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5. Jahrgang Nr. 4 Preis: 6S 10,— ABSCHIED VON ERICH FRIED Am 23. November ist Erich Fried verstorben. Das Werk Theodor Kramers hat mit ihm einen Fiirsprecher verloren. Als der Dichter Weinheber noch im Krieg Selbstmord begangen hatte, war ich durch seine letzten verzweifelten Gedichte erschiittert, und warnte, gemeinsam mit meinem Freund, dem ’ Lyriker Theodor Kramer, davor, diesen Mann einfach als Nazi abzutun. Wenige Jahre danach aber fand ich in Osterreich eine Uberschatzung Weinhebers ... und ich finde es ganz falsch, daß sich im Palais Palffy zwar ein Weinheber-Zimmer, nicht aber ein Theodor Kramer-Zimmer vorfand — wobei dahingestellt wäre. Aber natürlich war Kramer der wichtigere von den beiden “ Dichtern. (Rede zum Ersten Österreichischen Schriftstellerkongreß, 6. 3. 1981). Fried setzte Kramer in Gegensatz zu Weinheber, um an eine,andere Möglichkeit der kulturellen Entwicklung zu erinnern. Österreich .hat bekanntlich eher den Weinheber-Weg beschritten. Gegen das Weiterschlendern auf dem „Weinheber-Weg“ hat Fried im „Jahr der Zeitgeschichte“ 1984 energisch Stellung genommen: Das Festhalten an einer sogenannten kulturellen Kontinuität, aber ohne zureichende menschliche und historische Kritik, ist einem so ungemein begabten Schriftsteller wie Doderer etwa in seinem Riesenroman „Die Dämonen“ zwar, was den äußeren Erfolg betraf, gut bekommen, aber menschlich und künstlerisch zum Verhängnis geworden. In Deutschland zum Beispiel wäre es so bald nach dem Zweiten Weltkrieg weder in der DDR noch in’der Bundesrepublik für einen Schriftsteller möglich gewesen, das Festhalten am Vergangenen als Bewährung zu verherrlichen, den Versuch, Anderungen zu schaffen, als Mißachtung der Zeitkontinuität und schlechte Dämonie zu verteufeln, wie Doderer es tut. (Einige Worte zu Österreichs Eigenart, 1984.) Die Worte der Kritik an Doderer provozierten den Literaturbetrachter der Wiener Zeitung „Kurier“ Kurt Kahl zu der Bemerkung: Erich Fried kühlt sein Mütchen an „dem trotz seiner Begabung überschätzten Doderer“. Seit einem Jahr im Besitz eines österreichischen Reisepasses, empfiehlt er, den toten Dichterkollegen nicht zu lesen. (Kurier, 25. 10. 1984.) Wie erinnert das — bis in Einzelheiten der Diktion — an die Angriffe, denen ein anderer aus dem Exil Zurückgekehrter, Berthold Viertel, Anfang der 50er Jahre ausgesetzt war! Hier herrscht die ungebrochene Kontinuität der verderblichen Einstellung, die aus Österreich Vertriebenen als „Ausländer“ anzusehen, während Landesverräter und Kriegsverbrecher wie ein Major Reder mit Aufwand aller Mittel in die „Heimat“ zurückgeholt werden. große menschliche Wärme gespürt haben, die von seinen Worten ausging. Fried war auf souveräne Weise frei von kleinlicher Ranküne, verletzter Eitelkeit, zynischer Resignation. Er entzog sich keiner Frage — war er doch selbst ein leidenschaftlicher -Fragensteller. Er wußte, daß die richtig gestellte Frage mehr war als die schulmäßig erteilte Antwort. Dichter .. . Lothar MGthei PME ow coo www Lilian Berley .| Regisseur . . Ernst Stahl-Nachbaur|Der alte Esel . . . . Carl Goetz Schauspielerin Cäcilie Lvovsky Waltets 6 ie ed de « Benno Smytt Pause WW Dieses Erwarmen der Worte in seiner Rede und in seinem Gedicht beruhte in Wahrheit auf einer starken, in der Tektonik des Gedichts aufgefangenen und festgehaltenen Spannung. Las er selbst, war diese Spannung mit dem ersten Wort, das sich vom Schweigen trennte, da und ging durch die folgenden Zeilen gleichmäßig und unaufhaltsam fort. Ein Jugendfreund Frieds, der gleich ihm der Free Austrian Youth in Großbritannien angehörte, war Hans Schmeier, der sich mit 18 Jahren 1943 in London aus einem Fenster zu Tode stürzte. Fried wollte die Gedichte Schmeiers noch sichten und herausgeben. An diese Aufgabe, die er nicht mehr erfüllen konnte, sei die Nachwelt erinnert. Untergegangen sind mit Fried auch Erinnerungen an den Schriftsteller und Anarchisten Fritz Gross, in dessen Bibliothek er die politische Literatur jener Zeit kennenlernte, und an den Lyriker und Journalisten Joseph KalFortsetzung auf Seite 2 Inhalt: Bericht über die Tagung der Theodor Kramer Gesellschaft in Niederhollabrunn / Ausstellung „Viertels Welt“ im Österreichischen Theatermuseum / Erich Auer: Erinnerung an Berthold Viertel / Anna Krommer: Drei Gedichte / Anna Krommer - lexikalisch / Abschied von Erich Fried und von Annette Richter Die Wiener Aufführung ROBERT-BÜHNEN NEUE WIENER BÜHNE ‚Dienstag, 29. April 1924, 7 Uhr VERANSTALTUNG DER KUNSTSTELLE I Rede von Berthoid Viertel 1 TRAUMTHEATER Spiel in einem Akt von Karl Kraus TRAUMSTÜCK von Kari Kraus Dichter. Stee s Lothar Müthel Valuta Lyda Salmonova Lilian Berley Zins] * * \ Oskar Homolka Die Drei... { Charlotte Fraedrich |Baumkrone . * , * Werner Jantsch Hans Behal Der Gartelpelz . Oskar Homolka Die Psycho- {Kas Farkas Feldherr Rudolf Teubler zen Fritz Schrecker Teer) {Eee Jordan Imago... . . Cacilie Lvovsky Journalist Fritz Schrecker Geräusch ..*, * Tuberkulöses Kind Erna Schöller Der Traum. . Ernst Stahl-Nachbaur Ein toter Soldat. Ein Schmetterling. Polizisten. Eine Katze. Eine Zeitung. Regie: Berthold Viertel Bühnenbild: i Musik: Leopold Blonder Heinrich Jalowetz Ende 9 Uhr Musikalische Leitung: Dr.-Paul A. Pisk Mittwoch, 30. April, Anfang halb 8 Uhr: »TRAUMTHEATER und »TRAUMSTOCK« = Donnerstag, 1. Mai geschlossen Freitag, 2. und Samstag, 3. Mai, Anfang halb 8 Uhr: »TRAUMTHEATER< und »TRAUMSTÜCK«