit seines Werkes ist keineswegs abgeschlossen. Die lebendige inhaltliche Auseinandersetzung mit der Exilliteratur ist ja das Ziel, dem auch alle empirische Grundlagenforschung zur Exilliteratur dient. DUNG DES KÖNIGS HENRIQUATRE). Auch hier ist das Humane als Absolutum gesetzt, aber hier hat der Humanist die Aufgabe, sich mit und in der Gesellschaft zu dieser Zielvorstellung durchzuschlagen, während bei ‘ Fortsetzung auf Seite 6