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8. Jahrgang Nr] März 1991 Preis dS 20,MIT DER ZIEHHARMONIKA Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe und fürs Bittre bin ich da; schlag, ihr Leute, nicht die Harfe, spiel die Ziehharmonika. Theodor Kramer Margit Strickhausen Der "Zwang zur Vernunft" Zur politischen Dimension im Werk Hilde Spiels ‘Jenes Verantwortungsgefühl, das ich heute von den Künstlern fordern möchte, ist ideologisch oder gar parteimäßig nicht mehr festlegbar. Die Begriffe links und rechts gibt es für mich nicht mehr. Für mich gibt es nur noch Anständigkeit - in der Weltanschauung und in der Lebenshaltung. Zugleich mit dem Ende der Narrenfreiheit aber befürworte ich, für die Künstler nicht anders als für alle Menschen, den Zwang zur Vernunft." Hilde Spiel, Das Ende der Narrenfreiheit! "Was ich von mir selbst verlange, obschon ausdrücklich von niemand anderem, ist die unverwandte Teilnahme am Zeitgeschehen und dessen Niederschlag in dem, was ich schreibe (...)". Hilde Spiel, Rede, Mai 1988? Geprägt durch die Ideen Moritz Schlicks, bei dem sie in den 30er Jahren Philosophie studierte, und später bestärkt durch den Einfluß von britischer Rationalität und britischem Pragmatismus, sind Hilde Spiels Werke bestimmt von der Überzeugung der Schädlichkeit einseitiger Sichtweisen und dogmatischer Urteile. In einem Jahrhundert extremer politischer Weltanschauungen und einander tödlich bekämpfender Systeme ist eine solche Haltung keine bequeme, sondern im Gegenteil eine sehr schwierige gewesen. Sie erregt Feindseligkeit von allen Seiten, und Hilde Spiel hat das oft genug zu spüren bekommen. 1951 versuchte beispielsweise Friedrich Torberg Hilde Spiel und ihrem damaligen Ehemann Peter de Mendelssohn durch eine Diffamierungskampagne die Veröffentlichungsmöglichkeit, und damit letztlich ihre Existenzgrundlage, zu entziehen, mit der Begründung, daß Hilde Spiel Thomas Manns und Berthold Viertels Verhalten gegenüber der Sowjetunion verteidigt und damit ihr "fellow-traveller"tum bewiesen habe”. ‘Ich bin selbst nicht parteigebunden, obwohl bei mir, wie Leonhard Frank es ausdrückte, ‘das Herz links ist’, und behalte mir in jedem Falle ein persönliches Urteil vor. Als einstige Schülerin des logischen Positivisten Moritz Schlick habe ich auch dem historischen Materialismus gegenüber gewisse grundsätzliche Vorbehalte, würde mich also niemals als Marxistin bezeichnen. Meine Vorbilder sind die englischen Empiristen, und für mein moralisches Urteilgenügt mir Kants Formulierungdes kategorischen Imperativs.' Ihre differenzierte Betrachtungsweise, die die Dinge kritisch gegeneinander abwägt, bevor ein Urteil gefällt wird, und ihr Eintreten für eine humanere Welt spiegeln sich deutlich im erzählerischen Werk Hilde Spiels wider, das leider bis vor kurzem völlig im Schatten ihrer ohne Zweifel hervorragenden essayistischen Produktion gestanden hat. Ich möchte zwei Beispiele aus ihrer frühen Schaffensphase besprechen. Im Jahre 1933 brachte der Paul Zsolnay Verlag in Wien Hilde Spiels ersten Roman Kati auf der Brücke” heraus. Das Thema des Romans war in jener Zeit hochpolitisiert und spielte auch in den Erstlingswerken einer Reihe anderer junger Autoren in den frühen 30er Jahren die zentrale Rolle: das Thema ’J ugend’® Friedrich Achberger, 1983. Aus seinem Nachlaß stammt der Aufsatz über Josef Weinheber und Theodor Kramer, S. 10-18. Inhalt Margit Strickhausen: Der "Zwang zur Vernunft" S. 1/ Konstantin Kaiser: Hilde Spiel 1911.- 1990 S. 2 / Jura Soyfer-Gesellschaft — Rückblick und Ausblick S. 4 / Viktoria Hertling: Theater fiir 49 S. 6 / Maria Ruetz: "\. es geht um eure Erde" S. 6 / Friedrich Achberger: Theodor Kramer — Josef Weinheber. Antipoden in der österreichischen Lyrik der 30er Jahre S. 10 / Friedrich Achberger - Biobibliographie S. 18 / Gerda Hoffer: Kleider machen Leute (Uber Leo Reuss) S. 19 /Jiirgen Doll: Jura Soyfer in Paris S. 20 Einem Teil dieser Auflage liegt ein Erlagschein der Theodor Kramer Gesellschaft bei. Bitte benützen Sie ihn zur Bezahlung des Abonnements 1991 (öS 70,-), eines Mitgliedsbeitrags (6S 200,-) oder einer Spende. Bitte Zahlungszweck angeben. Der Mitgliedsbeitrag schließt Abonnement und Bezug des Jahrbuchs Zwischenwelt ein.